Iod-Tabletten – Schutz nach einem nuklearen Unfall? Was man dazu wissen sollte! Blog#12
Angesichts des Kriegs in der Ukraine sorgen sich viele Menschen, auch in Deutschland, vor radioaktiver Strahlung durch einen Atomreaktorunfall oder dem Einsatz russischer Nuklearwaffen und horten Iod-Tabletten um für den Fall einer atomaren Katastrophe vermeintlich gewappnet zu sein.
Warum, für wen und
wann ist die Einnahme von Iod-Tabletten sinnvoll und woher bekommt man im
Ernstfall die Tabletten? Antworten dazu im heutigen Blog!
Warum, für wen und wann ist die Einnahme von Iod-Tabletten sinnvoll?
Iod spielt im
Organismus hauptsächlich eine Rolle für die Produktion der Schilddrüsenhormone
Thyroxin (T4) und Triiodthyronin (T3), die vier bzw. drei Iodatome enthalten
(siehe Abb. 1).
Bei einem „nuklearen Unfall“ gelangen verschiedene radioaktive Stoffe in die Umwelt, unter anderem das Uran-Spaltprodukt Iod-131, dass „glücklicherweise" eine relativ kurze Halbwertszeit von 8 Tagen hat (dh Halbierung der radioaktiven Strahlung alle 8 Tage; nach 80 Tagen (10 Halbwertszeiten) ist nur noch 1/210 entsprechend 1/1024 oder ca. 0,1% des radioaktiven Iod-131 vorhanden).
Radioaktives
Iod-131 ist relativ leicht flüchtig, bildet daher nach Freisetzung eine gefährliche
radioaktive Wolke, die Hunderte oder gar Tausende Kilometer weit getragen
werden kann, bevor sie durch Regen ausgewaschen wird. Nach dem „Abregnen“ gelangt
Iod-131 vor allem in Blattgemüse und über Futterpflanzen in Milch und Milchprodukte,
wird über die Nahrung in den Körper aufgenommen und verhält sich dort wie normales,
nicht-radioaktives, stabiles Iod (Iod-127). Es wird über das Blutplasma und den
sogenannten Natrium-Iodid-Symporter (NIS) in die Schilddrüse aufgenommen und danach
in verschiedene Hormone (Thyroxin, Triiodthyronin) eingebaut.
Das in die
Schilddrüse „eingebaute“ Iod-131 zerfällt unter Abgabe von Elektronen („Beta-Zerfall“)
und Gammastrahlung in nicht radioaktives Xenon-131, wobei die abgegebenen
Elektronen eine Gewebepenetration von 0,6 bis 2 mm aufweisen und dadurch, quasi
von innen, umgebende Zellen schädigen.
Dadurch besteht vor
allem bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen eine deutlich erhöhte Gefahr
für die Entstehung von Schilddrüsenkrebs, der sich allerdings häufig erst mit
einigen Jahrzehnten Verzögerung entwickelt.
Dieser
Zusammenhang zwischen radioaktivem Iod und einer Schilddrüsenkrebs Erkrankung ist schon
lange bekannt und auch der eigentliche Grund für die Einnahme von
Iod-Tabletten. Die Idee hier ist es, zum „richtigen Zeitpunkt“ die Schilddrüse
mit hochdosiertem, normalem, nicht radioaktiven Iod-127 zu fluten, damit das
Organ ausreichend gesättigt ist, um kein radioaktives Iod-131 mehr aufnehmen zu können (sogenannte „Iodblockade“). Das noch im Blutplasma
zirkulierende, nicht in der Schilddrüse gespeicherte Iod wird über die Nieren
rasch mit einer biologischen Halbwertszeit von einigen Stunden ausgeschieden.
Die notwendige
Dosierung beträgt für Jugendliche und junge Erwachsene 65 Milligramm
Kaliumiodid (wenigstens zweimal genommen), für Kinder reicht eine Einmalgabe
von 65 Milligramm (eine Tablette mit
Die Anwendung von
„hochdosiertem Iod“ ist nicht ohne Gefahren, und die unnötige und übermäßige
Verwendung kann Erkrankungen (zB Hyperthyreose,
Magen-Darm-Störungen, allergische Reaktionen) auslösen. Daher werden
hochdosierte Iod-Tabletten ausschließlich für die akute Anwendung in Kindern
und jungen Erwachsenen empfohlen („günstiges Nutzen-Risiko-Verhältnis“), nicht
aber für über 45-jährige Personen, da das Risiko für Schilddrüsenkrebs mit
höherem Lebensalter sinkt, das Risiko für eine Schilddrüsenüberfunktion aber steigt
(„ungünstiges Nutzen-Risiko Verhältnis“)!
Der Einnahmezeitpunkt ist für die Wirkung enorm wichtig! Zu früh eingenommen ist der Effekt schon weg bis das radioaktive Iod im Körper ankommt, zu spät eingenommen ist das radioaktive Iod-131 bereits in die Schilddrüsenhormone eingebaut. Das Bundesamt für Strahlenschutz betreibt deutschlandweit 1.700 Messstationen, die die Radioaktivität in der Atmosphäre bestimmen und wird bei Erreichen definierter Eingreifrichtwerte die Einnahme der Iod-Tabletten empfehlen.
Woher bekommt man die Tabletten?
Bund und Länder
der Bundesrepublik Deutschland halten 189 Millionen hochdosierte
Kaliumiodid-Tabletten (65 mg Kaliumiodid, also 50 mg Iodid pro Tablette) zur Iodblockade
bereit, die im „Ereignisfall“ an die Bevölkerung verteilt werden.
Die herkömmlichen
Tabletten aus der Apotheke zur Behandlung oder Prophylaxe von Iodmangelstruma
enthalten nur 100 Mikrogramm Kaliumiodid - etwa ein Tausendstel der notwendigen
Iodid-Menge für die Iodblockade - und sind daher nicht als Schutz vor
radioaktivem Iod geeignet!
Welche Erkenntnisse gibt es aus dem Tschernobyl Nuklearunfall – Schilddrüsenkrebs Erkrankungen durch Iod-131
Eine riesige
Menge von radioaktivem Iod-131 wurde Ende April 1986 durch den Tschernobyl Nuklearunfall
freigesetzt. Eine Zunahme von Schilddrüsenkrebs wurde erstmals schon wenige
Jahre nach der Katastrophe beobachtet, insbesondere bei Personen, die zum
Zeitpunkt des Unglücks unter fünf Jahre alt waren. Bei Kindern, die nach dem 1.
Dezember 1987 geboren wurden, also nachdem das radioaktive Iod-131 praktisch vollständig
zerfallen war, lässt sich keine Zunahme beobachten.
Bis heute wurden
in Russland, Belarus und der Ukraine etwa 6000 Fälle diagnostiziert. Von den
6000 Fällen verstarben bis 2011 insgesamt „nur“ 15 Personen, da der
differenzierte Schilddrüsenkrebs bei rechtzeitiger medizinischer Behandlung
eine der besten Prognosen unter den Krebserkrankungen hat.
Fazit
- Radioaktives Iod-131 kann im Falle eines nuklearen Unfalls freigesetzt werden, über die Nahrungskette in die menschliche Schilddrüse eingebaut werden und insbesondere bei Kindern zu Schilddrüsenkrebs führen.
- Eine akute Gabe von hochdosiertem Kaliumiodid bei Kindern und Menschen unter 45 Jahren - zum richtigen Zeitpunkt – schützt vor einer eventuellen Schilddrüsenkrebs Erkrankung ("günstiges Nutzen-Risiko-Verhältnis“).
- Iod-Tabletten schützen ausschließlich vor einer Iod-131 verursachten Schilddrüsenkrebs-Erkrankung, keineswegs aber vor den negativen gesundheitlichen Auswirkungen anderer Radionuklide mit deutlich längerer Halbwertszeit (zB Caesium 137, mit einer Halbwertszeit von 30 Jahren; Strontium 90; Plutonium) die im Falle eines nuklearen Unfalls ebenfalls freigesetzt werden!
- zur Veranschaulichung: 99.9% des freigesetzten radioaktiven Iod-131 zerfällt innerhalb von 80 Tagen, für radioaktives Caesium-137 dauert dieser 99.9%-ige Zerfall aber 300 Jahre (!).
- Meine Einschätzung: Aufgrund der kurzen Halbwertszeit von Iod-131 und der guten Prognose von Schilddrüsenkrebs-Erkrankungen, ist der durch Iod-131 verursachte Schaden vergleichsweise gering. Andere, bei einem Atomreaktorunfall oder Nuklearwaffeneinsatz ebenfalls freigesetzte radioaktive Elemente sind um Größenordnungen bedrohlicher!
Verantwortlicher: Klaus Rudolf; Kommentare und Fragen bitte an: rudolfklausblog@gmail.com
Disclaimer: Auf Klaus Rudolfs Blog gebe ich meine persönliche Meinungen und Erfahrungen weiter. Ich bin weder Arzt noch Finanzberater. Bitte informiere Dich breit und konsultiere bei Bedarf einen professionellen Experten in Gesundheitsfragen oder Finanzanlagen.