Tee-Genuss: Chemische Zusammenhänge verstehen und erleben! Blog#96

Dieser Blogbeitrag ist auch als englischsprachiger Podcast verfügbar (hier anhören).

Echter Tee, gewonnen aus den Blättern der Teepflanze (Camellia sinensis), zeichnet sich durch eine einzigartige Kombination von Antioxidantien, Koffein und anderen Verbindungen aus, die für seinen unverwechselbaren Geschmack und seine gesundheitlichen Vorzüge verantwortlich sind.

Es existieren sechs Hauptvarianten von echtem Tee: Weißer Tee, Gelber Tee, Grüner Tee, Oolong Tee, Schwarzer Tee und Pu-Erh-Tee. Trotz ihrer gemeinsamen Herkunft von derselben Teepflanze unterscheiden sie sich deutlich in ihrer chemischen Zusammensetzung und Geschmacksprofil. Diese Unterschiede lassen sich auf zwei Hauptfaktoren zurückführen: die unterschiedliche Oxidation während der initialen Verarbeitung der frisch gepflückten Teeblätter und die wässrige Extraktion, auch bekannt als Aufbrühen, während der Zubereitung des Tees.

In diesem Blogbeitrag werde ich kurz darauf eingehen, was jeder Teeliebhaber über die gängigen Verarbeitungstechniken der Teeblätter und die Bedeutung der wässrigen Extraktion für die Zusammensetzung und den Geschmack des Tees wissen sollte.



Bei einigen Varianten echten Tees werden die Zellwände der Blätter nach der Ernte durch Welken mechanisch aufgebrochen. Dabei interagieren bestimmte Inhaltsstoffe, sogenannte Catechine, eine Stoffklasse, die zu den Polyphenolen zählt, mit den in der Teepflanze vorhandenen Enzymen Polyphenoloxidase und Peroxidase. Diese Interaktion führt zu einer enzymatischen Oxidation, die sich in der Bräunung der Blätter zeigt und zur Entwicklung neuer Geschmacks- und Aromaprofile. Die Faszination des Tees liegt in der Möglichkeit, diesen Oxidationsprozess zu kontrollieren, um verschiedene Teesorten mit unterschiedlichen chemischen Profilen aus ursprünglich identischen Teeblättern zu erzeugen. Durch die Zufuhr von Wärme können die oxidativen Enzyme inaktiviert und somit der Oxidationsprozess gezielt gestoppt werden.

Schwarzer Tee zum Beispiel wird vollständig oxidiert. Die Teeblätter werden zunächst gewelkt und gerollt, um die Enzyme freizusetzen, die die Oxidation einleiten. Anschließend erfolgt die Oxidation in einem Raum mit kontrollierter Temperatur und Luftfeuchtigkeit, bis die Blätter vollständig braun sind, bevor sie getrocknet werden. Schwarzer Tee enthält daher weniger der im geernteten Teeblatt enthaltenen Catechin-Polyphenole, dafür aber bis zu 20 % Thearubigine und etwa 2 % Theaflavine, strukturell komplexere, rötlich-braune Verbindungen, die während der Oxidation entstehen.

Oolong-Tees werden nur teilweise oxidiert und kurz nach dem Rollen erhitzt, um den Oxidationsprozess zu stoppen. Aufgrund der begrenzten Oxidation weisen Oolong-Tees einen höheren Polyphenolgehalt als schwarzer Tee auf, sowie unterschiedliche Mengen an Theaflavinen und Thearubiginen, je nach dem Grad der Oxidation durch den Teehersteller.

Grüne Tees hingegen werden durch den Verarbeitungsprozesd nicht oxidiert, da sie rasch nach der Ernte erhitzt werden - im Allgemeinen durch Dämpfen oder Brennen in der Pfanne. Dadurch werden die oxidativen Enzyme inaktiviert und die grüne Farbe des Blattes bleibt erhalten.

Gelber und weißer Tee unterliegen ebenfalls nur einer sehr geringen Oxidation, und diese zwei Teesorten enthalten alle einen höheren Polyphenolgehalt als schwarzer Tee, wobei der prozentuale Anteil ähnlich hoch ist wie der des frischen Teeblatts. 

Pu-erh-Tee ist ein Spezialfall. Hier findet nach dem Oxidationsprozess durch Welken und Trocknen ein zusätzlicher Fermentierungsprozess statt. Der Fermentierungsprozess, der über Monate oder Jahre dauern kann, ist entscheidend für die Entwicklung des einzigartigen und charakteristischen Aromas und der dunklen Farbe des Tees.

Chemische Zusammensetzung von Tee

Tee ist mehr als nur ein Aufguss aus Blättern. Es ist ein komplexes Gebräu, das eine Vielzahl von chemischen Stoffen enthält, darunter das Stimulans Koffein, die Aminosäure Theanin, diverse Antioxidantien, Kohlenhydrate, flüchtige Aromen und Mineralien. Jedes dieser Moleküle trägt zu den einzigartigen Eigenschaften des Tees bei.

Methylxanthine und Koffein: Der Gehalt an Methylxanthinen im Tee hängt von dem Klima, dem Alter der Blätter und der Vermehrungsmethode (Samen oder Stecklinge) der Pflanze ab. Das wichtigste und bekannteste Methylxanthin im Tee ist das Stimulans Koffein. Koffein wirkt auf das zentrale Nervensystem und verbessert Stimmung, kognitive Leistung und körperliche Ausdauer. Der Koffeingehalt in Teeblättern liegt gewöhnlich bei rund 3-4%, was bedeutet, dass eine einzige Tasse schwarzen oder grünen Tees in der Regel ungefähr 50 mg Koffein enthält.

Aminosäuren: Auf dem Teefeld wandelt das Sonnenlicht die Aminosäuren in Polyphenole um. Daher enthält im Schatten gewachsener Tee mehr Aminosäuren als Tee, der in direktem Sonnenlicht gewachsen ist. Einige Teesträucher werden vor der Ernte sogar absichtlich mehrere Wochen lang beschattet, um den Aminosäuregehalt in den Blättern zu erhöhen, ein Prozess, der zu einem fertigen Tee mit Süße und Würzigkeit, auch bekannt als Umami führt. In den Teeblättern sind verschiedene Aminosäuren enthalten, von denen L-Theanin die häufigste ist. L-Theanin soll ein Gefühl der Entspannung und in Verbindung mit Koffein sogar einen Zustand der "achtsamen Wachsamkeit" hervorrufen.

Polyphenole: Diese Verbindungen sind für die Adstringenz verantwortlich, ein Geschmackserlebnis, das ein trockenes Gefühl auf der Zunge und Bitterkeit verursacht. Polyphenole sind chemische Verbindungen, die aus vielen phenolischen Gruppen bestehen, daher auch der Name Poly-Phenol. Diese Verbindingen machen bis zu 30-40 % der frisch gepflückten Teeblätter aus und sind für viele der beschriebenen gesundheitlichen Vorteile verantwortlich. Es gibt schätzungsweise 30.000 (!) polyphenolische Verbindungen im Tee, die in verschiedene Kategorien eingeteilt werden können.

Flavonoide sind wohl die wichtigste Kategorie, da sie wegen ihrer antioxidativen Eigenschaften gesundheitsfördernd sind. Innerhalb der Gruppe der Flavonoide unterscheidet man noch zwischen Flavanole, Flavonole, Flavone, Isoflavone und Anthocyanine. Flavanole werden oft auch als Tannine oder Catechine bezeichnet. Die wichtigsten Flavanole im Tee sind: Catechin (C), Epicatechin (EC), Epicatechin-Gallat (ECG), Gallocatechin (GC), Epigallocatechin (EGC) und Epigallocatechin-Gallat (EGCG). EGCG ist das aktivste der Catechine, und dieses Flavanol ist häufig Gegenstand von Studien über Antioxidantien in Tee. 

Kohlenhydrate: Alle Pflanzen speichern die bei der Photosynthese gebildete Energie in Form von Stärke und Zuckern, die auch als Kohlenhydrate bezeichnet werden. Die Pflanzen verwenden diese gespeicherte Energie später als Brennstoff für wichtige Reaktionen. Im Tee dienen Kohlenhydrate als Brennstoff für die enzymatischen Reaktionen, die während der Oxidation ablaufen, und sind auch für die Bildung von Polyphenolen in jungen Teeblättern verantwortlich. Kohlenhydrate machen durchschnittlich 11 % der Extraktfeststoffe in aufgegossenem Tee aus und bestehen aus Monosacchariden, Disacchariden und Oligosacchariden. Diese Kohlenhydrate sind für die Süße des Tees verantwortlich.

Mineralien: Teeblättern enthalten bis zu 28 Mineralstoffe, darunter Mangan, Arsen, Nickel, Selen, Jod, Aluminium und Kalium.

Flüchtige Stoffe: Diese flüchtige Stoffe sind weitgehend für das Aroma des Getränks verantwortlich. Dies ist bemerkenswert, wenn man bedenkt, dass die flüchtigen Stoffe nur etwa 0,01 % des Gewichts der trockenen Teeblätter ausmachen. Der Aromakomplex des Tees besteht aus vielen Hunderten von flüchtigen Geschmacks- und Aromastoffen, die in geringen Mengen vorhanden sind. Viele dieser aromatischen Verbindungen sind in frischen Teeblättern nicht vorhanden und werden erst bei der Verarbeitung aus anderen Stoffen gewonnen. Verbindungen wie Linalool und Linalooloxid sorgen für blumige Noten und Süße, während Nerolidol, Benzaldehyd, Methylsalicylat und Phenylethanol für fruchtige Aromen verantwortlich sind. Des Weiteren tragen trans-2-Hexenal, n-Hexanal, cis-3-Hexenol und ß-Ionon zum frischen Geschmack des Tees bei.

Tee und Gesundheit

Tee wird mit einer Reihe von gesundheitlichen Vorteilen in Verbindung gebracht.
  • Antioxidative Wirkung: Tee enthält starke Antioxidantien, die vor Schäden durch freie Radikale schützen und dadurch das Risiko chronischer Krankheiten wie Krebs und Herzerkrankungen möglicherweise verringern. 
  • Entzündungshemmende Wirkung: Die Catechine in Tee haben entzündungshemmende Eigenschaften, die helfen können, Entzündungen im Körper zu reduzieren. 
  • Verbesserte Herzgesundheit: Theaflavine können dazu beitragen, den Blutdruck zu senken und den Cholesterinspiegel zu verbessern. 
  • Kognitive Stimulation: Koffein ist ein Stimulans, das die Wachheit und Konzentration verbessern kann.  

Die Zubereitung einer optimalen Tasse Tee!

Die Zubereitung einer optimalen Tasse Tee ist eine Kunst, die sowohl Wissenschaft als auch Erfahrung erfordert. Jede Teesorte ist eine Komposition aus einer Vielzahl von Inhaltsstoffen, von denen viele den Geschmack und das Aroma des Tees prägen. Zu diesen gehören bekannte Substanzen wie Koffein, Theanin, verschiedene Polyphenole, Kohlenhydrate und Mineralien, die in unterschiedlichen Verhältnissen in den Teeblättern vorhanden sind.

Interessanterweise werden diese Inhaltsstoffe nicht gleichmäßig extrahiert, selbst bei Verwendung derselben Teesorte. Die Extraktionsrate hängt von verschiedenen Faktoren ab, darunter die Wassertemperatur, die Ziehzeit und sogar die Zusammensetzung des Wassers. Zum Beispiel löst sich Koffein schneller als andere Verbindungen wie Catechine. Das Ergebnis ist eine einzigartige Mischung von Aromen und Eigenschaften, die jedes Mal, wenn man Tee zubereitet, variieren können.

Doch wie gelingt die Zubereitung einer perfekten Tasse Tee? Der erste Schritt ist die Auswahl hochwertiger Teeblätter und die Verwendung von gefiltertem und weichem Wasser. Die ideale Ziehzeit und Wassertemperatur können je nach Teesorte und Qualität stark variieren. Es ist ratsam, sich zunächst an den Empfehlungen des Teeherstellers zu orientieren. Doch wahre Teeliebhaber experimentieren gerne mit verschiedenen Parametern wie Wasserhärte, Temperatur, Tee-zu-Wasser-Verhältnis und Ziehzeit, um ihre persönliche perfekte Tasse Tee zu kreieren, die ihren individuellen Vorlieben entspricht.

_______________________________________________________________________________

Verantwortlicher: Klaus Rudolf; Kommentare und Fragen bitte an: rudolfklausblog@gmail.com
Auf diesem Blog teile ich meine persönlichen Meinungen und Erfahrungen. Es ist wichtig zu betonen, dass ich weder Arzt noch Finanzberater bin. Jegliche Informationen, die ich in meinem Blog vorstelle, stellen weder Anlageempfehlungen noch Therapieempfehlungen dar. Für fundierte Entscheidungen in Bezug auf Gesundheitsfragen oder Finanzanlagen empfehle ichsich umfassend zu informieren und bei Bedarf einen professioniellen Experten zu konsultieren.
________________________________________________________________________________



Posts

Paxlovid - eine hochwirksame Pille für Covid-19? Blog#1

Vermögensaufbau und Altersvorsorge – meine Erfahrungen der letzten 35 Jahre! Blog#2

Der Interne Zinsfuß und seine Bedeutung für Aktien-Anleger! Blog#67

Wegovy® (Semaglutid) - ein neues, gut wirksames Medikament zur Gewichtsreduktion! Blog#13

Sarin - ein chemischer Kampfstoff! Blog#14

Steueroptimierung für Dein Aktien-ETF-Portfolio! Blog#87

iPhone- und iPad-Apps - meine Favoriten! Blog#40

Krankenversicherung als Rentner - besser privat oder gesetzlich krankenversichert? Blog#8

Aktien-Weltportfolio mit ETFs! Blog#45

Woher kommt der Geruch von frisch geschnittenem Gras und welche Wirkung hat er auf Pflanzen, Tiere und Menschen? Blog#63