Wegovy® (Semaglutid) - ein neues, gut wirksames Medikament zur Gewichtsreduktion! Blog#13

In Deutschland sind laut RKI-Daten 67 % der Männer und 53 % der Frauen übergewichtig (BMI >25) und 23% bzw. 24% adipös (BMI >30). Mithilfe von Medikamenten substanziell an Gewicht zu verlieren, klingt daher attraktiv und tatsächlich wurde in den USA und in der EU vor kurzem ein neues, gut wirksames Medikament - Wegovy - für dieses Indikation zugelassen.

BMI steht für Body-Mass-Index und wird mittels der Formel "Gewicht (in kg) dividiert durch Körpergröße (in m)2" berechnet. Bei BMI-Werten >25 spricht man von Übergewicht, bei BMI-Werten >30 von Fettleibigkeit oder Adipositas. Eine 1,75 m große Person mit 73 kg Körpergewicht hat einen BMI von 23,8 (73/1,752und gilt als normalgewichtig, mit einem Körpergewicht von 93 kg gilt dieselbe Person als fettleibig oder adipös (BMI: 30,4).

Was ist Wegovy, wie wurde es entwickelt und was ist der zugrunde liegende Wirkmechanismus? Wie wird Wegovy angewandt, wie viel Gewicht verlieren die Patienten und welche Nebenwirkungen sind bekannt? Wie teuer ist Wegovy und erstatten die Krankenkassen die Kosten? 

Diese Fragen beantworte ich in diesem Blog! Schließen werde ich mit einem Fazit und meiner persönlichen Einschätzung.

Die Suche nach einem gut wirksamen und zugleich sicheren Schlankheitsmittel treibt Forscher schon seit vielen Jahrzehnten um, da bislang zugelassene Medikamente nicht gut wirksam sind und/oder häufig auch mehr schaden, als nutzen und daher nach kurzer Zeit vom Markt genommen werden mussten. Die einzige, wirklich zuverlässige Behandlung der Adipositas war es den Magen mittels eines chirurgischen Eingriffs zu verkleinern. Das könnte sich mit der Einführung von Wegovy nun grundsätzlich ändern.

Was ist Wegovy®, wie wurde es entwickelt und was ist der zugrunde liegende Wirkmechanismus?

Der in Wegovy® enthaltene Wirkstoff - Semaglutid - wurde von Wissenschaftlern der dänischen Pharmafirma Novo Nordisk zunächst als Diabetes Typ-2 Medikament erforscht und entwickelt.

Alles begann mit der Erkenntnis, dass körpereigene Moleküle, sogenannte Inkretine, im Darm nach der Nahrungsaufnahme produziert werden, danach in den Blutkreislauf gelangen und auf die Bauchspeicheldrüse wirken, um die Insulinausschüttung zu erhöhen. Die vermehrte Insulinausschüttung führt zur erwünschten Senkung des Blutzuckerspiegels. Der wichtigste Vertreter dieser Inkretine heißt Glucagon-Like Peptide 1 (oder GLP-1). 

Beim Menschen besteht das wirksame GLP-1 Hormon aus den Aminosäuren 7-36 des Präglucagon-Proteins. GLP-1 ist daher ein aus 30 Aminosäuren bestehendes Peptidhormon. Seine physiologischen Effekte übt es über die Aktivierung von sogenannten GLP-1-Rezeptoren (gehören zu der "G protein–coupled receptor" Familie) aus. GLP-1 regt nicht nur die Insulinausschüttung der Bauchspeicheldrüse an, sondern erhöht auch das Volumen der Zellen in der Bauchspeicheldrüse, die Insulin produzieren.

Daher wäre es attraktiv, Diabetikern einfach das natürlich vorkommende GLP-1 Peptidhormon zu verabreichen. Leider geht das aber nicht, denn im Körper wird GLP-1 innerhalb von etwa 2 Minuten abgebaut. Ein Diabetiker müsste sich also alle paar Minuten GLP-1 spritzen, um seinen Blutzuckerspiegel zu kontrollieren - was natürlich nicht praktikabel ist.

Die Herausforderung bestand nun darin, GLP-1 durch ein anderes Peptid zu ersetzen, das eine sehr ähnliche chemische Struktur und Wirksamkeit hat (ein sogenanntes GLP-1-Analogon), aber eine deutlich  längere Lebensdauer im Körper aufweist. Nach vielen Jahren intensiver Forschung und vielen Lernzyklen konnte schließlich ein neuer Wirkstoff, Semaglutid, mit den gewünschten Eigenschaften identifiziert werden. Semaglutid ist ein potenter GLP-1 Rezeptoragonist und im Gegensatz zum natürlichen  GLP-1, langwirksam.

Die "kleinen" chemischen Modifikationen, mit denen das erreicht werden konnte sind in Abbildung 1 zusammengefasst! 

  • Alanin an Position 8 wurde durch α-Aminoisobuttersäure ausgetauscht (eine synthetische Aminosäure, Schutz vor Abbau durch die Peptidase DPP-4),
  • Bindung eines hydrophilen Linkers und einer hydrophoben C18-Difettsäure an das Lysin in Position 26 (dadurch bindet Semaglutid an humanes Serumalbumin, was zu einer Verlängerung der Halbwertszeit führt),
  • Lysin an Position 34 wurde durch Arginin ersetzt (damit der Linker und die Fettsäure an der richtigen Stelle angebracht werden kann).
Insgesamt führen diese, gezielt vorgenommenen, strukturellen Veränderungen dazu, dass Semaglutid nur einmal pro Woche gegeben werden muss, während das natürlich vorkommende GLP-1 Molekül mit einer Halbwertszeit von 2 Minuten im menschlichen Körper abgebaut wird!

Abb. 1: Chemische Struktur von Semaglutid mit dem modifiziertem GLP-1-Protein oben und den γ-Glutamat-Linkern, die mit dem C18-Stearinsäure-Spacer verbunden sind. Die chemischen Modifikationen an Position 8, 26 und 34 sind in grüner Farbe markiert. Das humane Serumalbumin (nicht dargestellt) würde an die Carbonsäuregruppe am unteren Ende der C18-Kette binden.

Semaglutid ist, aufgrund der chemischen Struktur und seiner physikochemischen Eigenschaften wenig überraschend, nicht oral bioverfügbar und konnte daher nicht als Tablette, sondern ausschließlich in Form eines Pens zur einmal wöchentlichen subkutanen Injektion entwickelt werden.

In klinischen Studien zeigte Semaglutid die erwarteten blutzuckersenkenden und antidiabetischen Eigenschaften:

  • glukoseabhängige Steigerung der Insulinsekretion aus den Betazellen des Pankreas,
  • eine Senkung der Glucagonsekretion aus den Alphazellen und dadurch verminderte Glucoseabgabe durch die Leber (Senkung der Gluconeogenese)

und ist daher seit 2017 unter dem Markennamen Ozempic® für die Behandlung von Diabetes Typ-2 zugelassen.

Aber wie entwickelte sich nun aus Semaglutid eine Pille gegen Fettleibigkeit?

Es stellte sich heraus, dass Semaglutid nicht nur die Insulinausschüttung steigert, sondern auch das Sättigungsgefühl während und zwischen den Mahlzeiten. Semaglutid wirkt dämpfend auf Appetitzentren im Gehirn und verlangsamt die Magenperistaltik und damit den Verdauungsvorgang. Das bedeutet, dass man länger satt bleibt und weniger isst. Mit anderen Worten, Semaglutid wirkt auch als Appetitzügler!

Wie wird Wegovy® (Semaglutid) angewandt, wie viel Gewicht verlieren die Patienten und welche Nebenwirkungen sind bekannt?

Um die gewichtsreduzierenden Effekte von Semaglutid zu quantifizieren wurden mehrere Plazebo-kontrollierte Doppelblind-Studien mit bis zu 2000 Personen durchgeführt. Eine wöchentliche subkutane Injektion von hochdosiertem Semaglutid (2,4 mg) mittels eines Pens, zusammen mit "Lebensstilintervention" (Ratschlägen zu Ernährung und Fitness), während einer 15-monatigen Studie führte zu einem durchschnittlichen Gewichtsverlust von 14,9% (bzw. BMI: -5,5 kg/m2), während die Plazebogruppe mit alleiniger Lebensstilinvervention nur rund 2,4% (BMI: - 0.9 kg/m2schaffte

32% der Probanden der Semaglutid-Gruppe erzielten sogar einen Gewichtsverlust von über 20%, im Vergleich zu lediglich 1,7% in der Plazebogruppe. 

Zur Veranschaulichung: eine 1,75 m große Person mit einem Anfangsgewicht von 100 kg (BMI: 32,7) wiegt nach 15-monatiger Behandlung

  • durchschnittlich noch 85,1 kg (BMI: 27,8),
  • 32% der behandelten Personen erreichen sogar ein Gewicht von 80 kg (BMI: 26,1) oder weniger.

Für eine medikamentöse Adipositastherapie sind diese Ergebnisse sehr gut, besser als Alles was bislang nach Medikamentengabe beobachtet wurde und viele Mediziner sprechen von einem Durchbruch für die Behandlung der Fettleibigkeit. Lediglich die chirurgische Verkleinerung des Magens (Magenbypass) führt zuverlässig zu einem höheren Gewichtsverlust.

Wie sieht es mit den Nebenwirkungen aus? GLP-1 Agonisten im allgemeinen und Semaglutid (Wegovy®) im Besonderen zeigen, vor allem zu Beginn der Behandlung, gastrointestinale Nebenwirkungen wie Übelkeit, Erbrechen, Diarrhoen und Verstopfungen.

  • Im Verlauf des 68-wöchigen Studienzeitraums traten unter Semaglutid bei 43,9% (Plazebo: 16%) der Patienten Übelkeit, bei 30% (Plazebo: 16%) Durchfall und bei 25% (Plazebo: 6%) Erbrechen auf. Die gastrointestinalen Ereignisse führten bei 4% der Patienten zu einem dauerhaften Absetzen der Behandlung (siehe hier).
  • Wegovy® wird daher behutsam "eindosiert": die Dosis für die subkutane Injektion liegt im ersten Monat bei 0,25 mg pro Woche, im zweiten Monat erhöht sie sich auf 0,5 mg, im dritten Monat auf 1 mg, im vierten Monat auf 1,7 mg und ab dem fünften Monat auf die volle Dosis von 2,4 mg.

Aufgrund des insgesamt günstigen Nutzen-Risiko Profils wurde Semaglutid (Wegovy®) 

  • als Ergänzung zu einer kalorienreduzierten Ernährung und erhöhter körperlicher Aktivität zur Gewichtskontrolle einschließlich Gewichtsabnahme und Gewichtserhaltung für Erwachsene
  • mit einem anfänglichen BMI von mehr als 30 kg/mals auch für Erwachsene mit Übergewicht (BMI > 27 kg/m2), sofern mindestens eine gewichts-assoziierte Komorbidität (zB Prädiabetes, Bluthochdruck, erhöhte Blutfettwerte, kardiovaskuläre Erkrankungen) vorliegen.

im Juni 2021 in den USA und im Januar 2022 in der EU zugelassen.

Weitere Studien müssen nun zeigen, ob die Wirksamkeit im Laufe der Zeit abnimmt und was passiert wenn die Patienten das Medikament absetzen.

Wie teuer ist Wegovy® und wer bezahlt? 

  • Von den Krankenkassen werden die Kosten von GLP-1 Agonisten / Wegovy® für die Therapie der Adipositas bislang nicht übernommen, da nicht bewiesen ist, dass sich dadurch Folgekrankheiten, insbesondere kardiovaskuläre, verhindern lassen. Eine derartige Endpunktstudie mit Wegovy® läuft bereits und wird voraussichtliche bis Ende 2023 Ergebnisse liefern.

  • Der Preis für Wegovy® in den USA lag zuletzt bei 1349 USD pro Monat (das billigere für die Diabetes-Behandlung eingesetzte Ozempic® eignet sich trotz des gleichen Wirkstoffs nicht zum Abnehmen, da dessen Wirkstoffmenge speziell für Diabetiker angepasst ist). Den Verkaufspreis in Deutschland konnte ich zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Blogs leider nicht herausfinden.

Ausblick

Forscher arbeiten bereits an der nächsten Medikamenten-Generation, sogenannten Kombi-Wirkstoffen in denen die Wirkung unterschiedlicher Hormone kombiniert werden (GIP, PYY, Amylin, GLP-1). So entwickelt zB die US-amerikanische Pharmafirma Eli Lilly den Wirkstoff Tirzepatid, ein aus 39 Aminosäuren bestehendes Peptidhormon, das sowohl den GLP-1 als auch den GIP-Rezeptor aktiviert und in ersten klinischen Studien den Blutzucker und das Gewicht von Diabetikern noch nachhaltiger senkt als Semaglutid. 

Fazit & persönliche Einschätzung

  • Semaglutid (Wegovy®) ist ein neues Medikament zur Therapie der Adipositas, das deutlich besser wirksam und verträglich ist als alle bislang in  Deutschland zugelassenen Adipositas-Medikamente (Orlistat, Liraglutid, Cathin und Amfepramon).
  • Aufgrund der beobachteten Nebenwirkungen und der vermutlichen Notwendigkeit einer lebenslangen Therapie ist Wegovy® kein Wundermittel. Daher wird bereits an der Entwicklung neuer, weiter verbesserter Wirkstoffe gearbeitet.
  • Wegovy® ist relativ teuer: eine 15-monatige Therapie, die zu 14,9% Gewichtsverlust führt, kostet in den USA derzeit 20.235 USD. Die Kosten werden von den gesetzlichen Krankenkassen derzeit nicht übernommen. Sobald Ergebnisse von Endzeitstudien vorliegen könnte sich das aber ändern.
  • Meine persönliche Einschätzung: eine Ernährungsumstellung und ein gesünderer Lebensstil sollten immer am Anfang einer Behandlung der Adipositas stehen! Die Behandlung mit Wegovy® kann bei ausgeprägter Adipositas/Fettleibigkeit (BMI > 30) oder für Übergewichtigte (BMI > 27), die an Folgeerkrankungen wie Herz-, Kreislauf-, Gelenkproblemen oder Diabetes leiden, zusätzlich unterstützen!

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Verantwortlicher: Klaus Rudolf; Kommentare und Fragen bitte an: rudolfklausblog@gmail.com 

Disclaimer: Auf Klaus Rudolfs Blog gebe ich meine persönliche Meinungen und Erfahrungen weiter. Ich bin weder Arzt noch Finanzberater. Bitte informiere Dich breit und konsultiere bei Bedarf einen professionellen Experten in Gesundheitsfragen oder Finanzanlagen.

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