Botox - Medizinische Anwendungen! Blog#33

Am 08. September 2022 erhielt die US-amerikanische Firma Revance Therapeutics eine FDA-Zulassung für seine Antifalten-Spritze Daxxify. Die Zulassung von Daxxify basiert auf einer Studie mit über 2700 Patienten, die zeigte, dass die Injektion im Mittel sechs Monate lang wirkte, wobei bei einigen Patienten die Wirkung neun Monate anhielt. Botox wirkt in der Regel vier bis sechs Monate.

Daxxify enthält das seit vielen Jahren für medizinische Zwecke verwendete Botulinumtoxin A („Botox“) als Wirkstoff, lediglich die Wirkdauer wurde durch eine spezielle Formulierung („peptide exchange technology“) verbessert.

Was ist Botox? Wie wirkt Botox und wie wird es hergestellt? Welche medizinischen Anwendungsmöglichkeiten gibt es für Botox?

Was ist Botox?

Botox ist der von der Firma Allergan geprägte Handelsname für ein Botulinumtoxin A (BTX A) enthaltendes Präparat. 

BTX A ist das mit Abstand tödlichste bekannte Gift. Ein Gramm von BTX A, intravenös verabreicht, würde ausreichen um >100 Millionen Menschen zu töten! Die Giftwirkung von BTX A beruht auf der Hemmung der Erregungsübertragung von Nervenzellen, was neben Störungen des vegetativen Nervensystems insbesondere auch eine Muskelschwäche bis zum Stillstand der Lungenfunktion zur Folge haben kann.

Der württembergische Arzt und Dichter Justinus Kerner berichtete im Jahre 1815 erstmals von einem extrem wirksamen Giftstoff in schlecht konservierten Würsten. Im Lateinischen bedeutet botulus die Wurst und toxin das Gift, daher gab er diesem Gift den Namen Botulinumtoxin. Interessanterweise schlug er bereits im Jahr 1822 auch vor, dieses Gift in extrem niedrigen Dosen als Arzneistoff für verschiedene nervöse Störungen zu verabreichen!

Aber erst 1989 erhielt Botulinumtoxin A (BTX A) eine erste Arzneimittelzulassung von der US-amerikanischen Zulassungsbehörde FDA. BTX A wurde für die Indikation Nystagmus („Augenzittern“) und Belpharospasmus („Lidkrampf“) zugelassen. Handelsname des von der Firma Allergan vertriebenen Medikaments war Botox. Eine weitere Zulassung für die den vorübergehenden abschwächenden Effekt von BTX A auf Hautfalten erfolgte dann erst 13 Jahre später in 2002.

Wie wirkt Botox?

BTX A ist ein hochmolekularer Proteinkomplex der aus zwei – über eine Disulfidbrücke verbundenen - Ketten besteht: der leichten, neurotoxisch wirkenden Kette (Teil A) sowie einer schweren, nicht-toxischen Kette (Teil B) welche die Bindung an die Nervenzelle und die Aufnahme des Proteinkomplexes in die Nervenzelle vermittelt.

Teil A ist eine zinkhaltige Endopeptidase und der aktive Teil des Toxins. Sie zerlegt bestimmte Funktionsproteine, die für die synaptische Vesikelfusion gebraucht werden. Das BTX A spaltet das synaptisch-assozierte Protein SNAP-25 (Akronym für „synaptosomal-associated protein of 25 kDa“) und verhindert dadurch die Exozytose – Abgabe des Botenstoffs Acetylcholin - in den synaptischen Spalt. Die betroffene Nervenzelle kann somit die zugeordnete Muskelfaser nicht mehr hinreichend erregen und es kommt zu einer Lähmung des Muskels, an dem das Gift wirkt.
Abb. 1: Nervenzelle mit dem Neurotransmitter Acetylcholin-gefüllten Vesikeln. Gelangt BTX-A (Botox) in den Nerv (rechter Teil der Abbildung) , verhindert es die Ausschüttung aus den Vesikeln und es gelangt kein Acetylcholin mehr an die Muskelfaser.

Bei der Reaktivierung der unterbrochenen neuromuskulären Transmission übernehmen zunächst neuauswachsende präsynaptische Endigungen vorübergehend die Funktion der gestörten Axonterminalen des Nervenzellfortsatzes. Nach 2-6 Monaten ist die Neuaussprossung der Nervenenden beendet wodurch die Muskeln wieder aktiviert werden können.

Wie wird Botox hergestellt?

BTX A wird aus Kulturen des grampositiven, stäbchenförmigen Bakteriums Clostridium botulinum gewonnen. Bei einem pH-Wert von 3,5 wird das Protein aus dem Kulturmedium ausgefällt und durch eine Abfolge mehrerer Zentrifugations-, Fällungs- und Adsorptionsschritte gereinigt. Das gereinigte Toxin kann bei −70°C für längere Zeit gelagert und ohne Aktivitätsverlust aufgetaut werden. Eine aus dem festen Protein und steriler isotonischer Kochsalzlösung hergestellte Injektionslösung kann im Kühlschrank für maximal vier Stunden aufbewahrt werden.

Medizinische Verwendung von Botox – Indikationen und Nebenwirkungen.

Der in der Öffentlichkeit bekannteste Einsatz ist die Injektion zur gezielten Lähmung übermäßig aktiver mimischen Muskulatur, zB bei vertikalen Falten zwischen den Augenbrauen (Glabellafalten, „Zornesfalte“) und „Krähenfüssen“ (Kanthalfalten). Dazu wird BTX A direkt intramuskulär oder subkutan in das Gewebe der Stirn-, Augen-, Mund- und Halsregion injiziert.

Medizinisch und wissenschaftlich bedeutsamer: BTX A wird erfolgreich für die Behandlung einer großen Zahl weiterer Erkrankungen in der Neurologie, Dermatologie, Gynäkologie und Inneren Medizin eingesetzt (weitere Details siehe hier). Und seit 2011 auch für die Migräne-Prophylaxe: 
  • für Patienten mit Kopfschmerzen an 15 oder mehr Tagen pro Monat, davon an mindestens 8 Tagen mit Migräne und die auf präventive Migräne-Arzneimittel nur unzureichend angesprochen haben. Dabei wird BTX A in 31 vordefinierte Punkte im Kopf und Nackenbereich injiziert. Wie BTX A genau gegen Migräne wirkt ist nicht klar. Studien weisen darauf hin, dass BTX A neben Acetylcholin auch noch andere Botenstoffe hemmt. Einige von ihnen sind an der Schmerzreizung beteiligt, darunter Glutamat, Substanz P, CGRP und Neurokinin A. Man nimmt an, dass eine Hemmung dieser Botenstoffe die Schmerzempfindlichkeit reduziert. Und das könnte der Mechanismus sein, durch den BTX A Migräne zu lindern vermag.
  • Seit Ende 2018 stehen mit dem CGRP-Antikörpern Erenumab, Galcanezumab und Fremanezumab weitere therapeutische Optionen zur Verfügung (siehe auch meinen Blog#3 zu diesem Thema). Anders als Botox greifen diese Wirkstoff gezielt am CGRP-Rezeptor an, der an der Migräne zentral beteiligt ist.
Die Nebenwirkungen nach BTX A Gabe sind abhängig von der Dosierung. Zu den wichtigsten Nebenwirkungen zählen: Brennen an der Einstichstelle, Schwindel, Hypertonie, Taubheitsgefühl, Unwohlsein, Schläfrigkeit.
Daneben kann es zu lokalen Nebenwirkungen kommen, die durch das Injektionsgebiet bestimmt werden. Dazu zählen unter anderem: herabhängendes Oberlid über dem Auge, Entzündung der äußeren Augenhaut, motorische Sprechstörungen und Schluckstörungen. Bei korrektem Einsatz sind schwere Nebenwirkungen allerdings selten.

Fazit

  • Botulinumtoxine sind von Bakterien hergestellte komplexe Proteine und hochpotente Gifte welche die Erregungsübertragung von Nervenzellen verhindern.
  • In sehr verdünnter Form wird insbesondere das Botulinumtoxin A (BTX A) für medizinische Zwecke genutzt.
  • Obgleich in der Öffentlichkeit insbesondere als „Faltenglätter“ bekannt, liegt der wahre medizinische Wert von BTX A darin, dass es in der Neurologie, Orthopädie, Gynäkologie und Schmerztherapie erfolgreich in einer Vielzahl von Indikationen eingesetzt werden kann.

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Verantwortlicher: Klaus Rudolf; Kommentare und Fragen bitte an: rudolfklausblog@gmail.com 
Disclaimer: Auf Klaus Rudolfs Blog gebe ich meine persönlichen Meinungen und Erfahrungen weiter. Ich bin weder Arzt noch Finanzberater. Bitte informiere Dich breit und konsultiere bei Bedarf einen professionellen Experten in Gesundheitsfragen oder Finanzanlagen.

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