Fortschritt in der Medizin: Effektive neue Behandlung für seltenen Darmkrebs! Blog#108

Die jüngsten Ergebnisse einer Phase-II-Studie zu Dostarlimab sind äußerst vielversprechend und könnten die Behandlung einer spezifischen Variante von Rektumkarzinomen, die 5-10% der Darmkrebsfälle ausmachen, grundlegend verändern. In der Studie erreichte Dostarlimab bei allen 42 Patienten eine vollständige Tumorremission, wobei nach der Behandlung keine Anzeichen der Krebserkrankung mehr vorhanden waren. Bemerkenswerterweise war weder eine Chemotherapie noch eine Operation erforderlich (LINK). Diese spektakulären Befunde eröffnen eine vielversprechende Alternative zu herkömmlichen Therapien und könnten die Lebensqualität der betroffenen Patienten erheblich verbessern.

Was ist Dostarlimab und wie wirkt es?

Dostarlimab ist ein humanisierter monoklonaler Antikörper, der in der Krebstherapie als Immun-Checkpoint-Inhibitor eingesetzt wird. Es gehört zur Gruppe der PD-1-Inhibitoren. Der PD-1-Rezeptor (Programmed Cell Death Protein 1) spielt eine zentrale Rolle bei der Regulation des Immunsystems. Durch die Bindung seiner Liganden PD-L1 und PD-L2 an T-Zellen wird die Immunantwort gedämpft, was normalerweise hilft, Autoimmunreaktionen zu verhindern. Tumorzellen nutzen jedoch diese Mechanismen aus, indem sie PD-L1 und PD-L2 auf ihrer Oberfläche exprimieren, was zur Hemmung der T-Zell-Aktivität führt.

Dostarlimab wirkt, indem es den PD-1-Rezeptor blockiert. Dadurch wird verhindert, dass Tumorzellen die T-Zellen deaktivieren. Diese Blockade ermöglicht es den T-Zellen, ihre volle Aktivität gegen Tumorzellen zu entfalten und sie effektiv zu bekämpfen..

In Deutschland ist Dostarlimab für die Behandlung von fortgeschrittenem Endometriumkarzinom (Gebärmutterkrebs) bei erwachsenen Patientinnen zugelassen. Diese Zulassung gilt speziell für Fälle, in denen der Tumor eine Mismatch-Reparatur-Defizienz (dMMR) oder hohe Mikrosatelliteninstabilität (MSI-H) aufweist und nach vorheriger Platin-basierter Therapie fortschreitet.


Abbildung übernommen aus Link

Bedeutung von dMMR/MSI-H Tumoren

Vielversprechend sind die Ergebnisse der klinischen Phase-II-Studie mit Dostarlimab bei Patienten mit lokal fortgeschrittenem, defektem Mismatch-Reparatur (dMMR/MSI-H) Rektumkarzinom. Schätzungsweise 5–10 % aller Patienten mit Rektumkarzinom weisen dMMR/MSI-H Tumore auf. dMMR steht für einen Defekt im Mismatch-Reparatur-System, einem Fehlerkorrektursystem, das spontane Mutationen und Doppelstrangbrüche während der DNA-Replikation identifiziert und repariert. Ist das Mismatch-Reparatur-System defekt (dMMR), können sich Mutationen anhäufen, insbesondere in den Mikrosatelliten. Mikrosatelliten sind kurze, sich wiederholende DNA-Sequenzen, und eine hohe Anzahl von Mutationen in diesen Sequenzen wird als MSI-H bezeichnet. Diese Mutationen können die kodierenden Regionen der DNA direkt oder indirekt beeinflussen. Daher bezieht sich dMMR auf einen Defekt im DNA-Reparatursystem, während MSI-H die Folge dieses Defekts ist, was die Doppelbezeichnung "dMMR/MSI-H" erklärt. 

Wichtig zu verstehen: Tumore, die durch dMMR/MSI-H gekennzeichnet sind, zeigen eine erhebliche Anzahl von Mutationen, was zu einer hohen Tumormutationslast führt. Dies resultiert in einer vermehrten Bildung von Neoantigenen, die den Tumor für das Immunsystem als abnorm und somit angreifbar kennzeichnen. Aufgrund der gesteigerten Immunogenität, die durch die Entstehung von Neoantigenen hervorgerufen wird, verbessert sich die Reaktionsrate auf Immuntherapien. Daher sprechen dMMR/MSI-H Tumore überdurchschnittlich gut auf eine Therapie mit Immun-Checkpoint-Inhibitoren an.

Neue Klinische Ergebnisse

Die Patienten, die an der Dostarlimab-Studie teilnahmen, wurden anhand bestimmter Kriterien ausgewählt. Alle Patienten litten an lokal fortgeschrittenem Rektumkarzinom im Stadium II oder III. Stadium II bedeutet, dass der Tumor durch die Darmwand gewachsen ist, aber noch keine Lymphknoten oder entfernte Organe betroffen sind. Stadium III, dass der Tumor sich auf nahegelegene Lymphknoten ausgebreitet hat, aber keine entfernten Organe betroffen sind.

Das wichtigste Auswahlkriterium war, dass die Tumore der Patienten einen Mismatch-Reparatur-Defekt (dMMR) oder eine hohe Mikrosatelliteninstabilität (MSI-H) aufwiesen. Zusätzlich wurde bei der Auswahl der Patienten auch das Lynch-Syndrom berücksichtigt. Das Lynch-Syndrom ist eine erbliche Erkrankung, die durch vererbte Mutationen in Genen des Mismatch-Reparatur-Systems verursacht wird. dMMR/MSI-H hingegen kann sowohl erblich bedingt sein, wie beim Lynch-Syndrom, als auch sporadisch auftreten, ohne dass eine familiäre Vorbelastung besteht

In der Studie wurde den Patienten über einen Zeitraum von sechs Monaten alle drei Wochen eine intravenöse Dosis von 500 mg Dostarlimab verabreicht. Die durch diese Behandlung erzielten Ergebnisse, die auf dem Jahreskongress der American Society of Clinical Oncology (ASCO) im Juni 2024 präsentiert wurden, waren außerordentlich positiv und übertrafen alle Erwartungen: Dostarlimab erzielte bei allen 42 Patienten eine klinisch vollständige Remission (cCR), mit einer medianen Nachbeobachtungszeit von 17,9 Monaten (Spanne: 0,3 bis 50,5 Monate). Darüber hinaus erreichten 24 Patienten mit einer medianen Nachbeobachtungszeit von 26,3 Monaten (Spanne: 12,4 bis 50,5 Monate) eine anhaltende cCR, die länger als 12 Monate bestand. Die cCRs erwiesen sich als über einen Zeitraum von mehr als 2 Jahren stabil, ohne dass ein Patient eine Chemotherapie, Strahlentherapie oder chirurgische Eingriffe benötigte.

Bedeutung der Studienergebnisse

Die Bedeutung dieser Ergebnisse liegt darin, dass sie eine Alternative zu den aktuellen Standardbehandlungsmethoden für dMMR/MSI-H positive Rektumkarzinome bieten könnten. Die Standardtherapie umfasst in der Regel Chemotherapie, Strahlentherapie und Operation, welche mit langfristigen Nebenwirkungen wie Darm-, Harn- und Sexualfunktionsstörungen verbunden sein können. Die Dostarlimab-Therapie könnte diese Nebenwirkungen vermeiden und die Lebensqualität der Patienten verbessern. 

Fazit und weitere Forschung

Dostarlimab eliminierte den kolorektalen Krebs bei allen 42 behandelten Patienten, wobei kein Wiederauftreten der Krankheit beobachtet wurde. Diese Ergebnisse sind äußerst vielversprechend, doch sind weiterführende Studien erforderlich, um die langfristige Wirksamkeit und Sicherheit von Dostarlimab bei der Behandlung von dMMR/MSI-H-positivem Rektumkarzinom zu bestätigen. Aktuell werden Studien wie AZUR-1 und AZUR-2 durchgeführt, um die Rolle von Dostarlimab in der Darmkrebsbehandlung genauer zu untersuchen. Zudem wird Dostarlimab in mehreren klinischen Studien für verschiedene Indikationen, einschließlich behandlungsresistenter solider Tumore, erforscht.
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Verantwortlicher: Klaus Rudolf; Kommentare und Fragen bitte an: rudolfklausblog@gmail.com
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