Innovative Antibiotika-Technologie: Wie die Click-to-Release-Technik das nierenschädigende Risiko von Colistin reduzieren kann. Blog#131

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Antibiotika sind ein zentraler Bestandteil der modernen Medizin. Ohne sie wären viele bakterielle Infektionen, die heute routinemäßig behandelbar sind—von Hautinfektionen bis hin zu Lungenentzündungen—potenziell lebensbedrohlich. Gleichzeitig stellen zunehmende Antibiotikaresistenzen eine enorme Herausforderung dar. In diesem Zusammenhang gewinnen Reserveantibiotika als letzte Verteidigungslinie gegen multiresistente Keime immer mehr an Bedeutung.

Colistin: Die letzte Bastion gegen multiresistente Bakterien

Colistin, auch als Polymyxin E bekannt, umfasst die beiden Varianten Colistin A und B und gehört zu einer Antibiotikaklasse, die bereits in den 1940er Jahren entdeckt wurde. Dieses Antibiotikum wird aus dem Bakterium Paenibacillus polymyxa gewonnen und zeigt Wirksamkeit gegen gramnegative Bakterien wie Escherichia coli, Klebsiella pneumoniae und Pseudomonas aeruginosa. Gramnegative Bakterien unterscheiden sich von grampositiven durch die Struktur ihrer Zellwand: Sie besitzen eine dünne Peptidoglykanschicht, die von einer äußeren Membran umgeben ist, während grampositive Bakterien eine dickere Peptidoglykanschicht ohne äußere Membran haben. Diese Unterschiede beeinflussen die Empfindlichkeit der Bakterien gegenüber verschiedenen Antibiotika. Colistin gilt als Reserveantibiotikum und wird daher nur eingesetzt, wenn andere Antibiotika versagen—es ist gewissermaßen die letzte Bastion gegen multiresistente Keime. 

Wirkmechanismus und Herausforderungen von Colistin

Der Wirkmechanismus von Colistin ist einzigartig und unterscheidet sich von vielen anderen Antibiotika. Es bindet an die Lipopolysaccharide (LPS) der äußeren Zellmembran gramnegativer Bakterien. Diese Membran ist aufgrund ihrer speziellen Zusammensetzung für viele Antibiotika schwer durchdringbar. Colistin wirkt jedoch wie ein Detergens: Es destabilisiert die Membranstruktur, was zu einer Perforation und letztlich zur Zerstörung der Bakterienzelle führt. Dieser effektive Mechanismus macht Colistin zu einem hocheffektiven Antibiotikum, birgt jedoch auch das Risiko potenzieller Toxizität für menschliche Zellen. 

Das Problem: Nierenschädigende Nebenwirkungen von Colistin

Obwohl Colistin in bestimmten Fällen lebensrettend sein kann, zeigt sich bei etwa 30 % der behandelten Patienten eine nephrotoxische Wirkung, die teilweise zu irreversiblen Schäden führt. Angesichts der zunehmenden Resistenz vieler Bakterien gegenüber Standardantibiotika ist Colistin jedoch oft unverzichtbar. Diese Risiken führen dazu, dass es ausschließlich als letzter Ausweg eingesetzt wird—trotz der potenziellen gesundheitlichen Gefahren für die Patienten. 

Ein innovativer Ansatz: Die Click-to-Release-Technik

Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) und des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF) haben kürzlich eine zukunftsweisende Lösung entwickelt: Mithilfe eines sogenannten "Click-to-Release"-Mechanismus bleibt Colistin zunächst in einer inaktiven, "maskierten" Form im Körper und wird erst direkt am Infektionsort aktiviert (LINK). Diese Technik, die bereits in der Krebsforschung eingesetzt wird, könnte eine neue Ära in der gezielten Antibiotikatherapie einläuten. 

Funktionsweise der Click-to-Release-Technik

Die Click-to-Release-Technik basiert auf einem Zweikomponenten-System. Dabei wird Colistin an eine chemische Substanz wie trans-Cycloocten (TCO) gebunden, die seine antibiotische Wirkung blockiert (siehe untenstehende Abbildung rechts oben: "Maskiertes Colistin"). Am Infektionsherd erfolgt die Aktivierung durch einen spezifischen chemischen "Schalter" namens Tetrazin, der die Bindung auflöst und das aktive Colistin freisetzt. So wird gewährleistet, dass Colistin ausschließlich am Ort der Infektion wirkt, was die Belastung der Nieren deutlich verringert. 

Erste Erfolge und weitere Herausforderungen

In ersten Labortests und Tierversuchen an Mäusen zeigte die Methode vielversprechende Ergebnisse: Das Colistin wurde gezielt am Infektionsort—beispielsweise in der Lunge—aktiviert, während es in anderen Körperregionen inaktiv blieb. Die Entwicklung dieser Technik war jedoch mit Herausforderungen verbunden. In initialen Zellkulturstudien erwies sich das TCO-maskierte Colistin als sogar toxischer für Nierenzellen als das herkömmliche Colistin. Durch die Modifikation der chemischen Struktur mit Aspartat konnte die Ladung der Verbindung so angepasst werden, dass eine unerwünschte Bindung an Nierenzellen verhindert wurde. Im nächsten Schritt muss die Pharmakokinetik beider Komponenten präzise aufeinander abgestimmt werden, um eine effektive Wirkstofffreisetzung zu gewährleisten. Weitere Forschung ist auch erforderlich, um die optimale Dosierung und potenzielle Langzeitwirkungen zu untersuchen.

Fazit

Die Entwicklung der Click-to-Release-Technik eröffnet neue Perspektiven für den gezielten Einsatz von Antibiotika mit minimierten Nebenwirkungen. Theoretisch könnte dieser Ansatz auch auf andere Medikamente übertragen werden, um deren Sicherheit und Wirksamkeit zu erhöhen. Obwohl noch weitere Forschung notwendig ist, bevor diese Technologie in der klinischen Praxis angewendet werden kann, zeigt sie doch, wie innovative chemische Strategien dazu beitragen können, den Herausforderungen durch Antibiotikaresistenzen und Medikamentennebenwirkungen zu begegnen. 
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Verantwortlicher: Klaus Rudolf; Kommentare und Fragen bitte an: rudolfklausblog@gmail.com
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