Darmkrebs Therapie: spektakuläre Ergebnisse mit dem Medikament Dostarlimab! Blog#25

Am 5. Juni 2022 stellte ein Team von Ärzten und Wissenschaftlern des renommierten Memorial Sloan Kettering Cancer Centers in New York vorläufige Ergebnisse einer klinischen Studie zur Behandlung bestimmter Formen von Enddarmkrebs mit dem Medikament Dostarlimab vor (siehe hier und hier). Die Ergebnisse dieser kleinen, vorläufigen klinischen Studie sind spektakulär: 

Dostarlimab lässt Darmkrebs bei allen behandelten Patienten komplett verschwinden!

Was ist Dostarlimab und warum eignet sich dieses Medikament für die Krebstherapie? Wie wurde die klinische Studie zur Behandlung bestimmter Formen des Enddarmkrebs konzipiert und was sind die vorläufigen Ergebnisse? Welche Fragen sind noch offen?



Darmkrebs zählt zu den häufigsten Krebsarten. Allein in Deutschland kämpfen nach Zahlen des Robert Koch-Instituts rund 230.000 Frauen und 253.000 Männer gegen Darmkrebs. Jährlich treten 58.900 Neuerkrankungen auf.

Bei etwa 5-10% der Darmkrebs-Patienten zeigen die Tumore genetische Mutationen, die als Mismatch-Reparatur Defizienz (dMMR) bezeichnet werden. Bei einer dMMR werden Fehler bei der DNA-Replikation nicht korrigiert, es kommt es zu einer Anhäufung von Mutationen, die die Bildung von veränderten Proteinen zur Folge hat. Auf der Zelloberfläche werden diese veränderten Proteine vom Immunsystem als Neoantigene und fremd eingestuft. Normalerweise würde dies zur raschen Vernichtung der Krebszellen durch aktivierte T-Zellen führen. Einige Malignome schützen sich jedoch durch die Bildung von PD L1/L2 (Programmed cell death ligand 1/2) auf ihrer Oberfläche. Solche Zellen werden trotz Neoantigenen von den T-Zellen verschont.

PD1-Inhibitioren wie Dostarlimab heben den Selbstschutz der Krebszellen auf. T-Zellen können die Krebszellen wieder attackieren. Der Angriff fällt bei einer Mismatch-Reparatur Defizienz (dMMR) aufgrund der zahlreichen Neoantigene besonders heftig aus.

Wichtig zu wissen: alle Studienteilnehmer hatten Mastdarmtumore mit dieser sogenannten dMMR (Mismatch-Reparatur-Defizienz)! Ob das Medikament auch bei anderen Darmkrebsarten wirkt, ist in der Studie nicht erforscht worden.

Was ist Dostarlimab und warum eignet sich dieses Medikament für die Behandlung bestimmter Krebsarten?

Dostarlimab ist ein humanisierter monoklonaler Antikörper des Isotyps IgG4 mit einer molekularen Masse von ca.144 kDa. Der Wirkstoff wird in gentechnisch veränderten Ovarialzellen des Chinesischen Zwerghamsters (CHO-Zellen) produziert.

Die antineoplastische Wirkung (d.h. Wirksamkeit gegen bösartige Tumore) von Dostarlimab basiert auf der Bindung an den PD1 Rezeptor. Dadurch wird die Interaktion des PD1 Rezeptors mit den Liganden PD L1 und PD L2 blockiert und eine Hemmung der T-Zell-Funktion auf dem PD1 Signalweg verhindert. Dostarlimab verstärkt so typische T-Zell-Aufgaben wie die Produktion von Zytokinen und die zytotoxische Aktivität. Durch die gesteigerte Immunantwort des Körpers auf das Tumorgewebe kommt es im Effekt zu einem verminderten Tumorwachstum (weitere Details hier; englischsprachiges YouTube Video).

Das von der britischen Pharmafirma GlaxoSmithKline (GSK) entwickelte Dostarlimab wurde in der EU bereits 2021 für die Behandlung des Endometriumkarzinom (Gebärmutterkarzinom) mit dMMR zugelassen. Der Antikörper kommt dort nur bei fortgeschrittenen Erkrankungen zum Einsatz, bei denen andere Therapien erfolglos waren.
Wie wurde die klinische Studie zur Behandlung bestimmter Formen des Enddarmkrebs konzipiert und was sind die vorläufigen Ergebnisse?

Bei der vorliegenden Studie handelte es sich um eine Phase 2-Studie, deren Zweck es war, erste Daten zur Wirksamkeit von Dostarlimab bei der Behandlung von Mastdarmtumoren mit dMMR zu sammeln: 
  • es gab keine Kontrollgruppe, der zum Vergleich die Standardtherapie verabreicht wurde, wie das bei einer großen Zulassungsstudie der Fall wäre. 
  • Studienteilnehmer waren erwachsene Patienten, die an lokal fortgeschrittenem Enddarmkrebs litten (Stadium 2 oder 3), also Tumoren, die bereits damit begonnen haben, sich im Bereich des Enddarms auszubreiten, durch die Wandschichten zu wachsen und in die umliegenden Lymphknoten zu wandern. Allerdings durften bei den Patienten keine Krebsabsiedlungen in entfernten Organen, sogenannte Metastasen, vorliegen,
  • und die Tumore mussten Mutationen in den MMR-Genen vorweisen, die durch eine Genanalyse nachgewiesen wurden. 
Außerdem mussten die Patienten in gutem körperlichem Zustand sein.

Nach ausführlicher Diagnostik wurde den Patienten über sechs Monate alle drei Wochen 500 mg Dostarlimab intravenös verabreicht. Die Nebenwirkungen dieser Therapie waren milde. Die häufigsten unerwünschten Ereignisse waren Hautausschlag oder Dermatitis (31%), Juckreiz (25%), Müdigkeit (25%) oder Übelkeit (19%).

Das Therapieansprechen wurde mit radiologischen Untersuchungen, Darmspiegelungen, manuellen Tastuntersuchungen und durch die mikroskopische Analyse von Proben aus der Darmschleimhaut untersucht. Die Ergebnisse können zweifelsfrei als spektakulär bezeichnet werden:

Alle zwölf Patienten, die die gesamte Therapiedauer durchlaufen hatten, waren bei den folgenden Untersuchungen krebsfrei!
Bereits drei Monate nach dem Start der Behandlung mit Dostarlimab waren bei 81% aller Patienten, die tumorbedingten Symptome, wie Verstopfung und Bauchschmerzen, verschwunden!
Während der bisherigen Beobachtungsphase, die im Mittel ein Jahr betrug, benötigte kein einziger Patient eine nachfolgende Bestrahlung, Chemotherapie oder gar Operation.

In der "New England Journal of Medicine" Publikation sind Original-Bilder der Darmspiegelungen vor und nach der Therapie enthalten (siehe Figure 1 in NEJM Publikation). Interessierten kann ich wärmstens empfehlen diese Bilder genau anzusehen: ein Bild sagt mehr als 1000 Worte (relevante Abbildung: hier!)! 

Was sind die Limitationen dieser Studie, welche Fragen sind noch offen?

Limitationen und offene Fragen:
  • nur 5–10% aller Fälle von Enddarmkrebs zeigen Mutationen in den MMR-Genen, und nur auf diese sind die Ergebnisse der vorliegenden Veröffentlichung übertragbar.
  • der Beobachtungszeitraum der Studie ist aktuell noch vergleichsweise kurz.
  • es handelt sich hier um eine kleine Phase 2-Studie, es gibt also keine Kontrollgruppe, mit der man das Therapieansprechen vergleichen könnte. 
  • die Studie ist zu klein, um seltene schwere Nebenwirkungen auszuschließen.

Fazit

  • Zwölf behandelte Krebskranke, zwölfmal eine vollständige Remission des Karzinoms, ohne Bestrahlung, Chemotherapie oder OP!
  • Gerade jüngere Erwachsene sind häufiger von der speziellen Form des dMMR-mutierten Enddarmkrebses betroffen. Die derzeitige Standardtherapie (Bestrahlung, Chemotherapie und gegebenenfalls Operation) ist bei dMMR-Patienten häufig wenig erfolgreich und stellt einen massiven Eingriff in die Lebensqualität dieser Menschen dar. Die Gabe eines einzigen, gut wirksamen und verträglichen Medikamentes wäre ein Segen für die Betroffenen.
  • Vor einer Zulassung von Dostarlimab für die Behandlung von dMMR assozierten Mastdarmkrebs, muss eine größere, sogenannte Phase III Studie, vorliegen, in der das Mittel seine Wirkung unter Beweis stellt.
  • Ob Dostarlimab und andere PD-1 Inhibitoren bei weiteren Krebsarten (zB Prostata-, Magen-, Pankreaskarzinom) mit Mismatch-Repair-Defizienz wirksam ist, muss in klinischen Studien geklärt werden.
  • Last not least: ganz wichtig und sinnvoll sind, spätestens ab einem Alter von 50 Jahren, regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen zur Darmkrebs Früherkennung!

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Verantwortlicher: Klaus Rudolf; Kommentare und Fragen bitte an: rudolfklausblog@gmail.com 
Disclaimer: Auf Klaus Rudolfs Blog gebe ich meine persönliche Meinungen und Erfahrungen weiter. Ich bin weder Arzt noch Finanzberater. Bitte informiere Dich breit und konsultiere bei Bedarf einen professionellen Experten in Gesundheitsfragen oder Finanzanlagen.

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