Klimaneutrale E-Fuels - echte Alternative zu Benzin und Diesel? Blog#36

Allein in Deutschland gibt es ca. 48,2 Millionen zugelassene Personenkraftwagen (Pkw). Die Anzahl an zugelassenen Elektroautos betrug im April 2022 rund 0,69 Millionen. Das bedeutet: etwa 98,5% der Pkw‘s in Deutschland sind weiterhin mit Verbrennungsmotoren unterwegs.

Wie unterscheiden sich die klimaschädlichen, fossilen Kraftstoffe Benzin bzw. Diesel von klimaneutralen E-Fuels? Werden E-Fuels in naher Zukunft helfen die Klimaziele zu erreichen?

Fossile Kraftstoffe: Benzin und Diesel - Herstellung

Benzin und Diesel werden aus Erdöl gewonnen. Das Rohöl ist für die Nutzung als Kraftstoff ungeeignet und muss über zahlreiche Verarbeitungsschritte zum Benzin- und Diesel-Kraftstoff „veredelt“ werden:
  • Zunächst wird das im Rohöl enthaltene Wasser und Salz zB durch Zusatz von Demulgatoren, abgetrennt
  • Im nächsten Schritt wird das gereinigte, entsalzte Erdöl fraktioniert destilliert, dh das Stoffgemisch wird aufgrund der unterschiedlichen Siedetemperaturen der enthaltenen Stoffe aufgetrennt. Wobei eine Fraktion kein Reinstoff ist, sondern eine Gruppe von Stoffen mit ähnlicher Siedetemperatur. 
  • Die als Benzinkraftstoff nutzbare Fraktion hat eine Siedetemperatur von 30 - ca. 200 C und enthält Alkane, Alkene, Cycloalkane und aromatische Kohlenwasserstoffe mit 5 bis 11 Kohlenstoff-Atomen pro Molekül. Die als Diesel nutzbare Fraktion hat eine höhere Siedetemperatur von 170 - 370 C und enthält höhermolekulare Kohlenwasserstoffe.
  • Diese Rohfraktionen werden im nächsten Schritt von störenden Sauerstoff-, Schwefel und Stickstoffverbindungen durch Hydrierungsreaktionen gereinigt. Danach werden die höhermolekularen Kohlenwasserstoffe dieser Fraktionen zu kleineren umgewandelt, was „Cracken“ genannt wird.
  • Nach erfolgtem „Cracken“ muss zur Sicherung gleichbleibender Eigenschaften aus verschiedenen Fraktionen gemischt werden und zur Erhöhung der Oktanzahl bei Benzin das Reformieren durchgeführt werden (Isomerisierung von Alkanen).
Bei der Verbrennung von Benzin und Diesel reagieren die Kohlenwasserstoffe mit dem in der Luft enthaltenen Sauerstoff und Freisetzung von Energie, Kohlendioxid und Wasser. Ein Liter Benzin produziert etwa 2,37 Kilogramm CO2, ein Liter Diesel ca. 2,65 Kilogramm CO2.

Synthetische Kraftstoffe: E-Fuels

E-Fuels sind synthetische Kraftstoffe , die mittels Strom aus Wasser und Kohlendioxid hergestellt werden. Die Prozess wird als Power-to-Liquid (PtL) bezeichnet. Grundsätzlich können E-Fuels klimafreundliche Alternativen zu fossilen Brennstoffen darstellen; werden E-Fuels mit Hilfe von Strom aus erneuerbaren Energien, Wasser und CO2 aus der Luft produziert, setzen sie im Gegensatz zu herkömmlichen Kraft- und Brennstoffen bei der Verbrennung zwar CO2 frei, aber nur so viel, wie sie zuvor bei ihrer Erzeugung gebunden haben. In der Gesamtbilanz gelten sie daher als klimaneutral.

Für die E-Fuels Herstellung braucht man regenerativen Strom, am besten überschüssigen Wind- oder Solarstrom, den das Netz nicht aufnehmen kann. Damit wird hochreines Wasser per Elektrolyse in Sauerstoff und Wasserstoff gespalten – das ergibt als ersten Grundstoff - grünen Wasserstoff. Im zweiten Arbeitsschritt wird dieser Wasserstoff mit Kohlendioxid „verbunden“, das zum Beispiel als Abfallprodukt aus anderen industriellen Prozessen abfällt oder aus der Umgebungsluft extrahiert wird. Großtechnisch gut funktionierende Prozesse zur Herstellung von Kohlenwasserstoffen aus Wasserstoff und Kohlenmonoxid bzw. Kohlendioxid, zB das Fischer-Tropsch-Verfahren, sind in der chemischen Industrie seit etwa 100 Jahren etabliert. Mögliche Endprodukte sind synthetischer Diesel, synthetisches Benzin und synthetisches Kerosin. Diese synthetisch hergestellten Kraftstoffe unterscheiden sich hinsichtlich ihrer chemischer Zusammensetzung und Eigenschaften praktisch nicht von den fossilen Kraftstoffen.

Aufgrund der zahlreichen einzelnen Schritte fallen bei der Herstellung von E-Fuels allerdings hohe Wirkungsverluste an. Von der im Prozess eingesetzten Energie bleiben in der "Well-to-Wheel"  Betrachtung - dh unter Berücksichtigung der gesamten Wirkungskette - am Ende nur 10 bis 15 Prozent übrig. Zum Vergleich: im Elektroauto kommen 70 bis 80 Prozent der Ausgangs-Energie am Rad an. Die Menge an Strom, mit der E-Fuels für 100 Kilometer Reichweite hergestellt werden, würde ein batterieelektrisches Auto 700 Kilometer weit fahren lassen.

Deshalb stellt sich natürlich die Frage nach der Sinnhaftigkeit, die wohl nur beim Einsatz von zusätzlich erzeugtem regenerativen Strom positiv zu beantworten ist.

Technisch spannend ist der Bau der Großanlage „Haru Oni“ zur Herstellung von Wasserstoff, beziehungsweise eines strombasierten Energieträgers (PtL) als Folgeprodukt. Ein internationales Konsortium um Siemens Energy, Porsche, dem italienischen Energiekonzern Enel und der chilenischen ENAP treiben dieses ehrgeizige Projekt zur Herstellung von E-Fuels voran. Die Anlage befindet sich im Süden von Chile, dem weltweit besten Platz für die Gewinnung von Windenergie - hier kann dreimal mehr Strom geerntet werden als im deutschen Binnenland.

In der Pilotphase sollen im Jahr 2022 etwa 130.000 Liter Flüssigkraftstoff erzeugt werden. In zwei Schritten soll die Kapazität dann bis 2024 auf rund 55 Millionen Liter und bis 2026 auf rund 550 Millionen Liter Flüssigkraftstoff pro Jahr gesteigert werden.

550 Millionen Liter E-Fuel klingt zunächst beeindruckend. Bedenkt man aber, dass allein in Deutschland pro Jahr 64.1 Milliarden Liter fossile Kraftstoffe im Straßenverkehr verbraucht werden, entspricht das (etwas) weniger als 1%.

Was spricht nun für und was gegen den breiten Einsatz von E-Fuels?
Für E-Fuels spricht deren hohe Energiedichte von ca. 12 kWh/kg (z.Vgl. Lithium-Ionen Akkus liegen unter 0,2 kWh/kg), dass sie für Bestandsfahrzeuge geeignet, aus grünem Strom herstellbar und weitgehend CO2-neutral sind. 
Gegen E-Fuels spricht die Tatsache, dass für die Herstellung große Mengen an Strom aus regenerativen Quellen benötigt werden, die kurzfristig nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung stehen. Zudem sind die Wirkungsverluste bei der Herstellung von E-Fuels sehr hoch!
Nach meiner Einschätzung wird es, in den kommenden 5-10 Jahren, nicht gelingen einen größeren Anteil der fossilen Kraftstoffe durch klimaneutrale E-Fuels zu ersetzen.

Fazit

  • E-Fuels sind klimaneutrale synthetische Kraftstoffe mit vergleichbarer chemischer Zusammensetzung wie die aus dem Rohöl gewonnen fossilen Kraftstoffe.
  • E-Fuels können sinnvoll für Anwendungen eingesetzt werden, bei denen es nur begrenztes Potential für die direkte Elektrifizierung gibt, zB für Langstrecken-Flugverkehr oder in der Schifffahrt.
  • Ein breiter Einsatz von E-Fuels für den Betrieb von PKW Verbrennungsmotoren scheitert an dem erforderlichen extrem hohen Einsatz grüner Energie und der damit verknüpften geringen Verfügbarkeit und des hohen Preises. Die Vorstellung mit E-Fuels substantiell zur Erreichung der Klimaziele beitragen zu können, ist bis auf Weiteres illusorisch.

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Verantwortlicher: Klaus Rudolf; Kommentare und Fragen bitte an: rudolfklausblog@gmail.com 
Disclaimer: Auf Klaus Rudolfs Blog gebe ich meine persönlichen Meinungen und Erfahrungen weiter. Ich bin weder Arzt noch Finanzberater. Bitte informiere Dich breit und konsultiere bei Bedarf einen professionellen Experten in Gesundheitsfragen oder Finanzanlagen.

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