Kapitalbildende Lebensversicherung - sinnvolle Geldanlage oder Geldvernichtung? Blog#38
Ein Drittel des liquiden Vermögens der bundesdeutschen Haushalte steckt in kapitalbildenden Lebensversicherungen (KLVs)! In Deutschland gibt es 82,7 Millionen KLVs: statistisch hält also jeder der etwa 40 Millionen Haushalte mehr als 2 KLV Policen.
Was ist eine kapitalbildende Lebensversicherung (KLV)? Welche Renditen ließen sich mit KLVs in den vergangenen Jahrzehnten erzielen? Wie sinnvoll ist eine KLV für die langfristige Vermögensbildung? Was kann man als Besitzer einer KLV Police aktuell tun?
Was ist eine kapitalbildende Lebensversicherung (KLV)?
Die KLV kombiniert eine Risikolebensversicherung mit einem langfristig (typischerweise 20-35 Jahre) angelegten Sparvertrag. Diese eigentlich sinnlose, intransparente Kombination ermöglicht es dem Versicherungsvertreter und dem Versicherungsunternehmen hohe Abschluss- und laufende Kosten zu verstecken.
Es gibt die KLV in der klassischen Form und der fondsgebundenen Form. Bei der klassischen Variante legt das Versicherungsunternehmen die einbezahlten Prämien zum größten Teil in langfristige Staatsanleihen mit hoher Bonität an. In der fondsgebundenen Form wird das einbezahlte Geld in teure, dh aktiv gemanagte, Aktienfonds angelegt. In diesem Blog wird ausschließlich die klassische Form der KLV diskutiert.
Für die bis Ende 2004 abgeschlossenen KLVs spricht, dass bei Auszahlung keine Abgeltungssteuer anfällt - Policen die danach abgeschlossen wurden profitieren nicht von diesem Steuervorteil. Weiterhin wurden Anleger in früheren Jahrzehnten mit attraktiven “Garantiezinsen” geködert. So lag der Garantiezins 1986 bei 3,5%, 1995 bei 4% und sank danach stetig.
Für im Jahr 2022 abgeschlossene KLVs betrug der Garantiezins magere 0,25%.
Wichtig zu wissen: verzinst wird nur der Sparanteil und das ist der übrig gebliebene Anteil, nachdem vom gesamten Beitrag die Abschlussprovisionen sowie Kosten für Verwaltung und Todesfallleistungen abgezogen worden sind. In der Praxis liegt daher die reale Rendite der KLV häufig unter dem Garantiezins.
Gegen KLVs sprechen die geringen Renditen, das Gegenpartei-Risiko, deren Illiquidität, Inflexibilität und Intransparenz.
- Bereits in den ersten fünf Jahren nach Vertragsabschluss werden von den eingezahlten KLV Prämien substantielle Beträge vom Versicherungsunternehmen abgezogen, sodass der Gegenwartswert (Rückkaufswert) der KLV in den ersten Jahren niedriger ist als die Summe der einbezahlten Prämien. Die relativ hohen laufenden Kosten während der gesamten Laufzeit vermindern die Rendite auf ein unattraktives Niveau - die unten stehenden Beispielrechnungen belegen das eindrucksvoll.
- Ein großer Nachteil der KLV ist das Gegenparteirisiko. Sollte das Versicherungsunternehmen während der typischen Jahrzehnte-langen Laufzeit der KLV illiquide werden, ist es möglich, dass der Versicherungsnehmer drastische finanzielle Einbußen erleidet. Die vom Versicherungsnehmer einbezahlten Gelder bilden nämlich kein Sondervermögen, wie das zB bei Investmentfonds und ETFs der Fall ist!
Welche Renditen ließen sich mit KLVs in den vergangenen Jahrzehnten erzielen?
Bei der Bewertung von KLVs wird häufig darauf hingewiesen, dass insbesondere die vor 2005 abgeschlossenen Policen aufgrund der Steuerfreiheit und des relativ hohen Garantiezinses attraktiv sind.
Daher habe ich die Renditen von drei, in den 1990-er Jahren abgeschlossenen, also vergleichsweise attraktiven KLVs, mit den erzielten Renditen eines breit gestreuten Aktien-ETF-Sparplan (MSCI World) verglichen.
Tabelle 1: Vergleich von drei monatlich besparten KLVs mit der Anlage des gleich hohen monatlichen Beitrags in einen breit gestreuten Aktien-ETF-Sparplan (MSCI World). Nicht berücksichtigt: KLVs enthalten Todesfallschutz, der allerdings bei Bedarf separat über eine Risikolebensversicherung für <5€/Monat abgedeckt werden kann.
Die Renditen der drei KLVs liegen im Bereich von 1,2% bis 3,2% (nach Steuern). Die im gleichen Zeitraum erzielten Renditen mit einem Sparplan auf den MSCI-World, einem weltweit breit gestreuten Aktien-ETF, liegen bei 7,2% bis 7,4% (vor Steuern).
Das bedeutet konkret: wären die monatlichen Beiträge für die KLVs in einen MSCI-World ETF Sparplan geflossen, hätte man - nach Steuern - heute ein etwa doppelt so hohes Vermögen - 400.636€ vs. 205.339€!
Was kann man als Besitzer einer KLV Policen aktuell tun?
Die Renditen der KLV2 (Laufzeit bis 2034) und KLV3 (Laufzeit bis 2031) liegen bei 1,2 bzw. 1,5% und damit deutlich unter der aktuellen und mittelfristig prognostizierten Inflationsrate. Daher macht es wenig Sinn diese KLVs weiter zu besparen. Folgende Optionen bieten sich an:
- die KLVs kündigen - man erhält den Rückkaufswert, ohne die Schlussüberschussbeteiligung
- die KLVs verkaufen - spezialisierte Anbieter kaufen KLVs und bezahlen im Normalfall zwei bis fünf Prozent mehr, als man bei einer Kündigung vom Versicherungsunternehmen bekommen würde
- die KLVs rückabwickeln - wurde die KLV zwischen Mitte 1994 und Ende 2007 abgeschlossen, kann eine Rückabwicklung wegen „mangelhafter Widerspruchsbelehrung“ möglich sein. Der Versicherungsnehmer erhält die eingezahlten Beträge mit Zinsen abzüglich sogenannter Risikoanteile zurück. Spezialisierte Kanzleien prüfen kostenlos ob die KLV die Kriterien für eine erfolgversprechende Rückabwicklung erfüllt.
Die daraus resultierenden Geldmittel sollten anschließend in höher rentierliche Anlagen investiert werden.
Fazit
- Kapitalbildende Lebensversicherungen (KLVs) kombinieren eine Risikolebensversicherung mit einem langfristig angelegten Sparvertrag zur Vermögensbildung.
- Der Vermögensaufbau sollte strikt von Versicherungsleistungen getrennt werden. Falls gewünscht kann eine kostengünsitige Risiko-Lebensversicherung separat abgeschlossen werden.
- KLVs sind wegen der hohen „versteckten“ Kosten, des Gegenparteirisikos sowie der Illiquidität, Inflexibilität und Intransparenz unattraktiv für die langfristige Vermögensbildung.
- Die vor 2005 abgeschlossenen KLV-Verträge sind deutlich attraktiver als die späteren Verträge (höherer Garantiezins, keine Abgeltungssteuer). Trotzdem liegen die Renditen dieser Verträge deutlich unter der Inflationsrate. Daher sollte man kritisch prüfen ob es Sinn macht “alte” KLV-Verträge zu kündigen bzw. zu verkaufen.
- Der Abschluss neuer KLV-Verträge macht bei einem Garantiezins von derzeit 0,25% definitiv keinen Sinn. Die inflationsbereinigte Rendite dieser Verträge ist stark negativ - faktisch eine Geldvernichtung!
- Für den langfristigen (>15 Jahren) Vermögensaufbau sind regelmäßige, monatliche Zahlungen zB in einen breit gestreuten, kostengünstigen Aktien-ETF-Sparplan attraktiv: eine transparente, liquide Anlageform ohne Gegenparteirisiko, mit niedrigen laufenden Kosten und einer attraktiven Rendite.
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Verantwortlicher: Klaus Rudolf; Kommentare und Fragen bitte an: rudolfklausblog@gmail.com
Disclaimer: Auf Klaus Rudolfs Blog gebe ich meine persönlichen Meinungen und Erfahrungen weiter. Ich bin weder Arzt noch Finanzberater. Bitte informiere Dich breit und konsultiere bei Bedarf einen professionellen Experten in Gesundheitsfragen oder Finanzanlagen.