Ein neuer Ansatz zur Behandlung von Schizophrenie: Cobenfy und die Wiederentdeckung von Xanomelin. Blog#124

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Schizophrenie gehört zu den komplexesten und herausforderndsten Erkrankungen der Neurowissenschaften. Anders als Krankheiten wie Krebs oder Covid-19, die durch klar definierte biochemische Marker diagnostiziert werden können, bleibt Schizophrenie in vielen Bereichen ein medizinisches Rätsel. Trotz Fortschritten in der Forschung gibt es noch immer keine eindeutige Erklärung für die Ursachen dieser psychischen Erkrankung, und auch die Behandlungsmöglichkeiten sind begrenzt.

Die ersten Symptome von Schizophrenie treten in der Regel im Jugend- oder frühen Erwachsenenalter auf. Betroffene leiden oft unter Halluzinationen, Wahnvorstellungen, Paranoia und sozialem Rückzug. Hinzu kommen oft Freudlosigkeit sowie kognitive Beeinträchtigungen, die sich durch Konzentrationsschwierigkeiten, Gedächtnisprobleme oder Schwierigkeiten bei der Entscheidungsfindung äußern. Da diese Symptome von Patient zu Patient stark variieren, gestaltet sich die Diagnose schwierig. Hinzu kommt, dass die meisten verfügbaren Behandlungsmethoden auf einem empirischen Ansatz beruhen – es wird ausprobiert, was funktioniert, ohne dass genau bekannt ist, warum es wirkt. Dies führt oft zu enttäuschenden Ergebnissen.

Traditionelle Medikamente gegen Schizophrenie, sogenannte Antipsychotika, wirken auf verschiedene Signalwege im Gehirn. Zwar zeigen sie bei einigen Patienten eine gewisse Wirksamkeit, doch bleibt der Behandlungsverlauf häufig unbefriedigend. Die Ursache dafür liegt in der Komplexität der neuronalen Signalwege, die von diesen Medikamenten beeinflusst werden. Viele dieser Mittel wirken auf mehrere Bahnen gleichzeitig, was es schwierig macht, die genaue Wirkung der Medikamente zu verstehen oder vorherzusagen. 

Die Wiederentdeckung von Xanomelin

Ein interessanter Durchbruch in der Schizophrenie-Therapie kam mit der FDA-Zulassung von Cobenfy, einem Medikament, das auf dem Wirkstoff Xanomelin basiert. Xanomelin ist dabei kein völlig neuer Stoff. Bereits in den 1990er Jahren wurde er als potenzielles Mittel gegen Alzheimer getestet. Damals zeigte Xanomelin in ersten klinischen Studien positive Effekte auf die kognitive Funktion der Patienten. Allerdings führten erhebliche Nebenwirkungen, vor allem im peripheren Nervensystem, dazu, dass die Entwicklung des Medikaments eingestellt wurde.

Der wesentliche Unterschied zwischen Xanomelin und traditionellen Antipsychotika liegt in seinem Wirkmechanismus. Während klassische Antipsychotika die Dopamin-D2- und Serotonin-5HT2A-Rezeptoren blockieren, stimuliert Xanomelin die M4- und M1-Rezeptoren, was indirekt die dopaminerge und glutamaterge Signalübertragung beeinflusst. Studien zeigen, dass die M4-Rezeptoren sowohl die psychotischen als auch die kognitiven Symptome modulieren, während die M1-Rezeptoren vor allem die kognitiven Symptome verbessern und in geringerem Maße auch auf die Psychose-Symptome wirken. 

Der neue Ansatz: Kombination mit Trospium

Das Besondere an Cobenfy ist die Kombination von Xanomelin mit Trospium, einem weiteren bekannten Wirkstoff, der seit vielen Jahren zur Behandlung einer überaktiven Blase eingesetzt wird. Während Xanomelin als selektiver Agonist für muskarinische Rezeptoren im Gehirn wirkt und somit Halluzinationen sowie andere psychotische Symptome reduzieren kann, blockiert Trospium als peripherer muskarinischer Antagonist die entsprechenden Rezeptoren außerhalb des Gehirns. Dadurch werden die unerwünschten peripheren Nebenwirkungen von Xanomelin (wie übermäßiges Schwitzen oder Magen-Darm-Probleme) reduziert, während seine positiven Effekte im zentralen Nervensystem erhalten bleiben. Die Cobenfy-Kapseln sind in den Stärken 50 mg/20 mg, 100 mg/20 mg und 125 mg/30 mg (Xanomelin/Trospiumchlorid) erhältlich und sollten mindestens eine Stunde vor oder zwei Stunden nach einer Mahlzeit eingenommen werden, wobei die Einnahme zweimal täglich erfolgt.


In klinischen Studien (EMERGENT-2 und EMERGENT-3) erzielte Cobenfy signifikante Verbesserungen der Schizophreniesymptome ohne die typischen Nebenwirkungen wie Gewichtszunahme und Bewegungsstörungen. Trotz einiger gastrointestinale Beschwerden wie Übelkeit, die nach kurzer Zeit abklingen, zeigt Cobfeny ein vielversprechendes Sicherheitsprofil.

Die Bedeutung von Cobenfy für die Zukunft der Schizophrenie-Therapie

Die Zulassung von Cobenfy durch die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA im September 2024 stellt den ersten bedeutenden Fortschritt in der Schizophrenie-Therapie seit fast drei Jahrzehnten dar. Seit der Einführung von Clozapin im Jahr 1989 gab es keine neuen Medikamente auf dem Markt, die gezielt für Schizophrenie entwickelt wurden. Im Gegensatz zu früheren Medikamenten, die auf das Dopaminsystem abzielen, wirkt Cobenfy über das cholinerge System und muskarinische Rezeptoren. Diese neue Herangehensweise hat sich als effektiver bei der Behandlung von Schizophrenie-Symptomen erwiesen und führt gleichzeitig zu weniger Nebenwirkungen als die traditionellen Behandlungen, die auf das Dopaminsystem abzielen.

Die Hoffnung für Cobenfy ist, dass es die Behandlung von Schizophrenie verändern könnte, indem es eine wirksamere und verträglichere Option bietet, insbesondere für die 60 % der Patienten, die nicht auf Dopamin-basierte Behandlungen ansprechen oder diese aufgrund von Nebenwirkungen absetzen. Da Cobenfy speziell auf muskarinische Rezeptoren abzielt, eröffnet dies auch neue Möglichkeiten zur Behandlung anderer neurologischer Erkrankungen. Studien zur Anwendung von Cobenfy bei Alzheimer-bedingten Psychosen, bipolaren Störungen, Alzheimer-bedingter Unruhe sowie kognitiven Beeinträchtigungen im Zusammenhang mit Alzheimer sind bereits im Gange oder in Planung. 

Kosten und Patentfrage

Ein weiterer wichtiger Aspekt bei der Einführung von Cobenfy ist die Frage der Kosten und der Patentlage. Der Großhandelspreis für eine monatliche Dosis Cobenfy liegt bei etwa 1.850 US-Dollar. Das Medikament wird von Bristol Myers Squibb produziert und soll ab Ende Oktober 2024 in den USA erhältlich sein. In Europa ist Cobenfy derzeit noch nicht zugelassen.

Interessant ist auch die Patentlage von Cobenfy. Trotz der Entdeckung von Xanomelin vor Jahrzehnten wurde ein neues Patent für die Kombination von Xanomelin und Trospium angemeldet. Dieses Patent könnte bis etwa 2030 gültig sein. Allerdings hängt die genaue Patentlaufzeit von verschiedenen Faktoren ab, einschließlich der Entscheidung der FDA, ob Xanomelin als “New Chemical Entity” (NCE) eingestuft wird. Sollte dies der Fall sein, hätte Cobenfy eine Exklusivität von fünf Jahren. 

Fazit

Insgesamt könnte die clevere Kombination von Xanomelin und Trospium die Lebensqualität vieler Schizophrenie-Patienten erheblich verbessern. Sie nutzt bewährte Wirkstoffe in einem neuen Kontext, um die Wirksamkeit zu maximieren und gleichzeitig die Nebenwirkungen zu minimieren. Diese vielversprechende Entwicklung stellt einen bedeutenden Fortschritt in der Behandlung von Schizophrenie dar und könnte zukünftig auch zur Behandlung anderer neurologischer Erkrankungen eingesetzt werden.
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Verantwortlicher: Klaus Rudolf; Kommentare und Fragen bitte an: rudolfklausblog@gmail.com
Auf diesem Blog teile ich meine persönlichen Meinungen und Erfahrungen . Es ist wichtig zu betonen, dass ich weder Arzt noch Finanzberater bin. Jegliche Informationen, die ich in meinem Blog vorstelle, stellen weder Anlageempfehlungen noch Therapieempfehlungen dar. Für fundierte Entscheidungen in Bezug auf Gesundheitsfragen oder Finanzanlagen empfehle ichsich umfassend zu informieren und bei Bedarf einen professioniellen Experten zu konsultieren.
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