Wenn das Gedächtnis ein paar Stunden nicht mehr funktioniert - Transiente Globale Amnesie. Blog#10

Stelle Dir vor, Du fühlst Dich kerngesund, hast also keine physischen oder psychischen Beschwerden und weißt ganz plötzlich nicht mehr wo Du bist, warum Du an diesem Ort bist und welcher Wochentag ist!

Du spürst in Deinem Innersten, dass hier irgendetwas absolut nicht stimmt und stellst verzweifelt immer wieder dieselben Fragen: wo bin ich, was mache ich hier, welcher Wochentag ist heute. Die Antworten hörst und verstehst Du, aber nach zwei, spätestens drei Minuten hast Du alles wieder vergessen. Du fragst das Gleiche wieder und immer wieder, bekommst dieselben Antworten und vergisst alles wieder innerhalb weniger Minuten.

Und dann, nach einer sich endlos anfühlenden Stunde mit den immer gleichen Fragen und Antworten, ist der Spuk ganz plötzlich wieder vorüber! Du bist von einer Sekunde zur nächsten wieder ganz normal, so als ob nie etwas gewesen wäre! Die Personen, die dich während dieser Zeit erlebt haben, erzählen Dir besorgt und gleichzeitig erleichtert, was in dieser Stunde passiert ist. Du selbst wirst Dich aber nie an diese Stunde erinnern und wärst Du in dieser Stunde alleine gewesen, wäre das Geschehene niemanden aufgefallen.

Diese vorübergehende Gedächtnisstörung gibt es tatsächlich und ist als transiente globale Amnesie (TGA) bekannt, eine der interessantesten und beeindruckendsten neurologischen Störungen!

Was ist eine TGA, wie häufig tritt sie auf, was sind die Auslöser, wie wird eine TGA diagnostiziert, ist die TGA ein Indikator oder Vorbote für andere Erkrankungen und gibt es Therapiemöglichkeiten? Diese Fragen beantworte ich in diesem Blog. Detaillierte und umfassende Informationen findest Du auch hier.

Die transiente globale Amnesie, auch amnestische Episode genannt, tritt ganz plötzlich auf und führt zu einer Störung des Gedächtnisses für einen Zeitraum von einer bis maximal 24 Stunden. Der Betroffene kann neue Informationen nur 30–180 Sekunden speichern (Fachbegriff: "anterograde Amnesie"), dabei erscheint er völlig wach und kontaktfähig. Gleichzeitig ist er ratlos, beunruhigt und stellt wiederholt Fragen nach der Zeit, nach situativen Umständen und Gegenständen, die sich in der eigenen Umgebung in der unmittelbaren Vergangenheit verändert haben. 

Parallel dazu ist auch der Zugriff auf alte Ereignisse aus der jüngeren Vergangenheit gestört (Fachbegriff: "retrograde Amnesie"). Das wirkt sich dann so aus, dass der Betroffene zwar weiss wo er normalerweise wohnt, was für ein Auto er fährt, aber nicht weiss was er in den letzten ein, zwei Tagen getan hat, wo er momentan ist und wie er dort hingekommen ist. 

Während der Betroffene nicht in der Lage ist, die Gedächtnisstörung wahrzunehmen, ist er sehr wohl fähig, auch komplexe, zuvor erlernte Tätigkeiten auszuführen. Er kann also ganz normal Auto fahren, in bekannter Umgebung spazieren gehen, kochen und sich ganz normal mit anderen Personen unterhalten.

Nach dem Abklingen der TGA bleibt dauerhaft eine Erinnerungslücke für den Zeitraum des akuten Geschehens zurück.

Die Häufigkeit einer TGA wird in der Literatur mit drei bis acht pro 100.000 Einwohner pro Jahr angegeben, wobei die überwiegende Mehrzahl der Betroffenen (ca. 75%) im Alter von 50-70 Jahren sind; Männer und Frauen sind gleich häufig betroffen. Diese relativ niedrige statistisch erfasste Häufigkeit könnte auch durch das zeitlich limitierte Geschehen bedingt sein, d.h. die tatsächliche Inzidenz könnte deutlich höher liegen.

Jeder fünfte Betroffene muss mit einem erneuten Auftreten der TGA rechnen!

Was löst nun eine TGA aus? Bei der überwiegenden Anzahl der Patienten (ca. 85%) gehen Ereignisse wie ausgeprägte körperliche Anstrengungen, emotional-psychische Belastungen, Geschlechtsverkehr oder ein Sprung ins kalte Wasser der TGA voraus. Die eigentlich zugrunde liegenden ursächlichen Zusammenhänge der TGA sind bisher ungeklärt. Es gibt zwar zahlreiche Hinweise aus kernspintomographischen Untersuchungen, dass eine vorübergehende Funktionsstörung bestimmter Gehirnbereiche ("mediobasale Temporallappenanteile unter Einschluss der beiden Hippocampi") involviert ist, was diese Störungen tatsächlich auslöst und warum die TGA nach spätestens 24 Stunden komplett wieder verschwindet bleibt aber rätselhaft.

Die Diagnose „transiente globale Amnesie“ wird durch eine Neurologin/ einen Neurologen basierend auf den Beobachtungen und Beschreibungen der Angehörigen gestellt, nachdem andere mögliche Ursachen (z.B. Temporallappen-Epilepsie) durch EEG- und MRT-Untersuchungen ausgeschlossen wurden.

Jetzt bleibt noch die Frage: Was kann man während des Anfalls und danach tun, bzw. was kann man nach einer TGA tun, um das erwähnte Rückfall-Risiko von etwa 20% zu reduzieren?

Die ehrliche Antwort: nichts! 

Aktuell existiert keine spezifische Therapie noch gibt es Empfehlungen hinsichtlich einer Prophylaxe (Vorbeugung für evtl. Rückfälle). Erfreulicherweise ist das aber aufgrund der Gutartigkeit der Störung unproblematisch:

  • Die Amnesie klingt vollständig ab, wenn auch die Erinnerungslücke für das Ereignis selber bestehen bleibt.
  • Und ganz wichtig: die TGA stellt kein Risiko für eine spätere neurovaskuläre oder neurokognitive Erkrankung dar. 
Fazit:
  • Die TGA ist eine selten auftretende, zeitlich begrenzte Gedächtnisstörung, die ganz plötzlich und unerwartet beginnt und genauso plötzlich nach spätestens 24 Stunden ohne irgendwelche Folgeschäden abklingt.
  • Trotz vielfältiger Hypothesen und wissenschaftlicher Untersuchungen zum Ursprung der TGA sind die zugrunde liegenden ursächlichen Zusammenhänge (Fachbegriff: Ätiologie) ungeklärt.
  • Es gibt keine Therapieoptionen, was allerdings wegen der Gutartigkeit der Störung unproblematisch ist.
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Verantwortlicher: Klaus Rudolf; Kommentare und Fragen bitte an: rudolfklausblog@gmail.com 

Disclaimer: Auf Klaus Rudolfs Blog gebe ich meine persönliche Meinungen und Erfahrungen weiter. Ich bin weder Arzt noch Finanzberater. Bitte informiere Dich breit und konsultiere bei Bedarf einen professionellen Experten in Gesundheitsfragen oder Finanzanlagen.

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