Anleihen-ETFs als Absicherung gegen Marktschwankungen: Eine sinnvolle Strategie? Blog#54

Starke Zinserhöhungen der Zentralbanken in den letzten Monaten haben Anleihen als Anlageklasse wieder attraktiver gemacht. In diesem Blog diskutiere ich, ob Anleihen und Anleihen-ETFs für Privatanleger tatsächlich attraktive Alternativen bzw. Ergänzungen zu Aktien-ETFs sind. 

Was sind Anleihen und Anleihen-ETFs? Wie sehen die historischen Renditen von Anleihen und Aktien im Vergleich aus? Welche Renditen können Anleihen derzeit erzielen?

"Wer gut essen möchte, kauft Aktien. Wenn Sie aber Ihre Nerven schonen möchten, investieren Sie in Anleihen." (Andre Kostolany).

Was sind Anleihen und Anleihen-ETFs? 

Eine Anleihe ist ein Wertpapier, das den Anleger (Gläubiger) gegenüber dem Schuldner (Emittenten) zur Rückzahlung des geliehenen Kapitals an einem festgelegten Fälligkeitsdatum und zum Erhalt von Zinszahlungen während der Laufzeit berechtigt.

Emittenten können Staaten, Unternehmen, Banken, aber auch öffentlich-rechtliche Körperschaften sein. 

So leihen Käufer von Anleihen einem Staat, Unternehmen oder einer Organisation für einen begrenzten Zeitraum Geld, während ein Aktien-Käufer eine kleine, zeitlich unbefristete, Beteiligung an einem Unternehmen erwirbt.

Einfluss auf die Höhe der Anleihen-Verzinsung hat das allgemeine Zinsniveau, die Inflationserwartung, die Laufzeit der Anleihe und die Bonität (Kreditwürdigkeit) des Emittenten. Letztere wird durch Ratingagenturen wie  S&P oder Moody's bewertet. Die Ratingstufen von S&P reichen von AAA (Triple A: höchste Bonitätsstufe; geringstes Ausfallrisiko) bis D (D steht für Default dh Nichterfüllung; teilweiser oder vollständiger Zahlungsausfall). Sogenannte Investment-Grade Anleihen reichen von AAA bis BBB-, während Nicht-Investment-Grade-Anleihen Ratings von BB+ bis D reichen. Letztere werden häufig auch als High-Yield-Bonds oder Junk-Bonds bezeichnet.

Zur Veranschaulichung: Deutschland wird mit AAA bewertet, Italien mit BBB-Rating, gerade noch ein Investment Grade Rating und der Libanon mit D. Bei den Unternehmen wird zB Microsoft mit AAA und Bayer mit BBB eingestuft. 

Wer eine Anleihe besitzt, muss diese nicht bis zum Ende der Laufzeit halten, sondern kann sie auch während der Laufzeit verkaufen. 

Anleihen können an der Börse oder außerbörslich gehandelt werden. Beim Handel ist zu beachten, dass Anleihen in Prozentnotierungen (Preis = Prozentangabe des Nominalwertes) gehandelt werden. Zudem gibt es eine Mindeststückelung, die je nach Anleihe zB bei 10.000€, 100.000€ oder auch höher liegen kann. Aufgrund dieser Mindeststückelung eignen sich Direktinvestments in Anleihen für viele Privatanleger nicht. Anleihe-ETFs bieten aber eine gute Möglichkeit, schon mit niedrigen Beträgen breit gestreut in verschiedene Anleihen zu investieren. 

Bei der Laufzeit wird zwischen kurzfristigen (bis 3 Jahre), mittelfristigen (3 bis 10 Jahre) und langfristigen (10+ Jahre) Anleihen unterschieden. Je kürzer die Laufzeit desto weniger volatil ist der Kurs.

Nachfolgend eine kurze Zusammenfassung der Chancen und Risiken:

  • Inflationsrisiko: die Kaufkraft erwarteter Erträge aus Zinszahlungen (Kupons) und der Rückzahlung zum Zeitpunkt der Auszahlung kann durch hohe Inflationsraten reduziert werden.
  • Zinsänderungsrisiko: grundsätzlich besteht eine inverse Relation zwischen Zinsänderungen und dem Barwert einer Anleihe - steigt der Zins fällt der Kurs und vice versa. Wird die Anleihe also vor dem Laufzeitende verkauft, ist der Verkaufswert abhängig vom aktuellen Zinsniveau.
  • Ausfallrisiko: je höher das Risiko der Zahlungsunfähigkeit des Emittenten desto höher die Anleihe-Zinsen.
  • Währungsrisiko: wer auf eine in Fremdwährungen laufende Anleihen kauft, ist einem Währungsrisiko ausgesetzt. Steigt die Währung steigt die Rendite, fällt sie, sinkt die Rendite.
  • Politisches Risiko: Anleihen-ETFs, die in Schwellenländer investieren, können politischen Risiken (politische Instabilität, Regierungswechsel usw.) ausgesetzt sein, die den Wert der Anleihen beeinträchtigen können. 

Wie vergleichen sich die historischen Renditen von Anleihen und Aktien? 

Anleihen-ETFs und Aktien-ETFs unterscheiden sich in wesentlichen Aspekten wie Risiko, Rendite und Diversifikation. 

Im Gegensatz zur hohen Volatilität von Aktien(märkten) sind Anleihen weniger riskant. Insbesondere kurzlaufende Anleihen oder Anleihen-ETFs staatlicher Emittenten der Industrienationen gelten häufig als praktisch risikofrei für Anleger desselben Währungsraumes. Längere Laufzeiten und niedrigere Bonitätsratings verändern das Risikoprofil und machen Anleihekurse volatiler. 

Durch ein Investment in Anleihen hat der Privatanleger ein geringeres Risiko, aber auch eine geringere Renditechance als durch ein Investment in Aktien.

Ein Vergleich der Wertentwicklung des Bloomberg Euro Aggregate Bond Index (Anleihen-ETF; Factsheet hier) und des MSCI World Index (Aktien-ETF; Factsheet hier) von 1999 bis 2023 zeigt, dass Anleihen weniger volatil sind, aber langfristig deutlich geringere Renditen erzielen.

Wichtig zu verstehen: der Bloomberg Euro Aggregate Bond Index umfasst mehr als 6.700 auf Euro laufende Investment-Grade Staatsanleihen, Unternehmensanleihen und Anleihen staatlicher Stellen mit einer mittleren Restlaufzeit von etwa sechs Jahren. Eine kurzlaufender Anleihen-ETF auf sehr sichere AAA-Staatsanleihen, wie zB deutsche Bundesanleihen, hätte in diesem Zeitraum deutlich geringere Renditen erzielt!

Welche Renditen lassen sich derzeit mit Anleihen erzielen? 

Ein breit diversifizierter Anleihen-ETF mit einer durchschnittlichen Laufzeit von 5,15 Jahren, der auf Euro laufende Unternehmensanleihen mit Investment-Grade-Rating (3555 Positionen) enthält, erzielt aktuell eine Effektivverzinsung von 3,94 % (iShares Core € Corp Bond UCITS ETF EUR Dist).

Ein Anleihen-ETF auf deutsche Staatsanleihen mit AAA-Bewertung und einer durchschnittlichen Restlaufzeit von 1,85 Jahre erzielt aktuell eine Effektivverzinsung von 2,59% (iShares eb.rexx Government Germany 1,5-2,5 yr UCITS ETF Dist).

Zum Vergleich: beim Neobroker Scalable Capital erhält man als "Prime+ Broker" derzeit (Februar 2023) 2,3% Zinsen p.a. auf Bareinlagen bis 100.000€ und damit nur unwesentlich weniger als auf die oben genannten deutschen Staatsanleihen. Diese Bareinlagen sind durch die Europäische Einlagensicherung geschützt. 

Fazit

  • Anleihen-ETFs sind eine gute Wahl für Anleger, die nach regelmäßigen Erträgen suchen und ein geringes Risiko bevorzugen. Aktien-ETFs hingegen eignen sich eher für Anleger, die mehr Risiko eingehen wollen und höhere Renditechancen haben möchten.  Andre Kostolany bringt das sehr treffend auf den Punkt: "Wer gut essen möchte, kauft Aktien. Wenn Sie aber Ihre Nerven schonen möchten, investieren Sie in Anleihen."
  • Für mich bedeutet dies, dass ich weiterhin ausschließlich in Aktien-ETFs, nicht in Anleihen-ETFs investiere und Bareinlagen bis zu 100.000€ auf meinem Cash-Konto bei Scalable Capital halte. 

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Verantwortlicher: Klaus Rudolf; Kommentare und Fragen bitte an: rudolfklausblog@gmail.com
Disclaimer: Auf Klaus Rudolfs Blog gebe ich meine persönlichen Meinungen und Erfahrungen weiter. Ich bin weder Arzt noch Finanzberater. Bitte informiere Dich breit und konsultiere bei Bedarf einen professionellen Experten in Gesundheitsfragen oder Finanzanlagen.
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