Zecken! Blog#23

 

Welche Krankheiten übertragen Zecken auf Menschen und welche Möglichkeiten gibt es sich dagegen zu schützen?

Zecken leben im Wald, im hohen Gras und auch in Gärten und sind aktiv, sobald es wärmer (ab ca. 7°C) wird. Auf Grashalmen warten sie bis zu drei Jahre auf ihren nächsten Wirt. Entgegen einer verbreiteten Meinung können Zecken nicht springen, und sie lassen sich auch nicht von Bäumen auf Menschen herunterfallen. Sie sitzen auf der Spitze von Gräsern oder Büschen und warten darauf, von einem vorbeigehenden Tier oder Menschen abgestreift zu werden. Dann halten sie sich fest und krabbeln am Körper hoch, bis sie eine versteckte Stelle finden.

Zecken selbst sind nicht gefährlich, können aber eine Vielzahl von Infektionskrankheiten auf den Menschen übertragen. Zu den zwei bedeutendsten durch Zecken übertragenen Infektionskrankheiten in Deutschland gehören die

  • Borreliose, eine Bakterieninfektion, die Deutschlandweit auftritt und in erster Linie durch das Bakterium Borrelia burgdorferi verursacht wird. In Deutschland tragen zwischen 5 und 30 Prozent der Zecken Borrelien, stellenweise aber auch 50 Prozent. Aber weil nur ein kleiner Teil der Infizierten erkrankt, ist laut dem Robert-Koch-Institut nur bei 0,3 bis 1,4 Prozent der Zeckenstiche mit Krankheitssymptomen zu rechnen.
  • Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME), die durch FSME-Viren verursacht wird und hauptsächlich im süddeutschen Raum vorkommt (Endemiegebiete siehe zB www.rki.de/fsme-karte). In Risikogebieten tragen im Durchschnitt 0,1 bis 5 Prozent der Zecken FSME-Viren in sich. Es ist aber nicht möglich, daraus das Erkrankungsrisiko nach einem einzelnen Zeckenstich abzuleiten. Viele FSME-Infektionen verlaufen zudem ohne sichtbare oder nur mit milden Symptomen.
Weitere durch Zecken auf Menschen übertragene Erkrankungen wie die humane granulozytäre Anaplasmose, die Babesiose oder verschiedene Rickettsiosen wurden bislang in Deutschland nicht oder nur selten beobachtet. Dieser Blogbeitrag beschäftigt sich daher ausschließlich mit Borreliose und FSME.

Wie gelangen die Krankheitserreger von der Zecke in den Menschen?

Beim Zeckenstich wird die Haut des Menschen ("Wirt") durch die Kieferklauen angeritzt und anschließend der Stachel in die Wunde geschoben und dort verankert. Durch den Speichel der Zecke wird ein komplexer Chemikaliencocktail verabreicht: ein Gerinnungshemmer um den Blutfluss vom Wirt zur Zecke zu garantieren, ein molekularer Klebstoff um die Zecke fest mit ihrem Wirt zu verbinden, ein lokales Betäubungsmittel um eine frühzeitige Entdeckung der Zecke zu verhindern und einen entzündungshemmenden Wirkstoff, der die Aktivierung der körpereigenen Immunabwehr verzögert!

Anschließend saugt die Zecke durch ihren Stechrüssel das menschliche Blut ab. Dabei würgt bzw. spuckt die Zecke unverdauliche Nahrungsreste in ihren Wirt zurück. Bei diesem Vorgang werden Krankheitserreger, die von einem früheren Wirt aufgenommen wurden und sich im Zeckenkörper erhalten oder vermehrt haben, übertragen. 

Erreger, die sich im Darmtrakt der Zecke befinden, wie zB die Borrelien, werden erst nach einigen Stunden übertragen. Deshalb ist eine möglichst rasche und vorsichtige Entfernung einer Zecke so wichtig. Wird die Zecke acht bis 24 Stunden nach dem Stich entfernt, kann man davon ausgehen, dass noch keine Borrelien übertragen wurden. Da die Zecken bei Stich ein Betäubungsmittel in die Wunde spritzen, bleiben sie jedoch oft lange unbemerkt und fallen erst nach Tagen auf, nachdem Krankheitserreger übertragen wurden.

Frühsommer-Meningoenzephalitis - FSME

Die FSME wird nicht, wie der Namen vermuten lässt, nur im Frühsommer sondern auch im Spätsommer und Herbst übertragen. Eine Infektion mit FSME-Viren (behüllte Einzelstrang-RNA-Viren) verläuft meist unerkannt und beschwerdefrei. Kommt es zur Erkrankung, verläuft sie typischerweise in zwei Phasen: einer ersten mit grippeähnlichen Symptomen und einer zweiten mit neurologischen Beschwerden. Die neurologischen Beschwerden sind Ausdruck der namensgebenden Entzündung der Hirnhäute und des Gehirns (Meningitis und Enzephalitis – zusammen: Meningoenzephalitis). Typische Anzeichen sind: Kopfschmerzen, Lichtscheue, Schwindel, Konzentrations- und Gehstörungen. In den Jahren 2020 und 2021 wurden laut RKI 712 und 417 FSME Fälle in Deutschland gemeldet.

Die neurologischen Beschwerden können Wochen bis Monate andauern. Eine von 100 Personen mit neurologischen Beschwerden stirbt an der Krankheit. Bei anderen können dauerhafte Störungen zurückbleiben.

Eine ursächlich wirksame (also gegen das FSME-Virus gerichtete) Behandlung gibt es nicht. Die Therapie richtet sich nach den Beschwerden des Patienten.

Die FSME-Impfung ist der einzig sichere Schutz vor einer Frühsommer-Meningoenzephalitis und wird daher allen Menschen in FSME-Risikogebieten (siehe hier) empfohlen. Für Kinder und Erwachsene stehen in Deutschland zwei verschiedene FSME-Totimpfstoffe (inaktivierte FSME-Viren) zur Verfügung: FSME-IMMUN und ENCEPUR. Das Schema für die drei Impfungen umfassende Grundimmunisierung ist für beide Impfstoffe vergleichbar. 99 von 100 Personen die eine vollständige Grundimmunisierung erhalten haben, sind laut RKI erst einmal gegen die Krankheit geschützt. Um den Schutz aufrecht zu erhalten, ist eine erste Auffrischimpfung drei Jahre nach der dritten Impfung vorgesehen und weitere Auffrischungen im Abstand von 3-5 Jahren, insbesondere bei >60-Jährigen (weitere Details hier).

Diese FSME beugt natürlich nur einer Infektion mit FSME-Viren vor, bietet aber keinen Schutz vor anderen von Zecken übertragenen Krankheitserregern, wie zB Borreliose-Bakterien.

Borreliose 

Die Borreliose ist die häufigste von Zecken übertragene Erkrankung und wird durch das Bakterium Borrelia burgdorferi verursacht. In Süddeutschland lag die mittlere Durchseuchungsrate der Zecken mit Borrelien bei 30% und die Zahl der Neuinfektionen pro Jahr wird für Deutschland auf ca. 100.000 geschätzt. Gegen die Borreliose existiert keine derzeit zugelassene Impfmöglichkeit, sie kann aber bei frühzeitiger Erkennung gut mit Antibiotika behandelt werden. 

Die meisten Infektionen mit Borrelien verlaufen unbemerkt. Falls es jedoch zu Beschwerden kommt, sind diese sehr unterschiedlich und können zu verschiedenen Zeitpunkten einzeln oder in Kombination auftreten. Dadurch ist eine Borreliose nicht immer leicht zu erkennen.

  • Ein typisches Zeichen, das bei etwa 90% der Fälle auftritt, ist die sogenannte Wanderröte (Erythema migrans). Dabei handelt es sich um eine mindestens 5 cm große ringförmige Hautrötung, die üblicherweise in der Mitte blasser ist als am Rand und sich über Tage langsam nach außen verbreitet. Die Wanderröte entwickelt sich drei bis 30 Tage nach dem Zeckenstich im Bereich der Einstichstelle.
  • Wesentlich seltener und überwiegend bei Kindern kommt es zu knötchenartigen oder blauroten Schwellungen der Haut.
  • In Einzelfällen kann es zu einer chronischen Entzündung der Haut (Acrodermatitis chronica atrophicans) kommen.
  • Wenn die Borrelien das Nervensystem befallen, spricht man von einer Neuroborreliose. Diese tritt etwa bei drei von 100 Erkrankten auf. Beschwerden einer Neuroborreliose beginnen meist wenige Wochen bis Monate nach dem Zeckenstich. Typisch sind brennende Nervenschmerzen, die sich vor allem nachts verschlimmern.
  • Sehr selten kann sich auch über Monate bis Jahre eine späte Neuroborreliose entwickeln.
  • Bei etwa fünf von 100 Erkrankten treten Gelenkentzündungen (Lyme-Arthritis) auf. Sie betreffen am häufigsten die Kniegelenke, seltener Sprung- oder Ellenbogengelenke und verlaufen in der Regel schubweise und wiederkehrend.

Die Therapie einer Borreliose besteht immer aus einer Antibiotika-Gabe, meist für zwei, maximal für vier Wochen. Im Frühstadium einer Infektion sind Tetracycline wie Doxycyclin wegen der Zellgängigkeit und ihrer Wirksamkeit gegen viele, durch Zeckenstiche übertragene Erreger wie Borrelien, Rickettsien, etc. das Mittel der Wahl.

Derzeit entwickeln die US-Pharmafirmen Valneva und Pfizer einem Impfstoff gegen die Borreliose!

  • Dieser multivalente Proteinimpfstoff,VLA15, ist gegen das Oberflächenprotein A (Outer Surface Proteine A, OspA) des Borrelioseerregers Borrelia burgdorferi gerichtet. Der Impfstoff deckt die sechs häufigsten OspA-Serotypen von Borrelia burgdorferi und einer Reihe nah verwandter Borrelien-Arten, die in Nordamerika und Europa vorkommen, ab.
  • Die Blockade des Proteins durch Antikörper verhindert den Übergang des Erregers von der Zecke auf den Menschen.
  • Klinische Phase II Studien mit VLA15 wurden erfolgreich abgeschlossen. Für 2022 sind weitergehende klinische Phase III Studien geplant.

Für an Borreliose und FSME Erkrankte wichtig zu wissen!

  • Weder die Borreliose noch die Frühsommer Menigoenzephalitis wird von Mensch zu Mensch übertragen. Die Erkrankten sind nicht ansteckend!
  • Eine überstandene Borreliose schützt nicht vor einer erneuten Infektion. Im Gegensatz dazu sind Menschen nach überstandener FSME-Infektion in der Regel geschützt. Da nicht klar ist wie lange dieser Schutz anhält, sollte nach drei bis fünf Jahren eine Auffrischimpfung erfolgen.

Wie kann man sich schützen und was sollte man sonst noch beachten?

  • Durch Kleidung kann man sich vor Zeckenstichen schützen. Festes Schuhwerk, lange Hosen, deren Beine in die Socken gesteckt werden, verhindern dass Zecken auf die Haut gelangen.
  • Der gesamte Körper sollte nach dem Aufenthalt im Freien nach Zecken abgesucht werden. Zecken stechen überall am Körper, sie bevorzugen aber versteckte Stellen. Besonders häufig findet man sie deshalb in den Kniekehlen, den Armbeugen oder den Achseln, dem Genitalbereich, aber auch im Hüftbereich, wo die Hose eng anliegt und der Zecke damit ein gutes Versteck suggeriert. Bei Kindern sitzen Zecken häufig auch am Haaransatz oder hinter den Ohren.
  • Wichtig! Das Infektionsrisiko steigt nach einer Saugzeit von mehr als 12 Stunden. Die schnellstmögliche und korrekte Entfernung der Zecke ist daher wesentlich. Die Zecke sollte insbesondere nicht gequetscht werden, weil dies das Risiko einer Infektion erhöht.
  • Bestimmte Duftstoffe („Repellentien“) die auf die Haut oder Kleider aufgetragen werden, bieten einige Stunden Schutz vor Zecken und anderen Schädlingen. Repellentien enthalten hierfür Wirkstoffkombinationen von zB Icaridin und Eukalyptus Citriodora Öl („Anti Brumm® Zecken Stopp“). 
    • Icaridin ist chiral, enthält zwei Stereozentren und wird als Gemisch der vier Stereoisomere eingesetzt (siehe Abb. 1).
    • Der genaue Wirkmechanismus ist noch nicht vollständig geklärt. Die eingesetzten Substanzen weisen jedoch einen niedrigen Dampfdruck auf und können so einen dünnen, schützenden Duftmantel über die Haut legen. Dieser stößt entweder durch seinen Geruch die Schädlinge direkt ab oder blockiert deren Duftrezeptor. Dadurch können die Schädlinge körpereigene Düfte wie den der Milchsäure im Schweiß schlechter wahrnehmen und werden deshalb von der Haut des Menschen ferngehalten.

Abb. 1: Chemische Struktur der vier Stereoisomere des Icaridin.

  • Zecken schmuggeln sich auch über Haustiere oder auf der Kleidung in die Wohnung. Auf der Kleidung überstehen Zecken sogar einen Waschgang bei 40 Grad Celsius mit anschließendem Schleudern! 

Fazit

  • Die zwei bedeutendsten durch Zecken übertragenen Infektionskrankheiten in Deutschland sind die Borreliose (etwa 100.000 Fälle pro Jahr) und Frühsommer-Meningoenzephalitis (etwa 200-750 Fälle pro Jahr).
  • Die Borreliose kann auch noch mehrere Monate nach einem Zeckenstich auftreten, ist aber bei frühzeitiger Erkennung gut mit Antibiotika behandelbar. Ein Impfstoff gegen Borrelien ist nicht verfügbar, ein aussichtsreicher Kandidat befindet sich in fortgeschrittener klinischer Entwicklung.
  • Zwei Impfstoffe für FSME stehen zur Verfügung. Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt eine Impfung für Kinder und Erwachsene in FSME-Risikogebieten.
  • Schnellstmögliche und korrekte Entfernung der Zecken ist wichtig um die Übertragung der Krankheitserreger zu vermeiden.

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Verantwortlicher: Klaus Rudolf; Kommentare und Fragen bitte an: rudolfklausblog@gmail.com 
Disclaimer: Auf Klaus Rudolfs Blog gebe ich meine persönliche Meinungen und Erfahrungen weiter. Ich bin weder Arzt noch Finanzberater. Bitte informiere Dich breit und konsultiere bei Bedarf einen professionellen Experten in Gesundheitsfragen oder Finanzanlagen.

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