Die faszinierende Chemie des Bierbrauens! Blog#31

Wie wird Bier hergestellt, was ist der Unterschied zwischen einem Pils-, einem Hellen- und einem Weizen-Bier und warum sind Bierflaschen gefärbt? Wie stellt man alkoholfreies Bier her?

Wir wollen auch sonderlichen, das füran allenthalben in unnseren Steten, 
Märckten und auf dem Lannde, zu keinem Pier merer Stückh, 
dann allain Gersten, Hopffen unnd Wasser, genommen und gebraucht werden 
(Reinheitsgebot des Herzogtums Bayern vom 23. April 1516).

Wie wird Bier hergestellt?

Bier wird seit vielen Jahrhunderten aus lediglich Gerste, Wasser, Hopfen und Hefe hergestellt. Dabei wird die in der Gerste enthaltene Stärke (ein wasserunlösliches Polymer aus Glucosemolekülen) in mehreren Verfahrensschritten (S1 und S2 in Abb. 1) zu kleineren, im Brauwasser löslichen Zuckermolekülen abgebaut. Das daraus entstandene Gemisch aus niedermolekularen Zuckern wird dann durch Zugabe von Hefe zu Alkohol (Ethanol) und Kohlendioxid vergärt (S5 in Abb. 1). Hopfen wird zugegeben (S4 in Abb. 1) damit Bier seinen charakteristisch bitteren Geschmack erhält und um das Bier haltbarer zu machen. 

Abb. 1: Schematische und stark vereinfachte Darstellung der wichtigsten Schritte beim Bierbrauen (für vertiefte Einblicke siehe hier)

Im ersten Schritt (S1, Abb. 1) wird Gerste (oder für Weizenmalz Weizen) durch Zugabe von Wasser zum Keimen gebracht. Dadurch bildet sich das für die Stärkespaltung notwendige Enzym Amylase. Der Keimprozess wird weitere 4-5 Tage fortgeführt und individuell der gewünschten Malzsorte entsprechend über die Wahl von Temperatur und Feuchte gesteuert. Durch den Trocknungsvorgang („Darren“) wird der Keimprozess gestoppt.

Das Ergebnis dieser Vorgänge ist das Braumalz. Dessen Eigenschaften beeinflussen den Geschmack des später gebrauten Biers wesentlich: je nach verarbeiteter Getreidesorte, Dauer und Temperatur der Keimung, Wassergehalt vor dem Abdarren sowie Dauer und Temperatur des Abdarrens entstehen ganz verschiedene Malzsorten. Bei sehr hohen Temperaturen karamellisiert das Malz teilweise und ergibt dann ein dunkles, sehr aromareiches Bier mit karamelligem oder rauchigem Geschmack.

Im nächsten Schritt (S2, Abb. 1) wird das Braumalz gemahlen und anschließend mit Wasser ("Brauwasser")  zur Maische vermischt.
  • Die Wahl des Brauwassers entscheidet über den Mineralstoff- und Salzgehalt des Biers. So ist weiches, kalkarmes Brauwasser besser geeignet für herbe Biere wie Pilsner, während härteres Wasser für das Brauen von kräftigem Export oder Märzen-Bier geeignet ist.
Um die relevanten Malzinhaltsstoffen, insbesondere Stärke, Eiweiße und Zellwandsubstanzen abzubauen und in Wasser zu lösen, wird die Maische zunächst auf 45°C erwärmt und bei dieser Temperatur gehalten, damit sich die Eiweiße in Aminosäuren zerlegen. Bei der anschließenden schrittweisen Temperaturerhöhung auf etwa 70°C, wird die im Malz enthaltene Stärke durch das im Malz enthaltene Enzym Amylase, in den Zweifachzucker Maltose (Malzzucker) abgebaut. 

Das Temperaturprofil beim Maischen ist ausschlaggebend für die später entstehende Biersorte. Wird die Maische längere Zeit bei 65°C gehalten, führt das zu vermehrter Produktion von vergärbarer Maltose ("Zweifachzucker"). Hält man die Temperatur dagegen längere Zeit bei 70°C bilden sich vermehrt nicht vergärbare Dextrine ("Oligozucker"), die in vollmundigeren Biersorten erwünscht sind.

Das Maischen wird beendet sobald die Stärke vollständig gespalten ist. Um das zu erkennen, wird die Iodprobe mittels einer Lugolschen Lösung durchgeführt. Iod ist ein Indikator für Stärke: eine Probe des Maische-Ansatzes verfärbt sich mit Iod bei Anwesenheit von Stärke dunkelblau. Verfärbt sie sich nicht, so ist die Stärke vollständig vermaischt.

Im nächsten Schritt wird die Maische von unlöslichen Bestandteilen abfiltriert (S3, Abb. 1). Der flüssige Anteil (Würze), in der alle wertvollen Inhaltsstoffe enthalten sind, wird weiterverarbeitet.

Die flüssige Würze wird als nächstes bis zum Sieden gekocht. Dabei wird Hopfen zugegeben und mitgekocht (S4, Abb. 1).
  • Hopfen gehört zur Familie der Hanfgewächse und enthält Bitterstoffe (Alphasäuren) und Aromen (Öle und Harze) die dem Bier die charakteristische bittere Noten verleihen. Die Alphasäuren – Humulone - sind im Wasser weitgehend unlöslich, werden aber beim Würzekochen ab 85°C in die Isohumulone isomerisiert. Da die Isohumulone besser wasserlöslich und deutlich bitterer sind ist deren Bildung während des Würzekochens erwünscht.
Abb. 2.: Isomerisierung des Humulon in das Isohumulon. Ringverengung des Sechsrings zum Fünfringsystem erfolgt über eine initiale Oxa-Di-Pi-Methan-Umlagerung und nachfolgender Öffnung des entstandenen Cyclopropanol-Rings. 

Die Sorte und die Menge des Hopfens tragen zum Geschmack und zur Haltbarkeit des Biers bei. Mehr Hopfen ergibt eine längere Lagerfähigkeit und einen herben, bitteren Geschmack des Bieres. 

Durch das Verdampfen des Wassers beim Kochen wird die Würze auf die für jede Sorte spezifische Stammwürze aufkonzentriert.
  • Stammwürze: Anteil aus dem Malz und dem Hopfen stammender gelöster Inhaltsstoffe, also im Wesentlichen Malzzucker, aber auch Mineralien und Vitamine, in der Würze vor der Vergärung. 
Zusammengefaßt wird bei den hohen Temperaturen der Würzekochung die Mischung entkeimt, die Humulone zu den Isohumulonen isomerisiert, unerwünschte leichtflüchtige Stoffe (zB Dimethylsulfid) ausgetrieben und der gewünschte Stammwürzegehalt eingestellt.

Hefe wird zugegeben, sobald die Würze, die für die jeweilige Hefesorte notwendige Temperatur (zwischen 5 °C und 20 °C) erreicht hat (S5, Abb. 1). 
  • Hefen sind einzellige, eukaryotische Pilze, die sich durch Sprossung oder Teilung vermehren. Hefen benutzen als Energiequelle organische Substanzen wie Glucose, Fructose, Sucrose oder Maltose und gedeihen am besten in neutralem oder leicht saurem pH-Bereich. Der Stoffwechsel der Hefen kann aerob („Sauerstoffabhängig“) oder alternativ anaerob („ohne Sauerstoffverbrauch“) sein. Unter den für den Brauprozess relevanten anaeroben Bedingungen setzt die Hefe den in der Würze enthaltenen Zucker in Ethanol (Alkohol) und Kohlendioxid um.
Die Hefe bewirkt die alkoholische Gärung: der in der Würze enthaltene vergärbare Zucker wird innerhalb von fünf bis acht Tagen zu Alkohol (Ethanol) und Kohlendioxid vergoren. Etwa 60 % bis 70 % der Maltose werden auf diese Weise umgesetzt. Das dabei entstehende Kohlenstoffdioxid wird abgesaugt und aufbereitet, um dem Bier am Ende des Brauprozesses wieder zugesetzt zu werden. Vollbiere enthalten 3,5 bis 5,5 Vol. % Alkohol, Exportbiere 5 bis 5,5 Vol. % Alkohol und Starkbiere 5 bis 11,25 Vol. % Alkohol.




Abb. 3: Hefe Stoffwechsel unter anaeroben Bedingungen. a) chemische Gleichung für den Abbau von Glucose zu Ethanol und Kohlendioxid b) chemische Strukturen der maßgeblich an der alkoholischen Gärung beteiligten Moleküle. 


Je nach Hefesorte und Würzerezeptur ergibt die Gärung untergäriges oder obergäriges Bier.

Es gibt 40 unterschiedliche Stämme von Brauereikulturhefen die sich in untergärige und obergärige Stämme aufteilen:
  • Untergärige Hefe sinkt nach der Gärung auf den Boden des Gärgefäßes und benötigt im Gegensatz zu obergäriger Hefe eine niedrigere Temperatur zwischen 4 und 9 °C für die Gärung.
  • Aufgrund der niedrigeren Gärtemperatur können sich weniger Spontan-Infektionen vermehren; außerdem benötigt das untergärige Brauen eine längere Gär- und Lagerzeit, daher die englische Bezeichnung "lager yeast". Die klassische untergärige Hefeart ist Saccharomyces carlsbergensis. Typische untergärige Biere sind Helles Lagerbier, Pils, Export oder Märzen, während im englischen Sprachgebrauch alle untergärigen Biere als "lager beer" bezeichnet werden.
  • Als obergärige Hefe bezeichnet man die Stämme der Bierhefe Saccharomyces cerevisiae, die bei der Gärung Zellverbände bilden, in denen sich Bläschen von Gärungsgas ansammeln. Dadurch schwimmt die Hefe während der Fermentation auf der Oberfläche des Jungbiers. 
  • Obergärige Hefe benötigt bei der Gärung höhere Umgebungstemperaturen (15–20 °C) und ist daher anfälliger für Verunreinigungen mit Fremdpilzen und Bakterien. Die Vergärung verläuft dafür wesentlich schneller und ist auch ohne Kühlung möglich. Typische obergärige Biere sind Weißbier, Kölsch, Alt oder India Pale Ale.
Wenn die Hefe den Umwandlungsprozess geschafft hat, wird sie abgezogen und das junge Bier in den Lagertank gepumpt, um dort weiter zu reifen (S6, Abb. 1). Je nach Bierstil und Philosophie der Brauerei kann die Lagerzeit bis zu drei Monaten dauern.

Dabei wird der noch vorhandene Zucker in Alkohol (Ethanol) umgesetzt. Die Lagertanks sind gasdicht verschlossen, so dass das entstehende Kohlenstoffdioxid nicht entweicht und als Kohlensäure im Bier gebunden wird. In den Lagertanks entsteht also ein Überdruck. Das so entstehende Bier hat vorzugsweise einen pH-Wert von 4,5 (manche Biersorten bis zu 3,5). Durch die Lagerung erhält das Bier seine Reife und den endgültigen Geschmack.

Schließlich wird bei der Mehrzahl der industriell erzeugten Biere das Bier nach der Lagerung gefiltert und das gereifte Bier in Fässer, Dosen oder braunen Flaschen abgefüllt.

Bier ist im Handel nur in gefärbten, meist braunen, Flaschen erhältlich, um den Lichtgeschmack durch die Zersetzung der Hopfenbitterstoffe in 3-Methyl-2-buten-1-thiol zu vermeiden. Wird der Hopfenbitterstoff Isohumulon dem Sonnenlicht ungeschützt ausgesetzt, kann durch eine α-Spaltung an der (R-CO-)Bindung ("Norrish-Typ-I-Reaktion") das 3- Methylbutenylradikal abgespalten werden (siehe Abb. 4). Dieses setzt aus natürlich vorkommenden Schwefelverbindungen (Proteine) im Bier Thiole wie das 3-Methyl-2-buten-1-thiol (MBT) frei, die dem Bier einen unangenehmen Geschmack und „animalischen Geruch“ verleihen.

Abb. 4: Zersetzung des Isohumulons durch Sonnenlicht zu unangenehm riechendem 3-Methyl-2-buten-1-thiol.

Was ist der Unterschied zwischen einem Pils-, einem Hellen- und einem Weizen-Bier?

Helles oder Helles Lagerbier und Pils-Bier sind untergärige Vollbiere, mit einem Stammwürzegehalt von 11 bis 16% die, wie alle untergärigen Biere, ausschließlich aus Gerstenmalz hergestellt sind. Der Unterschied liegt darin, dass das Helle weniger stark gehopft wird und dadurch einen feinwürzigen, milderen und weniger bitteren Geschmack als ein Pils erhält (Helles Lagerbier hat ca. 20 Bittereinheiten (BE), Pils über 25 BE).

Das Weizenbier ist ein obergäriges Vollbier, mit einem Stammwürzegehalt von 11 bis 16%, das aus Weizenmalz (über 50%) unter Mitverwendung von Gerstenmalz hergestellt wird. Weizenbiere sind nur mäßig gehopft, weisen dadurch nur eine geringe Bittere auf und sind relativ kohlensäurereich.

Wie wird das in den letzten Jahren immer populärer werdende alkoholfreie Bier hergestellt?

Es gibt unterschiedliche Methoden alkoholfreies Bier herzustellen. Wie jedes „normale“ Bier werden die alkoholfreien Biere ausschließlich aus Wasser, Malz, Hopfen und Hefe gebraut, enthalten aber maximal 0,5 % Vol. Alkohol (Traubensaft darf bis zu 1% Vol. Alkohol enthalten!).
  • Gestoppte Gärung: die Hefe darf bei diesem Herstellverfahren nur bis zu einem Alkoholgehalt von max. 0,5 Vol. % arbeiten, dann wird die Gärung durch kurzes starkes Erhitzen unterbrochen. Diese Biere sind wegen des hohen Restzuckeranteils oft süßlich im Geschmack und daher eignet sich diese Methode insbesondere für alkoholfreie Weizenbiere die bereits fruchtig-süß schmecken. Mein derzeitiger persönlicher Favorit unter den alkoholfreien Bieren, das Neumarkter Lammsbräu, wird auch über die gestoppte Gärung hergestellt, allerdings wird mit niedrigerem Malzanteil gearbeitet, um übermäßig süßlichen Geschmack zu vermeiden.
  • Vakuum-Destillation: hier wird der Alkohol eines normal gebrauten Bieres im Vakuum abgedampft. Das funktioniert aufgrund des niedrigeren Siedepunktes von Alkohol (78°C) im Vergleich zu Wasser (100°C). Die Geschmacksstoffe, die durch das Ausdampfen eigentlich verloren gehen, werden aufgefangen und in das Bier zurückgeführt, sodass diese Biere wie die alkoholhaltigen Biere schmecken.
  • Membranfiltration: dabei wird das Wasser und der Alkohol eines normal gebrauten Bieres mittels Membranfiltration entfernt. Zu den verbleibenden Aromastoffen wird anschließend Wasser zugefügt.

Sonstige interessante Fakten über das Bier!

  • Bier ist das meistkonsumierte alkoholische Getränk der Deutschen. Im Jahr 2021 lag der durchschnittliche Pro-Kopf-Verbrauch bei 92 Liter Bier. Die beliebtesten Biersorten im Handel waren: Pils mit 50%, Helles mit 9%, Alkoholfreies Bier mit 7%, danach kommen im Beliebtheitsranking Weizen-, Export-, Kölsch-, Dunkles-Bier…
  • Der Kaloriengehalt eines Vollbieres liegt bei etwa 40 kcal/100 mL und ist damit etwas niedriger als der Energiegehalt von Apfelsaft (46 kcal/100 mL) oder fettarmer Milch (48 kcal/100 mL). Alkoholfreies Bier hat einen weiter reduzierten Kaloriengehalt von 15-25 kcal/100 mL.
  • Das Robert-Koch-Institut bezeichnet risikoarmen Alkoholkonsum für Männer als 24 g Reinalkohol pro Tag. Das entspricht etwa 0,6 Liter Bier oder 0,25 Liter Wein. Für Frauen liegt die empfohlene tägliche Konsumgrenze bei der Hälfte, also 12 g Reinalkohol/ Tag.

Fazit

  • Der Prozess des Bierbrauens ist ein faszinierendes Zusammenspiel von biochemischen Prozessen kombiniert mit ausgeklügelter Verfahrenstechnik. Das tiefe Verständnis der einzelnen Prozessschritte ermöglicht die reproduzierbare Herstellung verschiedenster Biersorten hoher Qualität.
  • Bier wird aus lediglich vier Inhaltsstoffen hergestellt. Durch die Variation des Braumalzes, des Brauwassers, des Hopfens, des Hefestammes sowie über die Prozessführung (zB Temperaturgradienten) lässt sich eine nahezu unendlich große Zahl unterschiedlicher Biere brauen. Allein in Deutschland gibt es derzeit über 6000 alkoholische Biere und etwa 700 alkoholfreie Biere und Biermischgetränke!
  • Last not least: viele weitere interessante Details zur Bierherstellung sind hier beschrieben (>400 Folien; Vorlesungsreihe „Technologie der Bierherstellung" / Technische Universität Bergakademie Freiberg).

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Verantwortlicher: Klaus Rudolf; Kommentare und Fragen bitte an: rudolfklausblog@gmail.com 
Disclaimer: Auf Klaus Rudolfs Blog gebe ich meine persönlichen Meinungen und Erfahrungen weiter. Ich bin weder Arzt noch Finanzberater. Bitte informiere Dich breit und konsultiere bei Bedarf einen professionellen Experten in Gesundheitsfragen oder Finanzanlagen.

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