Deutschlands Energiewende: Ziele, Status und Herausforderungen! Blog#49


Die Energiewende in Deutschland ist ein ambitioniertes Projekt, dessen Ziel es ist, den Anteil erneuerbarer Energien an der Stromversorgung des Landes zu erhöhen und die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu reduzieren. Bis 2030 soll der Treibhausgas-Ausstoß um 65 Prozent gegenüber 1990 verringert werden, bis 2045 soll Deutschland treibhausgasneutral sein und ab 2050 sollen negative Emissionen erreicht werden, dh Deutschland wird mehr Treibhausgase einbinden, als es ausstößt.

Was sind Treibhausgase und wieviel davon produziert Deutschland? Wo stehen wir heute? Welche Voraussetzungen müssen erfüllt werden um die gesteckten Ziele zu erreichen? Was sind die Chancen und Herausforderungen dieses Projektes?

Was sind Treibhausgase und wieviel davon produziert Deutschland?

Der Treibhauseffekt entsteht durch Treibhausgase, die in der Atmosphäre vorhanden sind und die Wärmestrahlung der Erde absorbieren und reflektieren. Dies führt dazu, dass die Wärme in der Atmosphäre gefangen bleibt und die Durchschnittstemperatur der Erde erhöht wird. 

Die wichtigsten Treibhausgase sind Kohlendioxid (CO2), Methan (CH4), Lachgas (N2O) und Fluorkohlenwasserstoffe (HFCs), sowie Stickoxide (NOx).

Die Hauptquellen von Treibhausgasemissionen sind die Verbrennung von fossilen Brennstoffen wie Kohle, Öl und Gas zur Erzeugung von Energie und die Landnutzungsänderungen, wie zum Beispiel Abholzung und Entwaldung.

Es ist wichtig zu wissen, dass der Treibhauseffekt natürlicherweise vorkommt und ohne ihn die Erde für das Leben zu kalt wäre. Der menschgemachte Treibhauseffekt entsteht jedoch durch die erhöhte Emission von Treibhausgasen in die Atmosphäre, was zu einer unnatürlichen Erhöhung der globalen Temperaturen führt.

In Deutschland entfallen 87,1 Prozent der Freisetzung von Treibhausgasen auf Kohlendioxid, 6,5 Prozent auf Methan, 4,6 Prozent auf Lachgas und rund 1,7 Prozent auf die Fluorkohlenwasserstoffe (im Jahr 2020).

Etwa 1,8 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen stammen aus Deutschland. 
China und an zweiter Stelle die USA sind die Hauptproduzenten von klimaschädlichem CO2 (siehe Abb. 1).


Abb. 1: CO2-Emissionen: Größte Länder nach Anteil am weltweiten CO2-Ausstoß im Jahr 2021.


Pro Kopf ausgedrückt bedeutet das: CO2-Emissionen von 8,9 Tonnen CO2 pro Kopf für Deutschland, in Frankreich und Costa Rica sind die Emissionen mit 6,2 Tonnen bzw 4,8 Tonnen CO2 pro Kopf geringer, in den USA mit 16,5 Tonnen höher. In China stiegen die CO2-Emissionen von 4,2 Tonnen im Jahr 2000 auf 6,5 Tonnen pro Kopf im Jahr 2019.

Wo stehen wir heute?

Durch den Ausbau von Windkraftanlagen und Photovoltaikanlagen produzieren wir in Deutschland schon heute an guten Tagen unseren gesamtem Strombedarf aus Wind- und Sonnenenergie. Und zwar so viel, dass wir zusätzlich sogar Kapazitäten ins Ausland exportieren können.

Wichtig zu verstehen: 

  • der Stromverbrauch repräsentiert nur einen kleinen Teil des gesamten Energieverbrauchs in Deutschland,
  • etwa 75% der Energie in 2021 stammte aus den fossilen, klimaschädlichen Energieträgern Öl, Gas und Kohle. Der Anteil der klimaneutralen Kernenergie betrug 6 %,
  • der Anteil klimaneutraler, erneuerbarer Energien am gesamten Endenergiebedarf lag im Jahr 2020 gerade einmal bei etwa 19 Prozent. 
Hier für Interessierte eine aktuelle Übersicht zum Endenergieverbrauch 2021 in Deutschland nach Sektoren und Energieträgern.

Um das ambitionierte Energiewende Projekt erfolgreich zu gestalten, müssen wir in Deutschland den Anteil erneuerbarer Energien am gesamten Endenergieverbrauch von 19 Prozent im Jahr 2020 auf 100 Prozent steigern und das in weniger als 25 Jahren!

Der maßgebliche Anteil dieser zukünftigen erneuerbaren Energien soll nach den derzeitigen Plänen durch den Ausbau von Windkraft- und Photovoltaikanlagen bereitgestellt werden. Insbesondere die Windenergie muss stark ausgebaut werden, da wir mit der Photovoltaik allein nicht über den Winter kommen werden. 

Energiespeicher: die Herausforderung der Energiewende! Ohne ausreichende Speicher keine Klimaneutralität!

Für eine funktionierende Industrienation ist es nicht nur wichtig, dass genug Strom produziert wird, der Strom muss auch hundertprozentig verlässlich produziert werden. Erneuerbare Energien wie Solarenergie und Windenergie sind von natürlichen Witterungsbedingungen abhängig und die Stromerzeugung variiert daher stark.

Wenn unsere regenerativen Energien nur an einem Tag im Jahr nicht genug Strom liefern können, bringt es herzlich wenig, wenn an den anderen 364 Tagen Überproduktionen geliefert werden. Im Fachjargon nennt man das Grundlastfähigkeit.

Grundlastfähige Kern-, Gas- und Kohlekraftwerke produzieren den Strom dann, wenn er benötigt wird. Sie liefern Strom unabhängig von der Tageszeit, vom Wetter.

Wind- und Sonnenenergie dagegen sind nicht grundlastfähig.

Dazu ein Beispiel: 

  • am 16. November 2021 lieferten deutsche Wind- und Solaranlagen lediglich 0,036 TWh Strom, das entspricht 3,2 Prozent des täglichen Stromverbrauches in unserem Land. Nimmt man die Stromerzeugung durch grüne Wasserkraft und Biomasse noch mit dazu, kam man an diesem Tag auf 13,2 Prozent (hier).

Das bedeutet: um eine zuverlässige Stromversorgung sicherzustellen und einen Blackout zu verhindern, müssen große Mengen an Energie gespeichert werden können, um sie bei Bedarf bereitstellen zu können. 

Das ist derzeit aber nicht der Fall! 

Die bisher einzige Form, Strom in wirklich großen Mengen zu speichern, stellen in Deutschland die Pumpspeicherkraftwerke dar. Deutschland verfügt über 36 Pumpspeicherkraftwerke, die zusammen 0,04 TWh speichern können. Hätten wir in Deutschland lediglich Wind- und Sonnenenergie zur Verfügung, so würde bereits eine vierzigminütige Dunkelflaute ausreichen, um sämtliche Pumpspeicherkraftwerke der Republik zu leeren.

Solange wir also die Stromversorgung aus nicht steuerbaren wetter- und tageszeitabhängigen Quellen beziehen, brauchen wir ein fast hundertprozentiges Back-up aus konventionellen Kraftwerken. In Deutschland also klimaschädliche Gas- und Kohlekraftwerke.

Bis die zuverlässige Energiegewinnung aus erneuerbaren Energien in Deutschland garantiert ist, sollte nach Einschätzung vieler Experten, grundlastfähige Atomenergie weiter genutzt werden. Atomenergie ist auch nach Ansicht des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), oft auch als Weltklimarat bezeichnet, klimaschonend, nachhaltig und sicher. Daher setzen viele, auch europäische, Länder langfristig auf Atomkraft. In Deutschland wurde politisch anders entschieden und daher wird die Atomenergie in Deutschland, bis auf Weiteres, keine Rolle spielen.

Welche Speicher brauchen wir für die Energiewende?

Es gibt vielfältige Energie-Speicher-Technologien. Wer sich detailliert damit beschäftigen möchte findet in den am Ende dieses Blogs genannten Büchern und Vorträgen weitere Informationen. Hier sollen nur drei dieser Möglichkeiten kurz vorgestellt werden.

Pumpspeicherkraftwerke sind extrem effiziente Energiespeicher. Diese Methode nutzt überschüssige Energie, um Wasser in ein höhergelegenes Becken zu pumpen. Wenn Energie benötigt wird, wird das Wasser dann durch eine Turbine geleitet, um Strom zu erzeugen. Die Ausbaumöglichkeiten sind in Deutschland aufgrund geographischer Gegebenheiten aber sehr begrenzt und daher können Pumpspeicherkraftwerke nur sehr gering zur Versorgungssicherheit in Deutschland beitragen. 

Für den Kurzzeitbereich eignen sich effiziente Batterien, die beispielsweise eine Nacht überbrücken können. Private Solar-Batteriespeichersysteme wurden in den letzten Jahren vor allem in Einfamilienhäusern in großer Zahl realisiert. Solche Speicher müssen weiterhin ausgebaut werden. 

Die nach heutigem Kenntnisstand wichtigste Speichertechnologie ist die sogenannte Power-to-Gas Technologie, die die Speicherung überschüssiger Wind- oder Solarenergie über Wochen oder gar Monate ermöglicht. Hierbei wird aus dem überschüssigen Wind- oder Solarstrom zunächst Wasserstoff erzeugt, der entweder direkt gespeichert wird oder aber in Folgeprodukte, zB in Methangas umgewandelt wird. Methan wird dann im bereits existierenden Gasnetz gespeichert und es Bedarf wieder in Gaskraftwerken verstromt. 

Diese Power-to-Gas Technologie kann mittel- und langfristig die Lösung des Speicherproblems sein. Leider ist dieses Verfahren aufgrund der komplizierten elektrochemischen Umwandlungskette bislang noch ineffizient und es existieren chemische Grundprinzipen, die eine Effizienzsteigerung des Power-to-Gas Prozesses limitieren. 

Fazit

  • Deutschlands Energiewende ist eine große Herausforderung, die nur durch eine umfassende und vernetzte Herangehensweise erfolgreich gemeistert werden kann. Es erfordert die Zusammenarbeit von Regierung, Industrie und Gesellschaft sowie die Erforschung und Anpassung von Technologien.
  • Um die ambitionierten Klimaziele in 2045 zu erreichen, muss in Deutschland die Produktion von Ökostrom um den Faktor 5-7 gesteigert werden. Dazu bedarf es einer Investition von >>1.000 Milliarden Euro in neue Ökostromnetze und Ladestationen und - ganz wichtig - in Speicherkapazitäten.
  • Um eine verlässliche Energieversorgung in Deutschland zu ermöglichen, müssen Energiespeicher - insbesondere Batteriespeicher und Power-to-Gas Technologien mit höchster Priorität ausgebaut werden. 
  • Bis dahin muss in Deutschland die grundlastfähige Energie in Form von klimaschädlichem Kohle- oder Gasstrom in ausreichendem Maß bereitgestellt werden.
  • Last not least: ein Großteil der für die Umsetzung der Energiewende absolut notwendigen Rohstoffe (zB Lithium, seltene Erden) beziehen wir aus politisch unsicheren Drittstaaten, 80% der im Jahr 2020 in Deutschland verbauten Solarmodule stammen aus China und das notwendige (Fracking) Gas beziehen wir ebenfalls aus Drittstaaten. Wir müssen daher ernsthaft diskutieren, was wir kurz- und mittelfristig in Deutschland tun können um diese Abhängigkeiten zu verringern.
Wer sich vertieft mit dem Thema Energiewende in Deutschland beschäftigen möchte, dem kann ich folgende Bücher / YouTube Vorträge empfehlen: 
  • Vincent Ebert: Lichtblick statt Blackout: Warum wir beim Weltverbessern neu denken müssen (link). Ein Buch mit kritischer Sicht auf die Energiewende.
  • Volker und Cornelia Quaschning: Energierevolution jetzt!: Mobilität, Wohnen, grüner Strom und Wasserstoff: Was führt uns aus der Klimakrise – und was nicht? (link). Ein Buch mit optimistischer Sicht auf die Energiewende.
  • Volker Quaschning: "Klimakrise - Warum wir JETZT eine Energierevolution brauchen" - ein einstündiger Vortrag als YouTube Video - optimistische Sicht auf die Energiewende.
  • Jörg Sundermeyer: "Welche Energiespeicher brauchen wir für die Energiewende?" - ein dreistündiger Vortrag als YouTube Video - eher kritische Sicht auf die Energiewende.
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Verantwortlicher: Klaus Rudolf; Kommentare und Fragen bitte an: rudolfklausblog@gmail.com 
Disclaimer: Auf Klaus Rudolfs Blog gebe ich meine persönlichen Meinungen und Erfahrungen weiter. Ich bin weder Arzt noch Finanzberater. Bitte informiere Dich breit und konsultiere bei Bedarf einen professionellen Experten in Gesundheitsfragen oder Finanzanlagen.

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