Kaffee und Coffein! Blog#30
Im Jahr 2019 lag der Pro-Kopf-Verbrauch von Kaffee in Deutschland bei 166 Liter. Für viele gehört die Tasse Kaffee zu einem guten Start in den Tag.
Welche Stoffe sind im Kaffee enthalten und wie kommt es dazu, dass wir durch Kaffee trinken wachwerden – zumindest für kurze Zeit? Welche sonstigen medizinischen Anwendungsmöglichkeiten gibt es für Kaffee oder Coffein?
Kaffee ist ein wässriger Extrakt der Kaffeebohne und ist ein äußerst komplexes Gemisch von mehr als 1.000 chemischen Verbindungen von denen die meisten beim Röstprozess entstehen. Die exakte Zusammensetzung der chemischen Verbindungen ist von der Kaffeesorte, den Wachstumsbedingungen und der Art der Röstung – die bei Temperaturen von 200 – 260 Celsius stattfindet - abhängig. Die wichtigsten Inhaltsstoffe des Kaffees sind:
- Kohlenhydrate: Anteil im Kaffee zwischen 30 und 40%, besteht aus wasserunlöslichen und -löslichen Polysacchariden sowie zum kleineren Teil aus Zuckern wie Saccharose, Glucose etc. Mit zunehmendem Röstgrad werden die Kohlenhydrate stark verändert und zu anderen Verbindungen abgebaut oder verschwinden fast völlig wie oben erwähnte Zuckerstoffe.
- Fette und Fettsäuren: Anteil im Kaffee liegt zwischen 10 und 13%: der Arabica-Kaffee enthält mehr Lipide (oder Kaffeeöle) als die Robusta-Varianten. Überwiegend sind es Triglyceride und Diterpenester; die wichtigsten in den Fetten vorkommenden Fettsäuren sind die Linolsäure und die Palmitinsäure. Die Fette sind jedoch kaum wasserlöslich und gelangen daher nur zu einem sehr kleinen Teil in die Tasse.
- Säuren: der Anteil im Rohkaffee beträgt zwischen 4 und 5%; die Chlorogensäuren stellen den Hauptanteil dar, während des Röstprozesses werden diese etwa zur Hälfte abgebaut.
- Eiweiße: die zu etwa 11% im Rohkaffee enthaltenen Proteine werden im Röstprozess praktisch vollständig in Bräunungsprodukte umgesetzt.
- Alkaloide: beim Kaffee ist an erster Stelle das Coffein zu nennen, das je nach Sorte zu 0,8 bis 2,5% im Rohkaffee enthalten ist. Durch den Röstvorgang wird der Coffein Gehalt praktisch nicht verändert. Zu der Stoffgruppe der Alkaloide zählen ebenfalls das Trigonellin, das beim Rösten zu 75% abgebaut wird – unter anderem zu Nicotinsäure, auch als Niacin oder Vitamin B3 bekannt. So enthält eine Tasse Kaffee etwa ein Zehntel des Tagesbedarfs eines Erwachsenen an Vitamin B3.
- Mineralstoffe: im Rohkaffee befinden sich etwa 4% Mineralstoffe, insbesondere Kalium aber auch Calcium, Magnesium, die zu 90% in das Kaffeegetränk übergehen.
- Aromastoffe: Röstkaffe enthält zu etwa 0,1% flüchtige Aromastoffe, ein Gemisch aus mehr als 800 flüchtigen organischen Verbindungen, die dem Kaffee sein einzigartiges Aroma verleiht.
Coffein - Eigenschaften und Aufnahme in den Körper
Die wichtigste und bekannteste chemische Verbindung des Kaffees ist ohne Zweifel das Alkaloid Coffein! Der Trivialname Coffein deswegen weil die Substanz erstmals in der Kaffeebohne nachgewiesen wurde! Weitere gängige Trivialnamen für Coffein sind Thein, Teein, Guaranin, Mateina. Die chemisch korrekte Bezeichnung lautet 1,3,7-Trimethyl-2,6-purindion oder 1,3,7-Trimethylxanthin.Coffein kommt in der Natur aber nicht nur in den Samen des Kaffeestrauches vor sondern auch in über 60 anderen Pflanzen, wie zB dem Teestrauch, Guarana, dem Mate-Strauch oder der Kolanuss.
Der eigentliche Grund warum all diese Pflanzen Coffein produzieren? Coffein wirkt in den Pflanzen und insbesondere in ungeschützten Keimlingen, als natürliches Insektizid! Es betäubt, lähmt oder tötet bestimmte Schädlinge, die die Pflanze auffressen.
Coffein besitzt ideale (physiko-)chemische Eigenschaften - Molekülgewicht = 194 Da kombiniert mit guter Wasserlöslichkeit (21.7g/L) und ausgewogener Lipophilie (log P = -0.01) - um biologische Membranen zu überwinden. Coffein wird daher rasch und nahezu vollständig aus dem Magen-Darm-Trakt ins Blut aufgenommen und erreicht nach etwa 45 Minuten hohe Konzentrationen im Blutplasma (8-10 mg/L nach Gabe von 6 mg/kg Coffein). Nach der Resorption in das Blutplasma kann Coffein rasch und effizient die „Blut-Hirn-Schranke“ oder, wichtig für Schwangere, die Plazentaschranke passieren.
Die Verweildauer (Halbwertszeit) von Coffein im Körper beträgt im Mittel etwa 4-5 Stunden wobei hier recht hohe interindividuelle Schwankungen, von 2 bis 12 Stunden, beobachtet werden. Diese große Variabilität der Halbwertszeit lässt sich dadurch erklären, dass Coffein maßgeblich durch das Leberenzym Cytochrom P450 1A2 (CYP1A2) oxidativ abgebaut wird und die Aktivität von CYP1A2 stark durch endogene Faktoren (genetischen Polymorphismus, Hormonspiegel) sowie durch exogenen Faktoren (Rauchen, Nahrung, Arzneimittel…) beeinflusst wird.
- zB steigert das Rauchen von fünf bis zehn Zigaretten pro Tag die CYP1A2 Aktivität um den Faktor 1,5. Dadurch wird Coffein deutlich rascher im Körper abgebaut (eine mögliche Erklärung warum Raucher häufiger zur Kaffeetasse greifen...).
Wie wirkt Coffein?
Die stimulierende Wirkung des Coffeins auf das Zentralnervensystem wird damit erklärt, dass es die Adenosin-Rezeptoren und insbesondere den Adenosin-Rezeptor-Subtyp A2a blockiert (alle Adenosin-Rezeptoren gehören zur Familie der G-protein gekoppelten Rezeptoren; Coffein zeigt kompetitive antagonistische Wirkung ggü. allen Adenosin-Rezeptor-Subtypen mit IC50 Werten von ca. 10 µM).
Im Wachzustand wird in den Nervenzellen des Gehirns viel Energie durch den Austausch von Botenstoffen verbraucht. Dadurch entsteht Adenosin als Nebenprodukt. Das entstandene Adenosin bindet und aktiviert die Adenosin-Rezeptoren vom Subtyp A2a und hemmt dadurch die zentrale Aktivität. Die Nervenzellen arbeiten dadurch langsamer und werden so vor „Überanstrengung“ geschützt (siehe Abb. 4).Wie viel Coffein ist zu viel?
Da Coffein eine Schutzfunktion des Nervensystems unterbindet und wichtige Aktivitäten des Körpers beeinflusst, sollte man es nur in Maßen genießen.Nach Empfehlung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (Details siehe hier) gilt für eine gesunden Erwachsenen eine Aufnahmemenge von 200 mg als Einzeldosis (also etwa zwei Tassen Kaffee) als unbedenklich. Über den Tag verteilt sollte nicht mehr als 5,7 mg Coffein pro kg Körpergewicht eingenommen werden, was bei 75 kg Gewicht 427,5 mg Coffein oder 535 mL schwarzem Kaffee entspricht.
Übrigens, die letale (tödliche) Dosis bei Menschen liegt bei ungefähr 10 g Coffein, also bei etwa 100 Tassen Kaffee pro Tag.
Coffein und strukturelle Analoga als Arzneimittel!
- gegen Müdigkeit, zur Förderung der Wachheit und Leistungsfähigkeit oder zur Aufhebung der Müdigkeit unter Antihistaminika.
- in Kombination mit Schmerzmitteln, wie zB Paracetamol, Acetylsalicylsäure oder Ibuprofen zur Behandlung von Kopfschmerzen und Migräne.
- zur Behandlung eines Atemstillstandes bei Frühgeborenen (Frühgeborenenapnoe; Verabreichung einer Coffeincitrat Lösung).
Last not least noch zwei strukturelle Analoga des Coffeins, die als Arzneimittel für die Behandlung der Parkinson-Erkrankung und der erektilen Dysfunktion zugelassen sind (siehe Abb. 5):
- Istradefyllin, ein selektiver und potenter A2a-Adenosinrezeptor Antagonist (Ki = 12 nM) der seit 2019 in den USA als Zusatztherapie zu Levodopa/Carbidopa bei Patienten mit Parkinson-Syndrom eingesetzt wird. Eine Zulassung von der europäischen Zulassungsbehörde EMA steht allerdings noch aus.
- Coffein hemmt nicht nur die Adenosin-Rezeptoren sondern zeigt auch eine relative schwache Hemmung von spezifischen Phosphodiesterasen (PDE; Enzyme die für den Abbau von cyclischem zu acyclischen AMP verantwortlich sind). Systematische strukturelle Modifikationen der chemischen Struktur des Coffein Moleküls führten zu selektiven und potenten PDE-Hemmern. Ein weithin bekanntes und erfolgreiches Ergebnis dieser Arbeiten ist der PDE-5 Hemmer Sildenafil (Viagra; zugelassen für die Therapie von erektilen Dysfunktionen).
Fazit
- Kaffee ist ein komplexes Gemisch aus über1.000 organischen Verbindungen, wobei die meisten dieser Verbindungen erst während des Röstprozesses bei Temperaturen über 200 Celsius entstehen.
- Das Alkaloid Coffein ist ein wichtiger Inhaltsstoff des Kaffees und wird von vielen Pflanzen als natürliches Insektizid produziert.
- Coffein wird aufgrund seiner physikochemischen Eigenschaften rasch und vollständig in den Körper aufgenommen und wirkt als „Wachmacher“ in dem es die Aktivierung der Adenosin A2a Rezeptoren ("Schutz des Nervensystems vor Überlastung") durch Adenosin blockiert.
- Coffein und Coffein-Analoga werden erfolgreich als Arzneimittel eingesetzt.
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Verantwortlicher: Klaus Rudolf; Kommentare und Fragen bitte an: rudolfklausblog@gmail.com
Disclaimer: Auf Klaus Rudolfs Blog gebe ich meine persönlichen Meinungen und Erfahrungen weiter. Ich bin weder Arzt noch Finanzberater. Bitte informiere Dich breit und konsultiere bei Bedarf einen professionellen Experten in Gesundheitsfragen oder Finanzanlagen.