Metformin: Wundermittel für ein langes Leben oder doch nicht? Blog#121

Eine neue Studie erregt in der wissenschaftlichen Gemeinschaft großes Interesse: Metformin, ein seit Jahrzehnten bekanntes Medikament zur Behandlung von Diabetes, konnte den Alterungsprozess in Cynomolgus Affen verlangsamen (LINK).
Dabei wurden alternde männliche Cynomolgus-Affen (im Alter von 13 bis 16 Jahren, vergleichbar mit 40- bis 50-jährigen Menschen) über drei Jahre hinweg mit Metformin behandelt. Die Behandlungszeit entsprach dabei etwa zehn Jahren beim Menschen. Die Dosierung betrug 20 mg/kg Körpergewicht und liegt im Bereich dessen, was auch in der Therapie beim Menschen eingesetzt wird. Verglichen wurden die behandelten Affen sowohl mit gleichaltrigen Kontrolltieren als auch mit jüngeren und mittelalten Tieren. Die Ergebnisse waren vielversprechend: Metformin konnte das Altern tatsächlich signifikant verzögern! 

Es wäre natürlich von großem Interesse und von besonderer Bedeutung, wenn sich diese positiven Ergebnisse auf den Menschen übertragen ließen und das Medikament auch dort den Alterungsprozess verlangsamen könnte.

Doch was genau ist Metformin, und welche weiteren Hinweise gibt es dafür, dass dieses Medikament die Lebensspanne verlängern kann?

Metformin – Mehr als nur ein Diabetes-Medikament?

Metformin ist seit vielen Jahren ein bewährtes Mittel zur Behandlung von Typ-2-Diabetes, insbesondere bei übergewichtigen Patienten. Es zeichnet sich durch seine Sicherheit, geringen Kosten und wenige Nebenwirkungen aus. Obwohl die genauen Wirkmechanismen noch nicht vollständig geklärt sind, sind einige zentrale Effekte gut dokumentiert. Metformin senkt den Blutzuckerspiegel, indem es die Glukoseproduktion in der Leber hemmt und Prozesse wie die Gluconeogenese und Glykogenolyse unterdrückt. Gleichzeitig verbessert es die Insulinsensitivität in Muskel- und Fettzellen, sodass diese effizienter Glukose aufnehmen können. Auch die Zuckeraufnahme im Darm wird durch Metformin reduziert. 
Über die bekannten Effekte auf den Blutzucker hinaus gibt es jedoch zunehmend Hinweise, dass Metformin auch das Darmmikrobiom positiv beeinflusst – eine wichtige Entdeckung für Diabetiker. Ein weiterer spannender Mechanismus ist die Hemmung des mitochondrialen Komplex I, was zur Aktivierung der AMP-Kinase führt, einem zentralen Regulator des Energiestoffwechsels.

Zusätzlich zu den blutzuckersenkenden Eigenschaften scheint Metformin auch das Endothel, also die innere Schicht der Blutgefäße, zu schützen, indem es oxidativen Stress reduziert. Dies könnte das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen senken. Auch eine antithrombotische Wirkung, die die Entstehung von Blutgerinnseln verringern könnte, wird beobachtet. Besonders interessant sind aktuelle Studien, die darauf hindeuten, dass Metformin das Wachstum bestimmter Krebsarten hemmen könnte, indem es den Insulin- und IGF-1-Spiegel sowie den mTOR-Signalweg beeinflusst.

In den letzten Jahren hat sich zudem die Diskussion verstärkt, ob Metformin den Alterungsprozess verlangsamen und altersbedingte Krankheiten hinauszögern könnte. Diese potenziell lebensverlängernden Effekte machen Metformin zu einem spannenden Kandidaten in der Forschung rund um das Thema gesunde Alterung. 

Neueste Daten zeigen, dass Metformin den Alterungsprozess bei Affen verlangsamt!

Die oben bereits kurz erwähnte, kürzlich in der renommierten Fachzeitschrift Cell veröffentlichte Studie untersuchte die geroprotektiven ("alterungsschützenden") Effekte von Metformin bei männlichen Cynomolgus-Affen. Ziel der Studie war es, herauszufinden, ob die langfristige Gabe von Metformin das Altern auf molekularer und zellulärer Ebene bei Primaten verlangsamen kann. Besonders im Fokus stand die Frage, ob Metformin altersbedingte kognitive und neuronale Verschlechterungen mindert und inwieweit es in der Lage ist, die biologische Uhr in verschiedenen Geweben zurückzustellen.

Wichtige Erkenntnisse der Studie: 
  • Verlangsamung des Alterns: Über einen Zeitraum von 40 Monaten konnte Metformin die biologische Alterung in mehreren Geweben signifikant verlangsamen. Mithilfe sogenannter “Aging Clocks” wurde das molekulare Altern in Geweben wie Gehirn, Leber und Haut gemessen. Diese zeigten eine Verjüngung von etwa sechs Jahren, bezogen auf das menschliche Alter
  • Neuroprotektion: Metformin schützte die Struktur des Gehirns, insbesondere die Dicke der grauen Substanz im Frontalhirn, einem für kognitive Funktionen wichtigen Bereich. Es wurde eine Verbesserung von Gedächtnis und Lernfähigkeit festgestellt. Diese neuroprotektiven Effekte wurden teilweise durch die Aktivierung des Nrf2-Signalwegs vermittelt, der für die Reduktion von oxidativem Stress verantwortlich ist. 
  • Systemische Wirkung: Metformin reduzierte altersbedingte Entzündungen in Organen wie Lunge, Leber und Niere. Zudem wurde die Akkumulation von seneszenten Zellen verringert, was die Regenerationsfähigkeit der Gewebe steigerte. 
  • Dosierung: Die Affen erhielten täglich 20 mg/kg Metformin über das Trinkwasser, was der Standarddosis zur Behandlung von Diabetes beim Menschen entspricht. 
  • Kein signifikanter Einfluss auf den Blutzuckerspiegel: Interessanterweise hatte Metformin in dieser Studie nur minimale Auswirkungen auf den Blutzuckerspiegel der nicht-diabetischen Affen 
Die Ergebnisse dieser Studie zeigen, dass Metformin nicht nur das Altern auf zellulärer Ebene verlangsamen könnte, sondern auch in der Lage ist, altersbedingte Schäden im Gehirn und anderen Organen zu mindern. 

Wie wirkt Metformin in anderen Tierspezies?

Metformin hat in einer Vielzahl von Tierarten positive Effekte auf das Altern gezeigt. Bei Mäusen und Ratten wurde eine Verlängerung der Lebensspanne beobachtet, insbesondere bei übergewichtigen Tieren. Diese Lebensverlängerung betrug bei Mäusen etwa 4-6%, was ungefähr 3-4 Menschenjahren entsprechen würde. Die positiven Effekte gingen oft mit einer Verbesserung der metabolischen Gesundheit, einer Reduktion von oxidativem Stress und einer Verbesserung der Insulinsensitivität einher. Zudem wurde eine Verringerung von Entzündungsmarkern und eine Reduzierung altersbedingter Erkrankungen wie Krebs oder neurodegenerativer Erkrankungen beobachtet.

Auch bei einfachen Modellorganismen wie dem Fadenwurm Caenorhabditis elegans (C. elegans) und der Fruchtfliege Drosophila melanogaster führte Metformin zu einer längeren Lebensdauer, was vor allem auf die Verbesserung der mitochondrialen Funktion zurückgeführt wurde. Diese Befunde legen nahe, dass Metformin in verschiedenen Spezies altersverzögernde Effekte hat, insbesondere durch die Optimierung von Stoffwechselprozessen und die Reduktion schädlichen oxidativen Stresses.

Allerdings haben einige Studien auch negative Effekte von Metformin auf das Altern gezeigt, insbesondere bei gesunden Tieren und in höheren Dosierungen. In manchen Fällen kam es bei Mäusen und Ratten zu Wachstumsverzögerungen und einer Verschlechterung der allgemeinen Gesundheit, vor allem, wenn die Tiere keine Stoffwechselstörungen aufwiesen. Auch bei C. elegans und Fruchtfliegen wurde festgestellt, dass hohe Metformindosen die Lebensspanne verkürzen können, besonders bei gesunden Individuen. Diese negativen Effekte könnten auf eine übermäßige Hemmung der mitochondrialen Funktion zurückzuführen sein.

Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Wirkung von Metformin stark von der Dosierung und dem Gesundheitszustand der jeweiligen Spezies abhängt. Während metabolisch gestörte oder übergewichtige Tiere oft von Metformin profitieren, könnten gesunde Tiere bei zu hohen Dosen möglicherweise negative Effekte erfahren. Diese differenzierte Wirkung unterstreicht die Notwendigkeit weiterer Forschung, um die optimale Dosierung und die geeignetsten Anwendungsbereiche von Metformin als potenzielles Anti-Aging-Mittel zu bestimmen. 

Kann Metformin den Alterungsprozess beim Menschen verlangsamen?

Es gibt erste Hinweise darauf, dass Metformin möglicherweise positive Effekte auf das Altern beim Menschen haben könnte, insbesondere basierend auf Beobachtungsstudien bei Diabetikern. Eine bemerkenswerte Untersuchung von Bannister et al. (2014; LINK) ergab, dass Typ-2-Diabetiker, die Metformin einnahmen, eine um 15% höhere Lebenserwartung hatten als Nicht-Diabetiker und eine um 38% höhere als Diabetiker, die Sulfonylharnstoffe erhielten.

Diese überraschenden Ergebnisse legen nahe, dass Metformin über seine blutzuckersenkenden Eigenschaften hinaus zusätzliche gesundheitliche Vorteile bieten könnte. Es gibt Hinweise darauf, dass Metformin das Risiko für altersbedingte Erkrankungen wie Herz-Kreislauf-Probleme und bestimmte Krebsarten senken könnte. Man vermutet, dass Metformin durch die Verbesserung der Insulinsensitivität, die Reduktion von Entzündungen und die Senkung von oxidativem Stress altersbedingte Prozesse verlangsamen könnte.

Die Studie von Bannister et al. weist jedoch methodische Schwächen auf. Eine Hauptkritik richtet sich gegen den Beobachtungscharakter der Studie, der keine kausalen Schlussfolgerungen zulässt. Außerdem wurde nicht untersucht, wie sich Metformin langfristig bei Nicht-Diabetikern auswirkt, was die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf die Allgemeinbevölkerung einschränkt. Die Studie wurde auch für das sogenannte "informative Zensieren" kritisiert – Patienten, die starben oder auf andere Medikamente umsteigen mussten, wurden ausgeschlossen, was die Ergebnisse verzerrt haben könnte.

Im Gegensatz dazu bot die Studie von Keys et al. (2022; LINK) an einer dänischen Population differenziertere Einblicke. Diese Studie, die Daten von dänischen Diabetikern und der Allgemeinbevölkerung verglich, konnte keine signifikante Lebensverlängerung durch Metformin im Vergleich zu Nicht-Diabetikern nachweisen. Strengere Kontrollen für Störvariablen ermöglichten eine genauere Bewertung der tatsächlichen Effekte von Metformin. Dennoch waren auch hier methodische Einschränkungen vorhanden, da auch diese Studie auf Beobachtungsdaten basierte und keine klaren kausalen Schlüsse gezogen werden konnten.

Diese Studien machen deutlich, dass die bisherigen Erkenntnisse zur Wirkung von Metformin auf das Altern nicht eindeutig sind. Es sind weitere randomisierte, kontrollierte Studien erforderlich, um verlässliche Aussagen über die potenziellen Anti-Aging-Effekte von Metformin zu treffen. In den USA gibt es seit Jahren Bestrebungen, eine groß angelegte klinische Studie namens TAME (Targeting Aging with Metformin; LINK) zu finanzieren. Diese Studie soll über einen Zeitraum von sechs Jahren 3.000 nicht-diabetische Personen im Alter von 65 bis 79 Jahren untersuchen, um herauszufinden, ob Metformin das Altern verlangsamen kann. Obwohl die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA das Projekt bereits 2015 genehmigte, konnte die Studie aufgrund fehlender Finanzierung bislang nicht starten. Da Metformin patentfrei und kostengünstig ist, besteht für große Pharmaunternehmen wenig finanzieller Anreiz, in diese Forschung zu investieren. 

Fazit

Ob Metformin tatsächlich ein “Longevity-Medikament” ist, lässt sich momentan nicht eindeutig beantworten. Die bisherigen Daten sind widersprüchlich, und es bedarf weiterer Forschung – insbesondere durch randomisierte, kontrollierte Studien an gesunden Personen – um diese Frage zu klären.

Sollte die TAME-Studie durchgeführt werden, könnte sie die Grundlage dafür schaffen, das gesunde Altern pharmakologisch zu unterstützen. Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass selbst bei positiven Ergebnissen Metformin kein "Wundermittel" gegen das Altern sein wird. Vielmehr könnte es ein Werkzeug sein, um den Alterungsprozess zu verlangsamen und die Lebensqualität im Alter zu verbessern.

Wir alle müssen eines Tages sterben, aber vielleicht können wir durch Forschung und Innovation wie die potenzielle Anwendung von Metformin die Zeit des gesunden Alterns verlängern und die Lebensqualität bis ins hohe Alter erhalten.
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Verantwortlicher: Klaus Rudolf; Kommentare und Fragen bitte an: rudolfklausblog@gmail.com
Auf diesem Blog teile ich meine persönlichen Meinungen und Erfahrungen . Es ist wichtig zu betonen, dass ich weder Arzt noch Finanzberater bin. Jegliche Informationen, die ich in meinem Blog vorstelle, stellen weder Anlageempfehlungen noch Therapieempfehlungen dar. Für fundierte Entscheidungen in Bezug auf Gesundheitsfragen oder Finanzanlagen empfehle ichsich umfassend zu informieren und bei Bedarf einen professioniellen Experten zu konsultieren.
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