Von Zufällen und Entdeckungen: Die unerwartete Optimierung der Sandmeyer-Reaktion. Blog#102
Die Sandmeyer-Reaktion ist eine klassische Reaktion der organischen Chemie, die jeder Chemiestudent früh in den Vorlesungen und im Chemiepraktikum kennenlernt. Entdeckt wurde sie vor 140 Jahren vom Schweizer Chemiker Traugott Sandmeyer.
Die Reaktion besteht aus zwei Schritten:
Abb. 1: Klassische Sandmeyer-Reaktion: Aktivierung von Nitrit oder Alkylnitriten durch Säure führt zur Bildung von Aryldiazoniumsalzen und anschließend zu Arylhalogeniden (übernommen aus Mateos, J. et al.).
Die Sandmeyer-Reaktion findet im industriellen Maßstab Anwendung zur Herstellung von Arylhalogeniden, die als wichtige Zwischenprodukte in der Synthese vieler Feinchemikalien, Pharmazeutika und Farbstoffe dienen.
Bisher erforderte die Sandmeyer-Reaktion zwei Schritte, da die Reagenzien für den zweiten Schritt normalerweise nicht mit denen des ersten Schritts kompatibel waren.
Allerdings sind die im ersten Schritt gebildeten Diazoniumsalze hochreaktiv und daher gefährlich zu handhaben. Aufgrund der hochreaktiven Dinitrogen-Abgangsgruppe im Molekül können sich diese Stoffe unter bestimmten Bedingungen explosiv zersetzen, was in der Vergangenheit zu vielen Unfällen mit Verletzten und sogar Todesfällen geführt hat.
Ein Forscherteam des Max-Planck-Instituts für Kohlenforschung hat kürzlich eine sichere Alternative für dieses Verfahren entdeckt, die eine Vielzahl neuer Anwendungsmöglichkeiten für diese chemische Transformation eröffnet (LINK).
Bei dieser innovativen Methode wird Anilin, der Vorläufer des Diazoniumsalzes, direkt in einem Schritt zum gewünschten Endprodukt umgesetzt, ohne große Mengen des hochreaktiven Diazoniumsalzes als Zwischenprodukt herzustellen (siehe Abb. 2). Dadurch wird die Reaktion erheblich sicherer und vielfältiger einsetzbar!
Tatsächlich sind die Reagenzien und Reaktionsbedingungen nicht so wie das ein erfahrener Chemiker planen würde. Man sollte eigentlich annehmen, dass die im Reaktionskolben vorliegenden Reagenzien direkt miteinander reagieren, und daher keine produktive Diazoniumbildung ermöglichen.
Die Reaktion besteht aus zwei Schritten:
- Die Bildung eines Diazoniumsalzes durch die Reaktion eines Anilins (Ar-NH2) mit Natriumnitrit in saurer Lösung. Dieser Schritt erfordert niedrige Temperaturen (unter 5°C), da Aryldiazoniumsalze bei höheren Temperaturen instabil werden.
- Das entstandene Diazoniumsalzes reagiert anschließend mit einem Halogenidion, wodurch ein Arylhalogenid gebildet wird.
Abb. 1: Klassische Sandmeyer-Reaktion: Aktivierung von Nitrit oder Alkylnitriten durch Säure führt zur Bildung von Aryldiazoniumsalzen und anschließend zu Arylhalogeniden (übernommen aus Mateos, J. et al.).
Die Sandmeyer-Reaktion findet im industriellen Maßstab Anwendung zur Herstellung von Arylhalogeniden, die als wichtige Zwischenprodukte in der Synthese vieler Feinchemikalien, Pharmazeutika und Farbstoffe dienen.
Bisher erforderte die Sandmeyer-Reaktion zwei Schritte, da die Reagenzien für den zweiten Schritt normalerweise nicht mit denen des ersten Schritts kompatibel waren.
Allerdings sind die im ersten Schritt gebildeten Diazoniumsalze hochreaktiv und daher gefährlich zu handhaben. Aufgrund der hochreaktiven Dinitrogen-Abgangsgruppe im Molekül können sich diese Stoffe unter bestimmten Bedingungen explosiv zersetzen, was in der Vergangenheit zu vielen Unfällen mit Verletzten und sogar Todesfällen geführt hat.
Ein Forscherteam des Max-Planck-Instituts für Kohlenforschung hat kürzlich eine sichere Alternative für dieses Verfahren entdeckt, die eine Vielzahl neuer Anwendungsmöglichkeiten für diese chemische Transformation eröffnet (LINK).
Bei dieser innovativen Methode wird Anilin, der Vorläufer des Diazoniumsalzes, direkt in einem Schritt zum gewünschten Endprodukt umgesetzt, ohne große Mengen des hochreaktiven Diazoniumsalzes als Zwischenprodukt herzustellen (siehe Abb. 2). Dadurch wird die Reaktion erheblich sicherer und vielfältiger einsetzbar!
Abb. 2: Nitrat-Reduktion mit Thiosulfat oder Cupraten als limitierender Schritt ermöglicht die direkte Funktionalisierung von Anilinen (übernommen aus Mateos, J. et al.).
Warum und wie funktioniert diese verbesserte Methode?
Während bei der herkömmlichen Sandmeyer-Reaktion Aryldiazoniumsalze aus Anilinen mit Nitritverbindungen bei niedrigen Temperaturen hergestellt werden (Abb. 1), setzt die neu entwickelte Synthesemethode auf die sogenannte Nitrat-Reduktion (Abb. 2).Die Nitrat-Reduktion verwendet Nitrat oder Nitratester als Stickstoffquelle, die in Gegenwart eines Reduktionsmittels wie Thiosulfat oder Dihalocuprate zu NO2+ reduziert werden können. Dadurch wird die direkte Halogenierung von Anilinen in einem einzigen Schritt ermöglicht, ohne die Notwendigkeit zur Isolierung oder Anreicherung des Diazoniumsalzes.
Diese neue Methode bietet zahlreiche Vorteile im Vergleich zur herkömmlichen Sandmeyer-Reaktion:
Die Sandmeyer-Reaktion feiert nun ihr 140-jähriges Jubiläum. Doch warum hat es so lange gedauert, bis dieses neue und verbesserte Protokoll zur Durchführung dieser Art von Chemie entwickelt wurde?
Diese neue Methode bietet zahlreiche Vorteile im Vergleich zur herkömmlichen Sandmeyer-Reaktion:
- Sicherheit: Die Methode umgeht die Anreicherung potentiell explosiver Diazoniumsalz-Zwischenprodukte.
- Effizienz und Vielseitigkeit: Neben den Sicherheitsvorteilen dieses neuen Protokolls konnte gezeigt werden, dass diese Reaktion auch in vielen Fällen effizienter ist. Zudem ermöglicht sie die Umsetzung empfindlicher organischer Moleküle wie Arzneimittelmolekülen, die normalerweise nicht einfach mit Diazoniumsalzen funktionalisiert werden können.
- Kosteneffizienz: Die Methode nutzt gut zugängliche und preiswerte Nitrate oder Nitratester als Stickstoffquelle.
- Nicht zuletzt wird diese optimierte Methode die Entwicklung anderer einstufiger Diazoniumchemieprotokolle inspirieren.
Warum wurde diese verbesserte Variante der Sandmeyer-Reaktion nicht früher entdeckt?
Tatsächlich sind die Reagenzien und Reaktionsbedingungen nicht so wie das ein erfahrener Chemiker planen würde. Man sollte eigentlich annehmen, dass die im Reaktionskolben vorliegenden Reagenzien direkt miteinander reagieren, und daher keine produktive Diazoniumbildung ermöglichen.
- Die Bildung von NO2+ unter sauren Bedingungen und die kinetische Stabilität von NO3– könnten Gründe sein, warum Nitrat-Salze und ihre Ester seit über einem Jahrhundert als Diazotierungsreagenzien ignoriert wurden. Die Verwendung von Nitrat (Oxidationszustand von Stickstoff = +V) als Diazotierungsreagenz erfordert einen reduktiven Weg in Abwesenheit starker Säure für die Generierung von NO+ (Oxidationszustand von Stickstoff = +III). Die Ein-Elektronen-Reduktion zu Stickstoffdioxid (NO2, Oxidationszustand von Stickstoff = +IV) ermöglicht die Bildung von NO+ durch Disproportionierung von Stickstofftetroxid (N2O4, siehe Abb. 2, rechts oben).
- Ausgehend von einfach und kostengünstig verfügbarem Kaliumnitrat oder Nitrat-Estern werden Thiosulfate oder Dihalocuprat als Elektronendonatoren für die Nitrat-Reduktion verwendet. Obwohl Nitrat (NO3–) thermodynamisch stark genug ist, um Nukleophile wie Bromid und Iodid zu oxidieren, ist es kinetisch kompatibel mit verschiedenen Nukleophilen im gleichen Reaktionsgemisch, einschließlich Bromid, Iodid und Thiosulfat. Da der Prozess der Nitrat-Reduktion der geschwindigkeitsbestimmende Schritt in dieser Reaktion ist, werden Diazoniumverbindungen als flüchtige Zwischenprodukte nur in minimalen Konzentrationen produziert, was zu den oben beschriebenen, grundlegenden Vorteilen im Vergleich zur herkömmlichen Diazoniumchemie führt.
- Im Gegensatz dazu sind die bei der traditionellen Sandmeyer-Reatkion verwendeten Nitrite und Alkyl-Nitrite (Abb. 1) mit mehreren Nukleophilen unverträglich, da sie unter den Reaktionsbedingungen kinetisch instabil sind. Daher dürfen solche Nukleophile während der Diazotierung mit Nitriten nicht vorhanden sein und Diazoniumverbindungen müssen intermediär isoliert werden, was zu den bekannten Sicherheitsproblemen in der Diazoniumchemie führt.
Es ist daher nicht überraschend, dass die Reaktion nicht gezielt entwickelt, sondern eher zufällig entdeckt wurde. Während der Untersuchung einer völlig anderen wissenschaftlichen Fragestellung bemerkten die Forscher ein unerwartetes Verhalten von Anilinen. Durch weitere Untersuchungen konnten sie feststellen, dass dieses Verhalten auf die Bildung eines Diazoniumsalzes zurückzuführen ist. Schließlich erkannten sie, dass dieses Protokoll auch auf die Sandmeyer-Reaktion anwendbar ist. Dies ist ein bemerkenswertes Beispiel dafür, wie zufällige Entdeckungen gemacht werden können, und erklärt auch, warum diese Methode so spät entdeckt wurde.
Fazit
- Die Reduktion von Nitraten aus preiswerten und leicht erhältlichen Nitrat-Salzen und Nitrat-Estern ermöglicht die direkte deaminative Funktionalisierung von Anilinen und Aminoheterocyclen ohne den Einsatz moderner, komplexer Reagenzien.
- Der grundsätzlich unterschiedliche Mechanismus der Nitrat-Reduktion im Vergleich zur Nitrit-Protonierung ermöglicht die sicherere und breitere Anwendung der Diazonium-Chemie.
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Verantwortlicher: Klaus Rudolf; Kommentare und Fragen bitte an: rudolfklausblog@gmail.com
Auf diesem Blog teile ich meine persönlichen Meinungen und Erfahrungen . Es ist wichtig zu betonen, dass ich weder Arzt noch Finanzberater bin. Jegliche Informationen, die ich in meinem Blog vorstelle, stellen weder Anlageempfehlungen noch Therapieempfehlungen dar. Für fundierte Entscheidungen in Bezug auf Gesundheitsfragen oder Finanzanlagen empfehle ich, sich umfassend zu informieren und bei Bedarf einen professioniellen Experten zu konsultieren.
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