Prostatakrebs ist in Deutschland bei Männern die häufigste diagnostizierte Krebserkrankung und die dritthäufigste Todesursache durch Krebs. Im Jahr 2019 wurden in Deutschland 68.600 neue Fälle von Prostatakrebs diagnostiziert und 15.000 Sterbefälle registriert.
Das Problem: Es gibt keine typischen Symptome, die früh eindeutig auf Prostatakrebs hinweisen. Daher ist die Früherkennung von Prostatakrebs sehr wichtig, da sie die Chance auf eine erfolgreiche Behandlung erhöhen kann.
Welche Methoden werden verwendet um Prostatakrebs zu diagnostizieren? Was bedeutet ein erhöhter PSA-Wert und ist die Teilnahme an einem PSA-Screening zur Früherkennung von Prostatakrebs sinnvoll?
Die digital-rektale Untersuchung ist eine wichtige Methode zur Diagnose von Prostatakrebs. Bei dieser Untersuchung führt der Arzt einen Finger in das Rektum des Patienten ein, um die Prostata zu fühlen und zu untersuchen. Mit der digital-rektalen Untersuchung kann ein erfahrener Untersucher bereits die Verdachtsdiagnose stellen, da der Tastbefund typisch ist. Allerdings werden die selteneren Tumore der vorderen Organregionen unter Umständen übersehen und allgemein erst in recht fortgeschrittenen Stadien erkannt. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang, dass auch der erfahrene Untersucher Karzinome erst ab einer Größe von 7 mm digital-rektal tasten kann.
Genauere Lokalisation und Größenbestimmung erlaubt die Ultraschalluntersuchung (transrektale Sonografie). Damit können Tumore ab zehn Millimeter Durchmesser zuverlässig gefunden werden, kleinere jedoch nur zu 20%.
Um einen Prostatakrebs möglichst früh zu erkennen wird der PSA-Wert bestimmt: Der PSA-Test ist ein Bluttest, mit dessen Hilfe die Konzentration des PSA (Prostata-spezifisches Antigen) bestimmt wird. Ein hoher PSA-Wert geht meist mit Veränderungen der Prostata einher. Allgemein gilt: je höher der PSA-Wert ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine Erkrankung vorliegt.
- PSA (Prostata spezifisches Antigen): ist eine aus 237 Aminosäuren bestehende Serinprotease, die vom Drüsenepithel der Prostata produziert wird. Alle Prostatazellen normale wie tumorös entartete, bilden PSA.
- PSA wird als physiologisches Sekretionsprodukt der prostatischen Ausführungsgänge dem Ejakulat beigemengt und dient zur Verflüssigung der Samenflüssigkeit.
- Ein kleiner Anteil des gebildeten PSA wird in das Blut abgegeben und durch den PSA-Test im Blutserum gemessen.
- PSA kann an Proteine gebunden (sogenanntes komplexiertes PSA; cPSA) oder frei im Serum (fPSA) vorliegen. Beide werden gemeinsam als Gesamt-PSA (totales PSA, tPSA) bezeichnet.
Aus bisher ungeklärten Gründen ist bei einem Prostatakarzinom weniger PSA frei im Blutserum gelöst (fPSA) und mehr darin an Proteine gebunden (cPSA) als normal, selbst bei nicht erhöhtem Gesamt-PSA (tPSA). Wird ein abklärungsbedürftiger tPSA-Wert in einer ersten Messung erhoben, sollte in einer darauffolgenden zweiten Messung der Anteil von freiem PSA (fPSA) zum gesamten PSA (tPSA) mit bestimmt werden. Der Quotient von fPSA/tPSA ist bei Vorliegen eines Prostatakarzinoms kleiner als bei gesunden Männern. Liegt der fPSA/tPSA-Wert unter 10% ist ein Prostatakarzinom wahrscheinlich, ein Anteil von 10-20% gilt als Graubereich, bei mehr als 20% kann man von einer gutartigen Veränderung ausgehen.
Karzinomzellen produzieren erheblich (bis zu 10-mal) mehr PSA als normale Prostatazellen. Daher ist der PSA-Wert als Tumormarker prinzipiell geeignet.
Allerdings ist ein erhöhter PSA-Wert allein kein sicherer Hinweis auf Prostatakrebs. Denn es gibt viele andere Gründe (siehe untenstehende Abbildung).
Wichtig: Diese Einflussfaktoren sollten bei der Bewertung eines erhöhten PSA-Wert berücksichtigt werden. Zudem sollte die Blutabnahme NICHT nach einer vorangegangenen digitalen-rektalen Untersuchung und/oder transrektalen Ultraschalluntersuchung erfolgen - sondern vorher!
Was bedeutet ein erhöhter PSA-Wert und ist die Teilnahme an einem PSA-Screening zur Früherkennung von Prostatakrebs sinnvoll?
Bei folgenden tPSA-Werten ist laut den Deutschen Fachgesellschaften eine weitere Abklärung (Biopsie) sinnvoll:
- Bei einem tPSA-Wert über 4 ng/ml, den eine zweite Messung nach 6 bis 8 Wochen bestätigt.
- Bei einem tPSA-Wert, der bei Kontrolluntersuchungen im Rahmen der Prostatakrebsfrüherkennung auffällig ansteigt (Anstieg von mehr als 0,35 ng/ml pro Jahr).
Wichtig zu verstehen: Ob ein gemessener tPSA-Wert unter Berücksichtigung von Alter, Prostatagröße, Vorerkrankungen etc. “auffällig“ ist, kann nur ein erfahrener Urologe für jeden Fall individuell entscheiden (siehe hier)!
Allgemein gilt: Der positive Vorhersagewert von tPSA-Werten im Bereich 4-10 ng/mL liegt bei 25-35% und bei Werten über 10 ng/ml bereits bei 50-80%.
Aber auch bei einem niedrigen tPSA-Wert kann ein Prostatakarzinom vorliegen! So hat bei der Erstdiagnose eines Prostatakarzinoms jeder fünfte Patient einen tPSA-Wert unter 4 ng/ml.
Außerdem sollte bei einem erhöhten tPSA-Wert eine zweite PSA-Bestimmung (tPSA und fPSA!) in einem anderen unabhängigen Labor durchgeführt werden, um Laborfehler auszuschließen. Solche Fehler sollten nicht passieren, kommen in der Realität aber vor!
Liegt nach Abschluss der oben beschriebenen Untersuchungen ein begründeter Verdacht auf ein Prostatakarzinom vor, so kann letztlich nur eine Gewebeentnahme (Biopsie) die Diagnose Krebs bestätigen oder ausschließen.
Durch den PSA-Test soll Prostatakrebs in einem sehr frühen Stadium entdeckt werden, bevor er Beschwerden verursacht. Eine frühe Diagnose und Behandlung kann, je nach Einzelfall, die Heilungschancen möglicherweise verbessern und das Risiko für Metastasen senken.
Die Früherkennung hat aber auch klare Nachteile: Es werden viele kleine Tumore entdeckt, die keinen Krankheitswert haben. Denn bei den den meisten Männern wächst Prostatakrebs sehr langsam und vielen bereitet er zu Lebzeiten gar keine Probleme. Diese Männer werden unnötig psychischen Belastungen und Nebenwirkungen von Diagnose und Behandlung ausgesetzt (siehe hierzu auch meinen
Blog#55: Krebsvorsorge-Screening und Vermögens-Portfolio: Wie man gute Entscheidungen trifft!).
Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) bewertet den Nutzen eines PSA-Screenings basierend auf elf randomisierten kontrollierten Studien mit mehr als 400.000 Männern (in der Regel zwischen 55 und 70 Jahren; Beobachtungszeitraum zwischen 13 und 20 Jahren) wie folgt (Details siehe
hier):
- Ein PSA-Screening nützt einigen wenigen Patienten, indem es ihnen eine Belastung durch eine metastasierte Krebserkrankung erspart oder verzögert. Davon profitieren 3 von 1000 Patienten innerhalb von 16 Jahren.
- Andererseits schadet ein PSA-Screening einer deutlich größeren Anzahl von getesteten Männern, da es häufig zu Überdiagnosen und falsch-positiven Befunden kommt.
- In der Abwägung zwischen Nutzen und Schaden kommt das IQWiG daher zu dem Ergebnis, dass ein Screening mittels PSA-Test wegen Überdiagnosen deutlich mehr Männern schadet als nützt!
Ob man den PSA-Test zur Früherkennung nutzt ist letztendlich eine Frage der persönlichen Abwägung. Jeder sollte die Vorteile und Risiken sorgfältig prüfen, bevor er eine Entscheidung trifft.
Fazit
- Der PSA-Test zur Früherkennung von Prostatakrebs hat Vor- und Nachteile: Ob man sich testen lassen möchte oder nicht, ist eine Frage der persönlichen Abwägung.
- Ein erhöhter PSA-Wert bedeutet nicht, dass ein Prostatakrebs vorliegt. Für erhöhte PSA-Werte gibt es viele „harmlose“ Erklärungen, darunter eine gutartige Prostatahyperplasie, eine vorherige Abtastung durch einen Urologen oder ganz simpel eine fehlerhafte Bestimmung/Verwechslung der Werte im Labor.
- Sehr wichtig zu wissen: Bei einem lokalisierten Prostatakarzinom mit niedrigem oder früh intermediärem Risiko reicht ein aktives Monitoring aus. Das hat die große, kürzlich veröffentlichte ProtecT-Studie aus Großbritannien zweifelsfrei bewiesen. In Deutschland wird sehr oft zu früh operiert oder bestrahlt (siehe hier)!
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Verantwortlicher: Klaus Rudolf; Kommentare und Fragen bitte an: rudolfklausblog@gmail.com
Disclaimer: Auf Klaus Rudolfs Blog gebe ich meine persönlichen Meinungen und Erfahrungen weiter. Ich bin weder Arzt noch Finanzberater. Bitte informiere Dich breit und konsultiere bei Bedarf einen professionellen Experten in Gesundheitsfragen oder Finanzanlagen.———————————————————————————