Vitamin D - Photosynthese in der menschlichen Haut! Blog#28

Im letzten Blog habe ich über die schädlichen Auswirkungen von zu viel UV-B Strahlung - Sonnenbrand und erhöhte Gefahr von Hautkrebs - berichtet (siehe hier). Der UV-B Anteil der Sonnenstrahlung ist aber auch, richtig dosiert, extrem wichtig für die Bildung von Vitamin D im menschlichen Körper und damit für ein gesundes Leben! 

"Alle Dinge sind Gift, und nichts ist ohne Gift. 
Allein die Dosis macht, dass ein Ding kein Gift ist." 
(Paracelsus, 1493-1541).

Wie wird Vitamin D im menschlichen Körper gebildet und welche physiologischen Wirkungen hat Vitamin D? Was passiert bei zu niedrigen oder zu hohen Konzentrationen von Vitamin D?

Wie wird Vitamin D im menschlichen Körper gebildet und welche physiologischen Wirkungen hat Vitamin D?

Der Schlüsselschritt der Vitamin D Synthese findet in der oberen dünnen Hautschicht (Epidermis) statt, wobei 7-Dehydrocholesterol durch die UV-B Strahlung des Sonnenlichts und die Sonnenwärme in Cholecalciferol, auch als Vitamin D3 bekannt, umgewandelt wird.

Abb.1: Umwandlung von 7-Dehydrocholesterol in Vitamin D3 (Cholecalciferol) durch Sonnenlicht und Sonnenwärme.

Startmaterial für diese hochinteressante chemische Transformation ist das komplexe organische Molekül 7-Dehydrocholesterol, das im menschlichen Körper aus Dimethlallylpyrophosphat über 17 Zwischenstufen hergestellt wird und in die Epidermis eingelagert wird. 

7-Dehydrocholesterol enthält im gelb-markierten Ringsystem ("B-Ring", siehe Abb. 1) zwei konjugierte Doppelbindungen und ist deshalb in der Lage den UV-B Anteil (280-315 nm) des Sonnenlichts zu absorbieren. Dabei findet zunächst eine photochemisch erlaubte 6-Elektronen-konrotatorische-electrocyclische Ringöffnung und danach noch ein sigmatroper Shift eines Protons von C-19 nach C-9 statt. Das Licht und die Wärme der Sonne lösen zwei aufeinanderfolgende chemische Reaktionen in der Haut aus, die zu Vitamin D3 (Cholecalciferol) führen! Wirklich faszinierend!

Vitamin D3 ist allerdings biologisch inaktiv und muss, katalysiert durch Enzyme in der Leber und Niere, in seine aktive Form, Calcitriol, umgewandelt werden.

Wichtig zu wissen: der größte Anteil - etwa 80-90% - des Vitamins D3 im menschlichen Körper wird durch Sonnenbestrahlung gebildet. Lediglich 10-20% durch Ernährung aufgenommen - da nur wenige in Deutschland gängige Lebensmittel nennenswerte Mengen an Vitamin D enthalten. Und deshalb kann es mit der ganzjährigen ausreichenden Eigensynthese von Vitamin D3 in Deutschland problematisch werden!

Ausreichend UV-B Strahlung der Sonne ist nämlich ganzjährig nur in Regionen unterhalb des 35. Breitengrads ausreichend vorhanden. In Deutschland, das zwischen dem 47. und 55. Breitengrad liegt, ist die körpereigene Vitamin D Synthese daher nur von März bis Oktober bei einem Aufenthalt im Freien möglich. 

Der menschliche Körper versucht dieses Problem dadurch zu lösen, dass er während der Sommermonate, neben der akuten Bedarfsdeckung auch Vitamin-D-Reserven im Fett- und Muskelgewebe anlegt, auf die er im Winterhalbjahr zugreifen kann. 

Das im ersten Schritt gebildete Vitamin D3 (Cholecalciferol) Molekül eignet sich allerdings nicht wirklich gut für eine längere Speicherung und daher wird das im nächsten Schritt der Biosynthese gebildete Derivat, Calcidiol, als Speicherform von Vitamin D genutzt.

Abb. 2: Biosynthese der aktiven Form von Vitamin D (Calcitriol) aus 7-Dehydrocholesterol.

Hierzu wird das im ersten Schritt durch Sonneneinwirkung in der Haut gebildete Vitamin D3 an spezielle Transportmoleküle ("Vitamin-D-bindende Proteine") gebunden. Dann über den Blutkreislauf in die Leber transportiert und dort von einem Enzym ("25-Hydroxylase") an Position 25 mit einer Hydroxl-Gruppe (chemische Abkürzung: OH) versehen. Dieses neu gebildete Molekül ist Calcidiol oder 25-Hydroxyvitamin-D und enthält zwei OH-Gruppen (Calcidiol: diol bedeutet zwei Alkoholgruppen). 

Calcidiol ist immer noch nicht biologisch aktiv, aber als Speicherform von großer Bedeutung! Es wird zum größten Teil im Fett- und Muskelgewebe des Körper eingelagert, was wegen der hohen Fettlöslichkeit (Lipophilie) von Calcidiol gut möglich ist, und bei Bedarf wieder reaktiviert. Dieser Prozess ist sehr wichtig, um die großen Spitzen und Pausen der Vitamin-D-Versorgung durch das Sonnenlicht abfangen zu können. Diese (inaktive) Form des Vitamin D wird auch verwendet, um den allgemeinen Vitamin D-Status zu bestimmen.

Sobald nun im Körper ein akuter Bedarf an der aktiven Form des Vitamin D (Calcitriol) besteht, braucht nur noch das gespeicherte Calcidiol an ein Transportmolekül gebunden, in die Niere transportiert, und in einem hormonell geregelten Mechanismus, mittels des Enzyms 1-alpha-Hydroxylase, in das biologisch aktive Vitamin-D-Hormon Calcitriol (tri-ol: drei Alkoholgruppen) umgewandelt werden!

Das biologisch aktive Vitamin D - Calcitriol - wirkt indem es zunächst in die Zielzellen hinein transportiert wird und im Zellinneren (Cytosol) an ein intrazelluläres Rezeptorprotein (Vitamin-D-Rezeptor) bindet. Dieser Vitamin-D-Rezeptor-Komplex wird in den Zellkern transportiert, assoziiert an die DNA und verändert dadurch die Transkription verschiedener hormonsensibler Gene. Das führt schließlich zu beobachtbaren Änderungen in der Proteinsynthese mit bedeutenden physiologischen Auswirkungen!

Die biologisch aktive Form des Vitamin D, Calcitriol, wirkt also im Körper ganz ähnlich wie andere vom Cholesterin abgeleitete Steroidhormone, wie zB Glucocorticoide, Testosteron oder Estrogen!

Wieviel Sonnenstrahlung ist für die Vitamin-D-Synthese sinnvoll und ausreichend?

Wieviel und wie schnell Vitamin D3 in der Haut gebildet wird, hängt von individuellen Faktoren, wie Lebensalter, Hautfarbe, Körpergewicht, Aufenthalt im Freien, Sonnenschutz durch Kleidung oder Sonnencremes ab. 

Empfohlen wird zwischen März und Oktober zwei- bis dreimal pro Woche Gesicht, Hände und Arme unbedeckt und ohne Sonnenschutz der Sonne auszusetzen. Für eine ausreichende Vitamin-D-Synthese reicht hierbei bereits die Hälfte der Zeit, in der sonst ungeschützt ein Sonnenbrand entstehen würde!

In den Monaten November bis Februar ist - in Deutschland - der UV-B Anteil des Sonnenlichts zu niedrig für eine ausreichende Eigensynthese, sodass der Körper über die eingelagerte Speicherform Calcidiol und/oder durch Gabe von Vitamin-D3-Nahrungsergänzungsmittel („Supplementen“) zusätzlich mit Vitamin D versorgt werden muss.

Übrigens: eine Überdosierung ist auf natürlichem Weg nicht möglich. Ein körpereigener Schutzmechanismus verhindert eine Überdosierung mit Vitamin D3. Bei längerer Sonnenexposition wird das produzierte Vitamin D3 in inaktive Photoprodukte umgewandelt (zB Lumisterol und Tachysterol). Zuviel Vitamin D im Körper ist nur dann möglich, wenn Nahrungsergänzungsmittel falsch dosiert werden.

Was passiert bei zu niedrigen oder zu hohen Konzentrationen von Vitamin D?

Von einem Vitamin-D Mangel spricht man, wenn klinisch relevante Symptome, wie Rachitis (Englische Krankheit) oder Osteomalazie (Knochenerweichung) auftreten. Darüber hinaus wurden Zusammenhänge zwischen Vitamin-D-Versorgung und nicht-sklettalen Erkrankungen wie Bluthochdruck, Diabetes mellitus Typ 2 sowie kardiovaskulären oder Krebskrankheiten in Beobachtungsstudien gefunden.

Die Bestimmung des Vitamin-D-Status erfolgt, wie beschrieben durch eine Konzentrationsbestimmung der Speicherform Calcidiol (25-Hydroxyvitamin-D) im Blutserum (Konzentrationen werden in nmol/l oder ng/ml angegeben, für die Umrechnung von nmol/l in ng/ml teilt man den Wert durch 2,5).

Das Robert-Koch-Institut (RKI) bewertet Calcidiol Werte von 

  • 50-75 nmol/l als ausreichende Versorgung in Bezug auf die Knochengesundheit,
  •  <30 nmol/l als mangelhafte Versorgung mit erhöhtem Risiko für Rachitis, Osteomalazie und Osteoporose und 
  • >125 nmol/l als mögliche Überversorgung mit potentiell negativen gesundheitlichen Folgen.

In Deutschland sind in den Monaten November bis April 25 % der Serumkonzentrationen der gesamten deutschen Bevölkerung innerhalb des als schweren Vitamin-D-Mangel eingeschätzten Bereichs unter 30 nmol/l. 

In den Monaten Februar und März befinden sich gemäß der Erhebung sogar mehr als 50 % der Konzentrationen in diesem schweren Mangelbereich. 

Dieser jahreszeitlich bedingte Mangel kann durch Einnahme von Vitamin-D3-Supplementen ausgeglichen werden. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt hierzu 20 µg (800 IE) Vitamin-D3 pro Tag, wenn der Vitamin-D-Status, weder durch Eigensynthese, noch über Ernährung in den Zielbereich kommt.

Fazit

  • Das aktive Vitamin D (Calcitriol) wird im Körper (zum großen Teil) selbst produziert und gehört, aufgrund seines Herstellungsweges und des physiologischen Wirkmechanismus, nicht zur Klasse der Vitamine, sondern zur Klasse der Steroidhormone! Aus historischen Gründen wird es allerdings weiterhin als Vitamin D bezeichnet.
  • Die Vorstufe des biologisch aktiven Vitamin D (Vitamin D3) wird über eine faszinierende photochemisch-thermische Reaktionsfolge in der Haut produziert. Dazu wird ausreichend UV-B Strahlung des Sonnenlichts benötigt, die in Deutschland nur von März bis Oktober verfügbar ist. Für die Winterzeit wird daher eine im Fettgewebe gespeicherte Form des Vitamin D (Calcidiol) reaktiviert.
  • Ein länger andauernder Vitamin-D Mangel (<30 nmol/l) verursacht vielfältige klinische Symptome und kann, nach ärztlicher Rücksprache, mit Vitamin D3 Supplementen behandelt werden.

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Verantwortlicher: Klaus Rudolf; Kommentare und Fragen bitte an: rudolfklausblog@gmail.com 
Disclaimer: Auf Klaus Rudolfs Blog gebe ich meine persönlichen Meinungen und Erfahrungen weiter. Ich bin weder Arzt noch Finanzberater. Bitte informiere Dich breit und konsultiere bei Bedarf einen professionellen Experten in Gesundheitsfragen oder Finanzanlagen.

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