Warum Market Timing an der Börse nicht funktioniert! Blog#50


Beim Market Timing geht es darum, den richtigen Zeitpunkt für den Kauf oder Verkauf von Aktien zu finden. Die Idee ist, Aktien zu kaufen, wenn die Kurse niedrig sind, und sie zu verkaufen, wenn der Kurs einen zwischenzeitlichen Höchststand erreicht hat (siehe Abb. 1).
Abb.1. Diagramm für perfektes Market Timing - eine Wunschvorstellung!

Notwendige Voraussetzung für den Erfolg dieser Strategie ist die Fähigkeit, die Richtung der Aktienkursentwicklung korrekt einzuschätzen, also Richtungsänderungen des Marktes vorhersagen zu können.

Die Idee klingt gut, aber in der Praxis scheitert sie regelmäßig!

Warum funktioniert Market-Timing in der Praxis nicht?

Eine zwingende Voraussetzung für das Funktionieren der Market-Timing-Strategie ist die korrekte Vorhersage der Kursbewegungen an der Börse. Aber in Wirklichkeit sind die Kursentwicklungen („tägliche Renditen“) an der Börse völlig zufällig (siehe Abb. 2). 

Abb. 2. DAX-Renditen von Januar 1988 bis April 2006. Die Abfolge der täglichen Renditen ist völlig zufällig. Übernommen aus eBook von Martin Weber, Abb. 2.3 (hier).

Eine Rendite heute lässt keine Schlüsse über die Rendite von morgen zu - die nächste Rendite wird völlig zufällig, quasi per Münzwurf mit gleicher Wahrscheinlichkeit gezogen. Der zugrundeliegende Grund: Aktienkurse werden durch Ereignisse beeinflusst, die nicht vorhersagbar sind. Nichts und niemand kann die Entwicklung der Märkte prognostizieren. Alles kann passieren - auch das Gegenteil!

Aber es wird noch kniffliger! Mehrere Studien belegen übereinstimmend, dass nur einige wenige Tage („beste Tage“) des Börsenjahres die Gesamtrendite bestimmen. Als "beste Tage" wird der einzelne Tage bezeichnet, an dem der Aktienkurs unabhängig vom Ausgangszustand den höchsten prozentualen Sprung gemacht hat.

Analysiert man beispielsweise den DAX, das deutsche Börsenbarometer, im Zeitraum 1988 bis Dezember 2020 - also über einen 33-Jahreszeitraum - ergibt sich folgendes wichtiges und nicht-intuitives Ergebnis:
  • verpasst der Anleger während dieser 33 Jahre lediglich 10 „beste Tage" dann sinkt die Gesamtrendite von ursprünglich 8,45% p.a.  auf 5,70% p.a. 
  • verpasst der Anleger die 20 „besten“ Tage erzielt er lediglich 3,71% jährliche Rendite!
Das bedeutet: nur einige wenige Tage in einen Zeitraum von 33 Jahren sind für die Anlagerendite entscheidend! Und jedes Mal, wenn man den Markt verlässt, läuft man Gefahr, genau diese Tage zu verpassen!
Wann diese „beste Tage“ sind, kann aber leider niemand vorhersagen. So war zB der DAX am 12.03.2020 aufgrund der Coronakrise um 12,24% eingebrochen, nur 12 Tage später am 24.03.2020 gab es aber tatsächlich einen dieser 10 „besten Tage“ mit einem Tagesplus von 10,98%! So etwas kann kein Privatanleger oder Profiinvestor vorhersagen oder „timen“!

Ganz ähnliche Beobachtungen werden für alle anderen Börsenbarometer dieser Welt gemacht (siehe hier).

Wer jetzt immer noch nicht davon überzeugt ist, dass das Market Timing nicht funktioniert, sollte sich die Wertentwicklung von aktiv gemanagten Aktienfonds genauer ansehen. Professionelle Aktienfonds-Manager unternehmen große Anstrengungen um durch rechtzeitigen Abbau und Aufbau von Aktienquoten - also durch Market Timing - eine Überrendite im Vergleich zu einem Vergleichsindex (Benchmark-Index) zu erzielen. Zahlreiche unabhängige wissenschaftliche Studien zeigen jedoch, dass die überwiegende Mehrzahl der aktiv gemanagten Fonds im langfristigen Vergleich fairen Benchmarks hinterherhinken.

Abb. 3: Empirische Studien zur Performance von Finanzprofis: übernommen aus Tabelle 3.2. von M. Weber „Genial einfach investieren“ (link zu kostenlosem eBook hier).

Beweis dafür, dass Market Timing in der Praxis nicht (zuverlässig) funktioniert! Und wenn das die Investment-Profis von milliardenschweren Aktien-Fonds nicht hinbekommen, sollte es ein Privatanleger erst gar nicht versuchen!

Kurz zusammengefasst: Market Timing ist ein „Rein-Raus“ in Bezug auf Aktienmärkte und ist für Privatanleger ungeeignet, weil langfristig und systematisch keine Überrendite erzielt werden kann. Darüber hinaus ist dieses Vorgehen mit hohem Analyse- und Arbeitsaufwand und nicht unerheblichen Transaktionskosten verbunden.


Wer sich vertieft mit dem Thema Market Timing beschäftigen möchte:
  • Blogartikel: „Perfektes Market Timing für ein Investment“ - Link hier.
  • Blogartikel: „75,27 % der Fondsmanager mit schlechterer Performance als Marktdurchschnitt – Timing und Know-How überbewertet?“ - Link hier.
  • Blogartikel: „Buy and Hold vs Market Timing (can you time stock investments?)“ - Link hier.
  • eBook: Manfred Weber: „Genial einfach investieren“ kostenloses eBook - Link hier.
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Verantwortlicher: Klaus Rudolf; Kommentare und Fragen bitte an: rudolfklausblog@gmail.com 
Disclaimer: Auf Klaus Rudolfs Blog gebe ich meine persönlichen Meinungen und Erfahrungen weiter. Ich bin weder Arzt noch Finanzberater. Bitte informiere Dich breit und konsultiere bei Bedarf einen professionellen Experten in Gesundheitsfragen oder Finanzanlagen.

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