Affenpocken! Blog#22

Was sind Affenpocken, wie bedrohlich ist dieses Virus und gibt es wirksame Arzneimittel?

Entwicklungsstadien einer Affenpockenläsion. From UK government: https://www.gov.uk/government/news/monkeypox-cases-confirmed-in-england-latest-updates#seven-may.

Was sind Affenpocken?

Affenpocken werden vermutlich vor allem von Nagetieren auf den Menschen übertragen. Mensch-zu-Mensch Übertragungen sind selten aber bei engem Kontakt möglich. Der Affenpockenvirus (Orthopoxvirus simiae) ist mit dem klassischen humanen Pockenviren (Variola) und den Kuhpockenviren verwandt. Affen- und Kuhpockenviren können vom Tier auf den Menschen übertragen werden, während die klassischen (Menschen-)Pocken ausschließlich von Mensch-zu-Mensch übertragen werden.

Die Erreger der Windpocken (Varizellen) gehören zu den Herpesviren und sind nicht mit den echten Pocken, Affenpocken oder Kuhpocken verwandt!

Affenpocken-Viren sind doppelsträngige DNA-Viren, deren Erbgut deutlich stabiler ist als das von einzelsträngigen  RNA-Viren, wie zB Sars-CoV2. Mutationen kommen deshalb bei DNA-Viren deutlich seltener vor. Weiterhin sind Affenpocken eine sehr seltene Krankheit und das Affenpocken-Virus hat daher nur wenig Gelegenheit in Infizierten zu mutieren.

Wie bedrohlich sind Affenpocken?

Derzeit (Stand: 25.5.2022) sind in Deutschland 10 Affenpockenfälle aus fünf Bundesländern bekannt. Bei diesen, wie auch bei allen anderen in Europa festgestellten Infektionen wurde bislang die mildere westafrikanische Affenpocken-Variante nachgewiesen.

Im Vergleich zu den seit 1980 ausgerotteten Menschenpocken (Variola) verlaufen Affenpocken Erkrankungen deutlich milder und die Erkrankten erholen sich ohne Behandlung meistens innerhalb von zwei bis vier Wochen. Allerdings verliefen, nach Angaben der WHO, etwa 3-6% der in Zentral- und Westafrika gemeldeten Fälle, mit der aggressiven zentralafrikanischen Variante tödlich. Eine bis zu 11%-ige Fallsterblichkeit wurde in Kindern unter 16 Jahren nach Infektion mit der zentralafrikanischen Virusvariante beobachtet. 

Der Affenpockenvirus befindet sich vor allem im Sekret, in den Pusteln auf der Haut und in Körperflüssigkeiten wie zB Speichel. Affenpocken können daher nur durch engen körperlichen Kontakt (zB Haut an Haut, längerer Gesicht-zu-Gesicht Kontakt), einschließlich sexuellem Kontakt, von einer Person zur anderen übertragen werden. 

Anders als bei Sars-CoV2 sind nur symptomatisch Infizierte ansteckend. Eine Virusweitergabe geschieht bei Affenpocken also nicht, bevor der oder die Infizierte von der eigenen Ansteckung weiß - oder wissen sollte!

Daher sollte sich die Ausbreitung von Affenpocken durch konsequente Aufklärung der Bevölkerung, sowie Isolierung von Infizierten (für mindestens 21 Tage) und Quarantäne von engen Kontaktpersonen (für 21 Tage) zuverlässig verhindern lassen.

Weitere detaillierte Informationen gibt es auf der Internet-Seite des Robert Koch Instituts (hier) und des amerikanischen Centers for Disease Control and Prevention, CDC (hier).

Gibt es wirksame Arzneimittel gegen Affenpocken?

Impfstoffe gegen echte Pocken wurden im Rahmen einer Pflichtimpfung für Einjährige in der BRD bis 1975 und in der DDR bis 1982 routinemäßig verimpft. Nach derzeitigem Kenntnisstand schützen die gebildeten Gedächtnis-B- und T-Zellen auch heute noch vor schwerer Erkrankung mit Affenpocken.

Seit 2013 ist ein neuer Pocken-Impfstoff (Imvanex) für Personen ab 18 Jahren zugelassen, der modifiziertes Vacciniavirus Ankara (MVA) beinhaltet und besser verträglich ist als der ältere, klassische Pockenimpfstoff.

  • Imvanex ist in den USA und Kanada auch als Affenpocken-Impfstoff zugelassen. Frühere Daten aus Afrika zeigen ein Wirksamkeit von Imvanex von mindestens 85% gegen Affenpocken. Nach Angaben der US-Seuchenschutzbehörde CDC kann Imvanex den Ausbruch von Symptomen verhindern, sofern der Patient diesen innerhalb von vier Tagen nach Ansteckung erhält.
  • In Großbritannien rät die britische Gesundheitsbehörde inzwischen Kontaktpersonen mit einem hohen Risiko für eine Ansteckung zu einer Impfung mit diesem Pockenimpfstoff. Dazu zählen etwa Haushaltsangehörige oder Sexualpartner von Infizierten.

Tecovirimat (ST-246) ist ein weiteres zur Behandlung von Orthopockenvirus-Infektionen entwickeltes Arzneimittel. Es wurde vor kurzem in der EU in Form von Kapseln (TPOXX® von der US-Firma SIGA Technologies) zur Behandlung der Affenpocken zugelassen. 

  • Tecovirimat wurde im Hinblick auf die potenzielle bioterroristische oder kriegerische Bedrohung, mit Unterstützung der US-Regierung entwickelt.
  • Tecovirimat zeigt in Tierstudien gute Wirksamkeit bei der Behandlung von Orthopoxvirus-induzierten Erkrankungen. Die Effekte beruhen auf der Hemmung des viralen Hüllproteins VP37, das von allen Orthopoxviren in einem hoch konservierten Gen kodiert wird und an der Bildung der Virushülle und der Freisetzung der Viren aus den infizierten Zellen beteiligt ist. Die antivirale Aktivität ist spezifisch für Orthopoxviren, und der Wirkstoff hemmt weder die Replikation anderer RNA- und DNA-haltiger Viren noch hemmt er die Zellproliferation bei antiviral wirksamen Konzentrationen. 
  • Tecovirimat wurde an kranken Tieren und bislang "lediglich" an 359 gesunden Menschen getestet, nicht jedoch an erkrankten Menschen. Tecovirimat ist gut verträglich und sicher. Die am häufigsten beobachteten Nebenwirkungen waren Kopfschmerz (12,3%) und Übelkeit (4,5%).
  • Die empfohlene Dosis für Erwachsene beträgt zweimal täglich 600 mg über einen Zeitraum von zwei Wochen. Zwei Millionen Dosen von Tecovirimat sind in den nationalen strategischen Vorräten (US CDC Strategic National Stockpile) der USA vorhanden (ob Tecovirimat auch in Deutschland oder der EU bevorratet wurde/wird konnte ich via Internet-Recherche nicht herausfinden).

Die originelle chemische Struktur und der Syntheseweg zur Herstellung von Tecovirimat (ST-246) ist in der untenstehenden Abbildung 2 beschrieben. Die Synthese beginnt mit einer interessanten Diels-Alder-Reaktion von Cycloheptatrien mit Maleinsäureanhydrid zum verbrückten Bicyclus des ST-246 (Versuchsvorschrift hier). Dabei kommt es zunächst zu einer Elektrocyclisierung innerhalb des 1,3,5-Cycloheptatriens und anschließender [4+2]-Cycloaddition ("Diels-Alder-Reaktion") mit Maleinsäureanhydrid. Es bildet sich die endo-Form des Diels-Alder-Adduktes (siehe Abbildung 1).

Abb. 1: Reaktionsmechanismus der Diels-Alder-Reaktion von 1,3,5-Cycloheptatrien mit Maleinsäureanhydrid.

Anschließend wird das bicyclische Anhydrid mit Boc-geschütztem Hydrazin umgesetzt, das Produkt unter sauren Bedingungen entschützt und mit einem 4- Trifluormethylbenzolsäurehalogenid umgesetzt. Nach säulenchromatographischer Aufreinigung erhält man Tecovirimat in der Endo-Konfiguration als weißen kristallinen Feststoff.

Abb. 2: Synthese von Tecovirimat (ST-246); Details siehe WO 2014/028545.

Fazit

  • Affenpocken sind für die breite Bevölkerung weitaus weniger bedrohlich als zB Covid-19 oder HIV, da das Virus nur nach Auftreten von Symptomen durch engen Körperkontakt weitergegeben wird, die Prognose gut und die Mutationsrate gering ist. 
  • Konsequente Aufklärung der Bevölkerung, sowie Isolierung von Infizierten  und Quarantäne von engen Kontaktpersonen sollte die Ausbreitung der Krankheit zuverlässig verhindern.
  • Ältere Menschen (50+) sind durch die früher in der BRD und in der DDR durchgeführten Pocken-Impfungen (mit hoher Wahrscheinlichkeit) vor schwerer Erkrankung geschützt. Weiterhin sind neu entwickelte, wirksame Arzneimittel verfügbar, wie zB: Imvanex, ein verbesserter Impfstoff und Tecovirimat, ein oral verfügbares antivirales Medikament.

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Verantwortlicher: Klaus Rudolf; Kommentare und Fragen bitte an: rudolfklausblog@gmail.com 
Disclaimer: Auf Klaus Rudolfs Blog gebe ich meine persönliche Meinungen und Erfahrungen weiter. Ich bin weder Arzt noch Finanzberater. Bitte informiere Dich breit und konsultiere bei Bedarf einen professionellen Experten in Gesundheitsfragen oder Finanzanlagen.

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