Testament und Vererben! Blog#24

In Deutschland werden enorme Summen vererbt. Das Deutsche Institut für Altersvorsorge geht für den Zeitraum bis 2027 von 3,1 Billionen Euro aus. Lediglich jeder vierte Deutsche hat ein Testament gemacht. 

Wozu braucht man ein Testament? Welche Arten von Testamenten gibt es und was genau ist ein "Berliner Testament"? Was sollte man über die Erbschaftssteuer wissen? Wie sollte man selbst erstellte Testamente aufbewahren und was gilt es beim digitalen Nachlass zu beachten?

Wozu braucht man ein Testament?

Jeder kann durch ein Testament selbst bestimmen, wer erben soll und wer nicht. Ist kein Testament vorhanden greift die gesetzliche Erbfolge. Daher sollte man zunächst sorgfältig prüfen, wer nach der gesetzlichen Erbfolge erben würde (siehe hier und hier). Ist man nicht in allen Punkten mit der gesetzlichen Erbfolge einverstanden, muss ein Testament verfasst werden. Allerdings ist dabei zu beachten, dass die engsten Familienangehörigen, wie beispielsweise leibliche Kinder Anspruch auf einen Pflichtteil haben. Der Pflichtteil entspricht der Hälfte des gesetzlichen Erbteils. 

Hier ein praktisches Beispiel: stirbt ein Ehepartner eines Ehepaars mit einem gemeinsamen Kind und existiert kein Testament, wird gemäß der gesetzlichen Erbfolge, der andere Elternteil und das Kind jeweils die Hälfte erben - es entsteht eine Erbengemeinschaft (Annahme: Ehegatten leben in einer Zugewinngemeinschaft). 

Ein Testament ist also notwendig,

  • falls man anderen Verwandten oder Freunden etwas vererben möchte, oder 
  • falls man den Ehepartner finanziell absichern möchte und dem gemeinsamen Kind bzw. den gemeinsamen Kindern das Familienvermögen erst dann vererben möchte, wenn beide Ehepartner verstorben sind. Existiert kein Testament und ist das Ehepaar gemeinsam im Grundbuch als Eigentümer des Familienwohnhauses eingetragen, fällt der Eigentumsanteil des Verstorbenen in den Nachlass. Das Kind bestimmt daher mit, was mit dem Haus geschieht. 

Noch komplizierter ist die Situation, falls das Kind minderjährig ist und die Eltern eine Immobilie besitzen. In diesem Fall wird das Familiengericht, bei Fehlen eines Testaments, bis zur Volljährigkeit mitregieren! 

  • Der überlebende Ehepartner und das minderjährige Kind bilden eine Erbengemeinschaft. Der überlebende Elternteil vertritt die Kinder zwar gesetzlich, aber bei zahlreichen Entscheidungen über die Familienimmobilie muss das Familiengericht beteiligt werden. Das Familiengericht muss, zB bei einem geplanten Verkauf der Immobilie oder bei der Aufnahme von Darlehen für Sanierungsarbeiten zustimmen!

Welche Arten von Testamenten gibt es und was genau ist ein "Berliner Testament"?

Es gibt verschiedene Arten von Testamenten, die im Gesetz geregelt sind. Hier ein Überblick zu den häufigsten Testamentsarten:

  • Eigenhändiges / privatschriftliches Testament: dieses Testament muss komplett handschriftlich geschrieben sein und aus Beweisgründen auf jeden Fall den Ort und das Datum der "Errichtung" enthalten. Die Unterschrift sollte aus dem Vor- und dem Nachnamen bestehen und am Ende des Textes stehen. 
  • Berliner Testament: hier setzen sich die Eheleute gegenseitig zu Alleinerben ein, dh, wenn der erste Ehepartner stirbt, wird der überlebende Ehepartner Alleinerbe und erhält dessen Nachlass zu seinem Eigentum und zu seinem Vermögen hinzu. Stirbt dann der zweite Ehepartner, so werden meist die gemeinsamen Kinder Schlusserben.
    • Zu beachten ist, dass das Berliner Testament ohne einen sogenannten Änderungsvorbehalt nach dem Tod des ersten Erblassers nicht mehr geändert werden kann und dass die Kinder bezüglich des ersten Erbes enterbt sind und nur ihren Pflichtteil verlangen können. 
    • Bei vermögenden Familien erweist sich das Berliner Testament oft als Steuerfalle, weil das gesamte Vermögen allein dem überlebenden Partner zufließt. Der Wert seines Erbteils kann dadurch den Freibetrag für Ehegatten übersteigen. Der liegt bei 500.000€. Die Freibeträge von je 400.000€ pro Kind verfallen dagegen ungenutzt. Man sollte sich daher detailliert über die Erbschaftssteuer informieren, um entscheiden zu können ob ein Berliner Testament Sinn macht, oder ob es nicht klüger ist, einen Teil doch an die Kinder zu vererben oder vorzeitig zu verschenken.

    Diese zwei Arten von Testamenten müssen nicht vom Notar beurkundet werden, allerdings komplett handschriftlich angefertigt sein! Die Aufbewahrung erfolgt entweder beim Testierenden selbst, einem Vertrauten oder beim Amtsgericht.

    • Notarielles / öffentliches Testament: bei einem sogenannten notariellen bzw. öffentlichen Testament erfolgt die Beurkundung vor einem Notar. Nach der Beurkundung wird das öffentliche Testament beim Amtsgericht hinterlegt und im Zentralen Testamentsregister erfasst. Das notarielle Testament kann, insbesondere in komplexeren Situationen, vorteilhaft sein. Der Notar kann umfassend beraten, das notarielle Testament ist immer rechtskräftig und verhindert Streitigkeiten zwischen erbberechtigen Personen, da bei der Testamentserstellung festgestellt wird, dass der Erblasser zu diesem Zeitpunkt testierfähig ist.  

    Was man über die Erbschaftssteuer wissen sollte!

    Ob und in welcher Höhe Erbschaftsteuer zu entrichten ist, richtet sich nach dem Wert des Erbes und dem Verwandtschaftsverhältnis des Erben zum Verstorbenen. Die Bewertung des vererbten Vermögens orientiert sich in allen Fällen am Verkehrswert.

    Die Erbschaftsteuer wird nach drei Steuerklassen erhoben: 

    • Steuerklasse I: gilt für den Ehegatten und eingetragenen Lebenspartner, die Kinder (eheliche und nichteheliche Kinder, Adoptivkinder, Stiefinder), Enkelkinder.
    • Steuerklasse II: gilt zB für Eltern, Geschwister, Geschwisterkinder, Stiefeltern, Schwiegereltern, Schwiegerkinder und den geschiedenen Ehepartner.
    • Steuerklasse III: gilt für alle übrigen Erwerber (zB auch den/die Partner/-in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft).

    Tabelle 1: Steuersätze für Erbschaftssteuer (siehe Broschüre "Erben und Vererben" des Bundesministerium der Justiz, S. 44). Die ganz rechte Spalte sollte korrekterweise mit Steuerklasse III überschrieben sein!

    Jedem Erben steht jedoch ein persönlicher Freibetrag zu. Er beträgt 
    • 500.000€ für den Ehegatten und eingetragenen Lebenspartner,
    • 400.000€ für ein Kind sowie ein Enkelkind, das anstelle eines verstorbenen Kindes erbt, 
    • 200.000€ für Enkelkinder,
    • ... (weitere Details siehe hier, S. 43)

    Dem überlebenden Ehegatten sowie Kindern unter 27 Jahren wird zusätzlich ein besonderer Versorgungsfreibetrag gewährt. Dieser beträgt für den überlebenden Ehegatten 256.000€ und für die Kinder je nach ihrem Alter zwischen 10.300€ und 52.000€.

    Zwischen Ehegatten bleibt außerdem das vererbte Haus oder die vererbte Eigentumswohnung steuerfrei, wenn sie zu eigenen Wohnzwecken genutzt wird. Auch Kinder erben ein Familienheim bis zu einer Wohnfläche von 200 Quadratmetern steuerfrei. Voraussetzung ist in allen Fällen, dass der Erbe das Familienheim zehn Jahre lang nach dem Erhalt selbst zu Wohnzwecken nutzt. Wird das Familienheim innerhalb dieser Frist verkauft oder vermietet, entfällt die Steuerbefreiung rückwirkend. Ausnahmen von der Nachversteuerung gibt es dann, wenn die Selbstnutzung aus zwingenden objektiven Gründen aufgegeben werden musste, zB im Todesfall oder bei erheblicher Pflegebedürftigkeit.

    Mit Hilfe der Steuerklasse und den Freibeträgen kann jeder die anfallende Erbschaftssteuer selber leicht berechnen: 

    • Keine Steuern fallen zB an falls der Ehegatte bis zu 756.000€ und die selbst genutzte Wohnung bzw. das selbst genutzte Haus erbt.
      • Freibetrag für Ehegattten plus Versorgungsfreitbetrag = 756.000€, selbst genutztes Wohneigentum ist steuerfrei; daher ist keine Erbschaftssteuer fällig.
    • Bei einem Erbe von zB 1.000.000€ und der selbst genutzten Immobile beträgt die Erbschaftssteuer 26.840€ für den Ehegatten.
      • Freibetrag für Ehegattten plus Versorgungsfreitbetrag = 756.000€, selbst genutztes Wohneigentum ist steuerfrei; zu versteuern sind 1.000.000€ - 756.000€ = 244.000€ mit einem Steuersatz von 11% (siehe Tabelle 1); die Erbschaftssteuer beträgt 26.840€.

    Wie sollte man selbst erstellte Testamente aufbewahren und was gilt es beim digitalen Nachlass zu beachten?

    Selbst erstellte Testamente können privat verwahrt werden. Eine Hinterlegung beim örtlichen Nachlassgericht wird allerdings sehr empfohlen. Dabei fällt eine Gebühr von pauschal 75€ an. Das Nachlassgericht wird das Testament darüber hinaus beim Zentralen Testamentsregister bei der Bundesnotarkammer in Berlin registrieren lassen. Im Todesfall informiert das Standesamt das Testamentsregister, das wiederum das Nachlassgericht informiert, so dass das Testament zuverlässig eröffnet werden kann.

    Wer für größtmögliche Klarheit sorgen will, sollte auch seinen digitalen Nachlass per Testament regeln.  Auch für den digitalen Nachlass gilt: nur ein handschriftliches und unterschriebenes Testament ist rechtswirksam. Weiterhin sollte der Erblasser

    • eine Accountliste mit Passwörtern erstellen und/oder das Masterpasswort für einen Passwortmanager hinterlegen. 
    • zB bei Apple einen Nachlasskontakt zur jeweiligen Apple-ID benennen. Der Nachlasskontakt hat nach Vorlage der Sterbeurkunde Zugriff auf alle im Apple-Account gespeicherten Daten.
    • dafür sorgen, dass die Erben unkompliziert und schnell an alle relevanten Informationen über die vorhandenen Vermögenswerte kommen, zB Bargeld oder Wertgegenstände in Schließfächern oder auf ausländischen Konten, Depots oder Bitcoin-Wallets. Eine regelmäßig zu aktualisierende Zusammenstellung dieser Informationen sollte an einem, der Vertrauensperson bekannten, sicheren Ort, aufbewahrt werden.

    Fazit:

    • Jeder sollte prüfen ob die gesetzliche Erbfolge voll und ganz seinen Wünschen entspricht und andernfalls ein Testament verfassen, um Streitigkeiten zwischen den Erben auszuschließen. Das ist man seiner Familie bzw. seinen Erben schuldig!
    • Für Immobilienbesitzer mit minderjährigen Kindern ist ein Testament essenziell um unabhängig von der Zustimmung des Familiengerichts entscheiden zu können.
    • Hinterlässt der Erblasser ohne Testament einen Ehegatten und Kinder, bilden diese eine Erbengemeinschaft. Durch ein Berliner Testament kann diese Situation verhindert werden.
    • Insbesondere beim Vererben selbst genutzter und vermieteter Immobilien sind Erbengemeinschaften in der Regel der “Vorhof zur Hölle”. Die beste Möglichkeit um Streit zu vermeiden, ist eine klare Regelung durch den Erblasser, wer welche Rechte und Vermögenspositionen übernehmen soll. 
    • Bei größerem Vermögen kann eine vorzeitige Schenkung aus steuerlichen Gründen sinnvoll sein.
    • Last not least sollte man ein selbst erstelltes Testament beim Nachlassgericht hinterlegen und auch den digitalen Nachlass regeln.

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    Verantwortlicher: Klaus Rudolf; Kommentare und Fragen bitte an: rudolfklausblog@gmail.com 
    Disclaimer: Auf Klaus Rudolfs Blog gebe ich meine persönliche Meinungen und Erfahrungen weiter. Ich bin weder Arzt noch Finanzberater. Bitte informiere Dich breit und konsultiere bei Bedarf einen professionellen Experten in Gesundheitsfragen oder Finanzanlagen.

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