Süßstoffe: gesunder Zuckerersatz? Blog#44

Süßstoffe enthalten keine Kalorien, sind deutlich süßer als Zucker und werden häufig als gesunder Zuckerersatz beworben.

Wieviel Zucker ist ungesund? Warum ist Zucker süß und welche Süßstoffe sind in der EU zugelassen? Wie gesund sind Süßstoffe und kann man mit Süßstoffen abnehmen?


Wieviel Zucker ist ungesund?

Saccharose, umgangssprachlich Haushaltszucker oder einfach Zucker genannt, ist ein Zweifachzucker (Disaccharid), das aus je einem Molekül alpha-D-Glucose und beta-D-Fructose besteht (siehe Abb. 1). Saccharose hat eine hohe Energiedichte, ist im Übermaß genossen ungesund und förderlich für Übergewicht, Diabetes-Typ-2 und Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Um das Risiko einer ungesunden Gewichtszunahme, und Karies, zu verringern, empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Aufnahme an freiem Zucker in sämtlichen Lebensphasen auf unter 10 Energieprozent zu reduzieren. Unter „freie Zucker“ werden hier alle Zuckerarten verstanden, die Speisen und Getränken beigefügt werden. Aber auch jener Zucker, der natürlich in Honig, Sirup, Fruchtsaftkonzentraten und Fruchtsäften vorkommt.

Für einen durchschnittlichen Erwachsenen (bei einer Kalorienzufuhr von 2.000 kcal pro Tag) entsprechen 10 Energieprozent nicht mehr als 50 Gramm Zucker pro Tag, was etwa 14 Stück Würfelzucker entspricht.

Wichtig zu wissen: viele Lebensmitteln enthalten große Mengen an Zucker zur Verbesserung der Konsistenz, als Konservierungsmittel oder als Geschmacksverstärker. So enthält zB ein Glas (250 mL) Apfelsaft 25 g fruchteigenen Zucker, 100 g gezuckerte Cornflakes 37 g Zucker, ein Fruchtjoghurtbecher (200 g) 26 g Zucker und 200 g Rotkohl aus dem Glas 22 g Zucker!

Das bedeutet: ein Glas Apfelsaft und ein Fruchtjoghurt enthalten knapp über 50 Gramm Zucker und damit ist der WHO-Richtwert für die tägliche Aufnahme von Zucker bereits überschritten!

Warum ist Zucker süß und welche Süßstoffe sind in der EU zugelassen?

Warum ist Zucker süß? Die Süße ist keine Eigenschaft des Zuckers, sondern eine Geschmacksempfindung, die in unserem Gehirn entsteht, nachdem der Zucker auf unserer Zunge an „Süßrezeptoren“ bindet und aktiviert. Ohne diese Rezeptoren und ihre neuronale Verknüpfung mit entsprechenden Geschmackszentren in unserem Gehirn gäbe es keine Süße!

Die für das Empfinden “süß” verantwortlichen Rezeptoren sind bekannt: es handelt sich um einen komplexen Proteinrezeptor - genauer gesagt einem Heterodimer zweier G-Protein gekoppelter Rezeptoren (T1R1 und T1R3). Alle süß schmeckenden chemischen Verbindungen, wie zB Zucker, Süßstoffe oder Zuckeraustauschstoffe binden und aktivieren diesen Rezeptor.

Die zugelassenen Süßstoffe aktivieren den Süßrezeptoren viel stärker als der Haushaltszucker und besitzen dadurch eine viel höhere Süßkraft! Der in der EU zugelassene Süßstoff Advantam, ein enger Verwandter von Aspartam, besitzt zB eine 28.000-höhere Süßkraft als Haushaltszucker!

Süßstoffe sollen Zucker ersetzen. Da sie im Körper nicht verstoffwechselt werden, haben Süßstoffe keine Kalorien. Süßstoffe werden nicht nur Diabetikern als Zuckerersatz empfohlen, sondern man ging davon aus, dass Süßstoffe das Risiko für Übergewicht oder Diabetes-Typ-2 verringern.  

In der EU sind derzeit elf Süßstoffe zugelassen - die chemischen Strukturen und sonstige Eigenschaften dieser Verbindungen sind in Abbildung 1 und Tabelle 1 zusammengefasst.

Abb.1: Chemische Strukturen der zugelassenen Süßstoffe. Aspartam-Acesulfam-Salz, ein Salz aus den beiden Süßstoffen Aspartam und Acesulfam ist nicht aufgeführt.

Tab. 1: EU zugelassene Süßstoffe mit Molekulargewicht, relativer Süßkraft und erlaubter Tagesdosis (ADI = accepted daily intake)

Basierend auf den chemischen Strukturen kann man die Süßstoffe in drei Klassen einteilen:
  • Niedermolekulare organische Verbindungen: Saccharin, Acesulfam und Cyclamat besitzen ein Molekulargewicht unter 202 g/mol und 40-400 fache Süßkraft relativ zu Haushaltszucker (Saccharose).
  • Dipeptidische Verbindungen: Aspartam, Neotam und Advantam sind modifizierte Dipeptide, bestehen aus den beiden Aminosäuren Phenylalanin und Glutaminsäure und besitzen 200 - 28.000 höhere Süßkraft als Saccharose.
  • Strukturell komplexe, von natürlichen Stoffen abgeleitete, Verbindungen: Sucralose (Trichlorsaccharose), Neohesperidin-Dihydrochalkon, Steviosid und Thaumatin mit 250 - 2500 höherer Süßkraft als Saccharose.

Wie gesund sind Süßstoffe und kann man mit Süßstoffen abnehmen?

Vereinzelt wurde in Pressemitteilungen berichtet, dass Süßstoffe, zB Aspartam, Krebs auslösen könnten. Diese Meldungen sind falsch und basieren auf isolierten präklinischen Daten, die nicht auf die humane Situation übertragbar sind.

Die naheliegende Erwartung, dass der Wechsel vom hochkalorischen Zucker auf kalorienfreie Süßstoffe zu Gewichtsabnahme - und weniger Diabetes-Typ-2 führt - konnte überraschenderweise nicht belegt werden. Ganz im Gegenteil: es gibt mehrere Beobachtungsstudien, die zeigen, dass Menschen die Süßstoff zu sich nehmen häufiger unter Übergewicht oder Diabetes-Typ-2 leiden!

Beobachtungsstudien zeigen allerdings immer nur Korrelationen auf, beweisen keine Kausalität! Sind die Patienten nun übergewichtig und greifen daher zu Süßstoffen oder verursacht die Süßstoffaufnahme das Übergewicht?

Wie könnte sich erklären lassen, dass der Wechsel vom Haushaltszucker zu den kalorienfreien Süßstoffen nicht zu der erwarteten Gewichtsreduktion führt? Eine mögliche Erklärung ist, dass Süßstoffe nicht, wie ursprünglich angenommen, im menschlichen Körper inert („unbeteiligt/ unreaktiv“)  sind, sondern Körperfunktionen beeinflussen. Tatsächlich gibt es eine Reihe von Forschungsergebnissen die in diese Richtung weisen: 
  • Nach der Aufnahme von Süßstoffen in den Darm wird der Botenstoff "glucaogon-like-peptide-1" (GLP1) in vermindertem Ausmaß ausgeschüttet. Da GLP1 die Insulinausschüttung aus der Bauchspeicheldrüse stimuliert und den Appetit reduziert, führen Süßstoffe zu einer reduzierten Insulinausschüttung und einer Erhöhung des Appetits.
  • Die gleichzeitige Einnahme von Süßstoff und Zucker führt zu verminderter Insulinsensibilität, dh zu einem verschlechterten Zuckerstoffwechsel.
  • Der Konsum von Süßstoffen wie Aspartam, Saccharin oder Sucralose führt zu einer Veränderung der Darmflora in Mäusen und Menschen. Diese Veränderung des Mikrobioms führt in Mäusen zu einer Störung des Zuckerstoffwechsels. Wie sich die Veränderung des Mikrobioms in Menschen langfristig auswirkt ist ungeklärt.

Fazit

  • Zu hoher Zuckerkonsum ist ungesund. Um den Zuckerkonsum zu reduzieren sollte man auf Limonade, Fruchtsäfte und andere stark zuckerhaltige Lebensmittel verzichten, den Zuckergehalt von Nahrungsmitteln vor dem Verzehr kennen und insbesondere auf hochverarbeitete Fertigprodukte verzichten.
  • Elf Süßstoffe wurden von der European Food Safety Authority (efsa) zugelassen.
  • Diese Süßstoffe sind nach derzeitigem Kenntnisstand, in Maßen genossen, gesundheitlich unbedenklich und insbesondere für Diabetiker empfehlenswert, da sie den Blutzuckerspiegel nicht beeinflussen.
  • Der Ersatz von Zucker durch die kalorienfreien Süßstoffe führt allerdings nicht, wie erwartet, zu einem signifikanten Gewichtsverlust. Süßstoffe sind nicht inert sondern beeinflussen den Zuckerstoffwechsel und die Darmflora des Menschen.
  • Süßstoffe sind für Diabetiker als Zuckerersatz geeignet. Wer kein Diabetiker ist, sollte besser zu Zucker statt Süßstoff greifen. Und um abzunehmen, Süßes einfach reduzieren oder ganz weglassen!
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Verantwortlicher: Klaus Rudolf; Kommentare und Fragen bitte an: rudolfklausblog@gmail.com 
Disclaimer: Auf Klaus Rudolfs Blog gebe ich meine persönlichen Meinungen und Erfahrungen weiter. Ich bin weder Arzt noch Finanzberater. Bitte informiere Dich breit und konsultiere bei Bedarf einen professionellen Experten in Gesundheitsfragen oder Finanzanlagen.

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