Mikroplastik und Nanoplastik: Eine potenziell versteckte Ursache für Herzinfarkte und Schlaganfälle? Blog#95

Eine höchst bemerkenswerte prospektive klinische Studie, in dieser Woche veröffentlicht im renommierten Fachjournal "New England Journal of Medicine", legt nahe, dass Mikroplastik und Nanoplastik (MNPs) möglicherweise eine bisher übersehene Rolle bei schwerwiegenden kardiovaskulären Ereignissen spielen (hier). Unter 257 Patienten, die sich einer Operation zur Entfernung von atherosklerotischen Plaques unterzogen und vollständig nachbeobachtet wurden, wiesen 58% MNPs in ihren Plaques auf. Das Vorhandensein dieser Partikel war mit einem signifikanten 4,5-fachen Anstieg der Kombination aus Gesamtmortalität, Herzinfarkt und Schlaganfall während der 34-monatigen Nachbeobachtungszeit verbunden. 



Hintergrund

Plastik ist omnipräsent in unserer Umwelt. Jährlich werden 400 Millionen Tonnen Plastik aus fossilen Brennstoffen hergestellt, und diese Menge soll sich bis 2040 verdoppeln.

Mikro- und Nanoplastiken (MNPs) sind kleine Plastikpartikel mit einer Größe von weniger als 5 mm (Mikroplastiken) oder von weniger als 1 µm oder 0,001 mm (Nanoplastiken). MNPs entstehen durch den Abbau größerer Plastikgegenstände oder werden direkt als kleine Plastikpartikel hergestellt. Dabei unterscheidet man zwei Hauptgruppen:
  • Primäres MNP: Gezielt industriell hergestellt, z.B. als Granulate oder Pellets für Kunststoffprodukte, Kosmetik oder Reinigungsmitteln.
  • Sekundäres MNP: Entsteht durch Alterungs- und Zerfallsprozesse größerer Kunststoffobjekte wie Plastiktüten, Flaschen oder Reifenabrieb. Das in der Umwelt befindliche MNP besteht hauptsächlich aus sekundärem MNP. 
Ein interessantes Detail: In Deutschland ist der Reifenabrieb durch Autofahren der größte Verursacher von MNPs!

MNPs gelangen durch Einatmen, Lebensmittel oder Hautkontakt in den menschlichen Körper:

Einatmen: MNPs können in der Luft vorhanden sein und beim Einatmen in die Lunge gelangen, da sie klein genug sind, um die Schutzmechanismen der Lunge zu umgehen. 

Lebensmittel: MNPs können über kontaminierte Nahrung oder Trinkwasser in den Körper gelangen und sich in Lebensmitteln oder Wasser ansammeln, die kontaminiert sind, zB
  • Meeresfrüchte (Fische, Muscheln und andere Meeresbewohner) enthalten je nach Art und Standort zwischen 0,1 und 2,45 Mikroplastik-Partikel pro Gramm Fleisch.
  • Meersalz kann hohe Konzentrationen an Mikroplastik enthalten, insbesondere "Fleur de Sel". Studien haben bis zu 700 Mikroplastik-Partikel pro Kilogramm Salz nachgewiesen. 
  • Trinkwasser: Mikroplastikpartikel wurden auch in Trinkwasser nachgewiesen, sowohl in abgefülltem Wasser als auch in Leitungswasser. 
Hautkontakt: Produkte wie Kosmetik, Reinigungsmittel oder Kleidung aus synthetischen Fasern können MNPs enthalten, die durch die Hautporen eindringen können.

Einmal im Körper können sich MNPs in verschiedenen Organen und Geweben ansammeln und Entzündungen, oxidativen Stress und Zellschäden verursachen. MNPs wurden in der Lunge, Leber, Nieren, Darm und sogar in der Plazenta von schwangeren Frauen gefunden und können das Risiko für chronische Krankheiten wie Herzerkrankungen, Krebs und Diabetes erhöhen. 

Die wöchentliche Einnahmemenge von MNPs schätzen Forscher auf bis zu fünf Gramm. Die Ausscheidung erfolgt über den Stuhl oder zum kleineren Teil auch über den Urin innerhalb weniger Tage bis Wochen. Die Ausscheidungszeit variiert je nach Größe, Form und chemischer Zusammensetzung. Jedoch können insbesondere größere MNPs oder solche, die in Organen wie der Lunge oder der Leber abgelagert werden, auch längere Zeit im Körper verbleiben.

Neue Erkenntnisse aus klinischen Studien

Die in der Einleitung zitierte prospektive klinische Studie, durchgeführt an drei italienischen Kliniken, zielte darauf ab, festzustellen, ob MNPs in Gefäßablagerungen vorhanden waren und ob sie mit unerwünschten kardiovaskulären Ergebnissen verbunden waren. Von den 304 rekrutierten Patienten beendeten 257 das fast dreijährige Follow-up. 

Die wichtigsten Ergebnisse dieser Studie waren:
  • MNPs konnten bei 58% der Patienten nachgewiesen, wobei diese Ergebnisse in allen drei teilnehmenden Zentren konsistent waren. 
    • Die Forscher verwendeten hierzu Pyrolyse-Gaschromatographie-Massenspektrometrie, um die Konzentrationen von elf verschiedenen MNPs in den entnommenen Proben der Karotisplaque zu analysieren. Diese Methode ermöglichte es ihnen, das Vorhandensein von MNPs quantitativ zu erfassen, ohne zwischen Mikroplastik und Nanoplastik zu unterscheiden.
  • Die Anwesenheit von MNPs führte zu einer signifikanten Zunahme entzündlicher Reaktionen im Plaque und erhöhten TNF-alpha-, Interleukin-6-, Interleukin-18-, Interleukin-1-beta-, CD3- und CD68-Spiegeln. 
  • Das bedeutendste Ergebnis: Der Nachweis von MNPs und die daraus resultierenden proinflammatorischen Reaktionen führten zu einem 4,5-fachen Anstieg der Kombination aus Gesamtmortalität, Herzinfarkt und Schlaganfall während der 34-monatigen Nachbeobachtungszeit! 

Was kann man tun, um die Aufnahme von Mikroplastik und Nanoplastik zu vermeiden?

Um die Exposition gegenüber MNPs zu minimieren und potenzielle schädliche Auswirkungen zu reduzieren, sind folgende Maßnahmen empfehlenswert:
  • Minimierung der Verwendung von Plastik durch den Einsatz von wiederverwendbaren Wasserflaschen, Einkaufstaschen und Lebensmittelbehältern anstelle von Plastikverpackungen. 
  • Verwendung von Kosmetik- und Reinigungsprodukten ohne MNPs. 
  • Bezug von Meeresfrüchten aus nachhaltigen Quellen. 
  • Reduzierung der Exposition gegenüber Luftverschmutzung durch Meidung von Gebieten mit schlechter Luftqualität und Reduzierung der Fahrzeugnutzung. 
  • Verwendung eines Wasserfilters, der Mikroplastikpartikel aus dem Wasser entfernt. 

Fazit

  • Die vorliegende Studie verdeutlicht die potenzielle Verbindung zwischen MNPs und schwerwiegenden kardiovaskulären Ereignissen. Das Vorhandensein von MNPs in atherosklerotischen Plaques war mit einem deutlichen Anstieg des Risikos für Herzinfarkte, Schlaganfälle und Tod verbunden. Dies unterstreicht die Bedeutung der Minimierung der Exposition gegenüber Mikroplastik und Nanoplastik, um die Gesundheit zu schützen.
  • Aufgrund der Bedeutung dieser Ergebnisse ist es entscheidend, dass sie durch weitere unabhängige Studien validiert und ausführlicher untersucht werden.
  • Um die Umweltbelastung zu verringern und gesundheitliche Risiken zu minimieren, ist es von großer Bedeutung, die Erforschung umweltfreundlicherer Alternativen zu herkömmlichen Kunststoffen voranzutreiben. Dazu zählen biologisch abbaubare, recyclingfähige und kompostierbare Kunststoffe.

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Verantwortlicher: Klaus Rudolf; Kommentare und Fragen bitte an: rudolfklausblog@gmail.com
Auf diesem Blog teile ich meine persönlichen Meinungen und Erfahrungen. Es ist wichtig zu betonen, dass ich weder Arzt noch Finanzberater bin. Jegliche Informationen, die ich in meinem Blog vorstelle, stellen weder Anlageempfehlungen noch Therapieempfehlungen dar. Für fundierte Entscheidungen in Bezug auf Gesundheitsfragen oder Finanzanlagen empfehle ichsich umfassend zu informieren und bei Bedarf einen professioniellen Experten zu konsultieren.
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