Iod-Tabletten – Schutz nach einem nuklearen Unfall? Was man dazu wissen sollte! Blog#12

Angesichts des Kriegs in der Ukraine sorgen sich viele Menschen, auch in Deutschland, vor radioaktiver Strahlung durch einen Atomreaktorunfall oder dem Einsatz russischer Nuklearwaffen und horten Iod-Tabletten um für den Fall einer atomaren Katastrophe vermeintlich gewappnet zu sein.

Warum, für wen und wann ist die Einnahme von Iod-Tabletten sinnvoll und woher bekommt man im Ernstfall die Tabletten? Antworten dazu im heutigen Blog!

Warum, für wen und wann ist die Einnahme von Iod-Tabletten sinnvoll?

Iod spielt im Organismus hauptsächlich eine Rolle für die Produktion der Schilddrüsenhormone Thyroxin (T4) und Triiodthyronin (T3), die vier bzw. drei Iodatome enthalten (siehe Abb. 1).

Abb. 1: Chemische Struktur von Thyroxin und Triiodthyronin

Der gesamte Iodvorrat im menschlichen Körper wird auf 10 bis 30 Milligramm beziffert. Davon sind 99 % in der Schilddrüse gespeichert.

Bei einem „nuklearen Unfall“ gelangen verschiedene radioaktive Stoffe in die Umwelt, unter anderem das Uran-Spaltprodukt Iod-131, dass „glücklicherweise" eine relativ kurze Halbwertszeit von 8 Tagen hat (dh Halbierung der radioaktiven Strahlung alle 8 Tage; nach 80 Tagen (10 Halbwertszeiten) ist nur noch 1/210 entsprechend 1/1024 oder ca. 0,1% des radioaktiven Iod-131 vorhanden).

Radioaktives Iod-131 ist relativ leicht flüchtig, bildet daher nach Freisetzung eine gefährliche radioaktive Wolke, die Hunderte oder gar Tausende Kilometer weit getragen werden kann, bevor sie durch Regen ausgewaschen wird. Nach dem „Abregnen“ gelangt Iod-131 vor allem in Blattgemüse und über Futterpflanzen in Milch und Milchprodukte, wird über die Nahrung in den Körper aufgenommen und verhält sich dort wie normales, nicht-radioaktives, stabiles Iod (Iod-127). Es wird über das Blutplasma und den sogenannten Natrium-Iodid-Symporter (NIS) in die Schilddrüse aufgenommen und danach in verschiedene Hormone (Thyroxin, Triiodthyronin) eingebaut.

Das in die Schilddrüse „eingebaute“ Iod-131 zerfällt unter Abgabe von Elektronen („Beta-Zerfall“) und Gammastrahlung in nicht radioaktives Xenon-131, wobei die abgegebenen Elektronen eine Gewebepenetration von 0,6 bis 2 mm aufweisen und dadurch, quasi von innen, umgebende Zellen schädigen.

Dadurch besteht vor allem bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen eine deutlich erhöhte Gefahr für die Entstehung von Schilddrüsenkrebs, der sich allerdings häufig erst mit einigen Jahrzehnten Verzögerung entwickelt.

Dieser Zusammenhang zwischen radioaktivem Iod und einer Schilddrüsenkrebs Erkrankung ist schon lange bekannt und auch der eigentliche Grund für die Einnahme von Iod-Tabletten. Die Idee hier ist es,  zum „richtigen Zeitpunkt“ die Schilddrüse mit hochdosiertem, normalem, nicht radioaktiven Iod-127 zu fluten, damit das Organ ausreichend gesättigt ist, um kein radioaktives Iod-131 mehr aufnehmen zu können (sogenannte „Iodblockade“). Das noch im Blutplasma zirkulierende, nicht in der Schilddrüse gespeicherte Iod wird über die Nieren rasch mit einer biologischen Halbwertszeit von einigen Stunden ausgeschieden.

Die notwendige Dosierung beträgt für Jugendliche und junge Erwachsene 65 Milligramm Kaliumiodid (wenigstens zweimal genommen), für Kinder reicht eine Einmalgabe von 65 Milligramm (eine Tablette mit 65 mg Kaliumiodid enthält 50 mg Iodid).

Die Anwendung von „hochdosiertem Iod“ ist nicht ohne Gefahren, und die unnötige und übermäßige Verwendung kann Erkrankungen (zB Hyperthyreose, Magen-Darm-Störungen, allergische Reaktionen) auslösen. Daher werden hochdosierte Iod-Tabletten ausschließlich für die akute Anwendung in Kindern und jungen Erwachsenen empfohlen („günstiges Nutzen-Risiko-Verhältnis“), nicht aber für über 45-jährige Personen, da das Risiko für Schilddrüsenkrebs mit höherem Lebensalter sinkt, das Risiko für eine Schilddrüsenüberfunktion aber steigt („ungünstiges Nutzen-Risiko Verhältnis“)!

Der Einnahmezeitpunkt ist für die Wirkung enorm wichtig! Zu früh eingenommen ist der Effekt schon weg bis das radioaktive Iod im Körper ankommt, zu spät eingenommen ist das radioaktive Iod-131 bereits in die Schilddrüsenhormone eingebaut. Das Bundesamt für Strahlenschutz betreibt deutschlandweit 1.700 Messstationen, die die Radioaktivität in der Atmosphäre bestimmen und wird bei Erreichen definierter Eingreifrichtwerte die Einnahme der Iod-Tabletten empfehlen. 

Iodtabletten sollten nur nach ausdrücklicher Aufforderung durch die Kastrophenschutzbehörden in der von den Behörden genannten Dosis eingenommen werden.

Woher bekommt man die Tabletten?

Bund und Länder der Bundesrepublik Deutschland halten 189 Millionen hochdosierte Kaliumiodid-Tabletten (65 mg Kaliumiodid, also 50 mg Iodid pro Tablette) zur Iodblockade bereit, die im „Ereignisfall“ an die Bevölkerung verteilt werden.

Die herkömmlichen Tabletten aus der Apotheke zur Behandlung oder Prophylaxe von Iodmangelstruma enthalten nur 100 Mikrogramm Kaliumiodid - etwa ein Tausendstel der notwendigen Iodid-Menge für die Iodblockade - und sind daher nicht als Schutz vor radioaktivem Iod geeignet!

Welche Erkenntnisse gibt es aus dem Tschernobyl Nuklearunfall – Schilddrüsenkrebs Erkrankungen durch Iod-131

Eine riesige Menge von radioaktivem Iod-131 wurde Ende April 1986 durch den Tschernobyl Nuklearunfall freigesetzt. Eine Zunahme von Schilddrüsenkrebs wurde erstmals schon wenige Jahre nach der Katastrophe beobachtet, insbesondere bei Personen, die zum Zeitpunkt des Unglücks unter fünf Jahre alt waren. Bei Kindern, die nach dem 1. Dezember 1987 geboren wurden, also nachdem das radioaktive Iod-131 praktisch vollständig zerfallen war, lässt sich keine Zunahme beobachten.

Bis heute wurden in Russland, Belarus und der Ukraine etwa 6000 Fälle diagnostiziert. Von den 6000 Fällen verstarben bis 2011 insgesamt „nur“ 15 Personen, da der differenzierte Schilddrüsenkrebs bei rechtzeitiger medizinischer Behandlung eine der besten Prognosen unter den Krebserkrankungen hat.

Fazit

  • Radioaktives Iod-131 kann im Falle eines nuklearen Unfalls freigesetzt werden, über die Nahrungskette in die menschliche Schilddrüse eingebaut werden und insbesondere bei Kindern zu Schilddrüsenkrebs führen.
  • Eine akute Gabe von hochdosiertem Kaliumiodid bei Kindern und Menschen unter 45 Jahren - zum richtigen Zeitpunkt – schützt vor einer eventuellen Schilddrüsenkrebs Erkrankung ("günstiges Nutzen-Risiko-Verhältnis“).
  • Iod-Tabletten schützen ausschließlich vor einer Iod-131 verursachten Schilddrüsenkrebs-Erkrankung, keineswegs aber vor den negativen gesundheitlichen Auswirkungen anderer Radionuklide mit deutlich längerer Halbwertszeit (zB Caesium 137, mit einer Halbwertszeit von 30 Jahren; Strontium 90; Plutonium) die im Falle eines nuklearen Unfalls ebenfalls freigesetzt werden!
    • zur Veranschaulichung: 99.9% des freigesetzten radioaktiven Iod-131 zerfällt innerhalb von 80 Tagen, für radioaktives Caesium-137 dauert dieser 99.9%-ige Zerfall aber 300 Jahre (!).
  • Meine Einschätzung: Aufgrund der kurzen Halbwertszeit von Iod-131 und der guten Prognose von Schilddrüsenkrebs-Erkrankungen, ist der durch Iod-131 verursachte Schaden vergleichsweise gering. Andere, bei einem Atomreaktorunfall oder Nuklearwaffeneinsatz ebenfalls freigesetzte radioaktive Elemente sind um Größenordnungen bedrohlicher! 

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Verantwortlicher: Klaus Rudolf; Kommentare und Fragen bitte an: rudolfklausblog@gmail.com 

Disclaimer: Auf Klaus Rudolfs Blog gebe ich meine persönliche Meinungen und Erfahrungen weiter. Ich bin weder Arzt noch Finanzberater. Bitte informiere Dich breit und konsultiere bei Bedarf einen professionellen Experten in Gesundheitsfragen oder Finanzanlagen.

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