Die Illusion der Gültigkeit: Warum wir an der Börse oft falsch liegen! Blog#155
In der komplexen Welt der Finanzen, die von Zahlen, Analysen und Vorhersagen dominiert wird, glauben viele von uns, den Markt durchschauen zu können. Doch wie der Nobelpreisträger Daniel Kahneman in seinem bahnbrechenden Werk "Schnelles Denken, langsames Denken" (2011) eindrucksvoll darlegt, unterliegen wir häufig einer sogenannten "Illusion der Gültigkeit". Diese kognitive Verzerrung prägt unsere Entscheidungen und führt dazu, dass wir unsere Fähigkeiten im Umgang mit Aktien oft massiv überschätzen.
Die Forschung zeigt deutlich, dass Demut und ein wissenschaftlicher Ansatz beim Investieren oft zu besseren Ergebnissen führen als die Illusion der Kompetenz. Indem wir diese Erkenntnisse in unsere Anlagestrategie integrieren, können wir nicht nur unsere finanziellen Ziele effektiver erreichen, sondern auch ein tieferes Verständnis für die komplexen Mechanismen der Finanzmärkte entwickeln.
Die Illusion der Gültigkeit: Ein historischer Überblick
Das Konzept der "Illusion der Gültigkeit" hat seine Wurzeln in der kognitiven Psychologie der 1970er Jahre. Es ist für die Finanzmärkte besonders relevant, da es erklärt, wie Anleger durch übermäßiges Vertrauen in ihre Fähigkeiten dazu neigen, Fehlentscheidungen zu treffen, sei es beim Stock-Picking, übermäßigem Handel oder dem Vertrauen auf vermeintliche Expertenmeinungen. Kahneman und sein Kollege Amos Tversky prägten den Begriff in ihrer bahnbrechenden Arbeit über Urteilsheuristiken. Seitdem hat sich unser Verständnis für kognitive Verzerrungen in der Finanzwelt stetig weiterentwickelt. In den 1990er Jahren begann die Verhaltensökonomie, diese Erkenntnisse auf Finanzmärkte anzuwenden, was zu einem tieferen Verständnis irrationaler Marktbewegungen führte.System 1 und System 2: Die Dualität unseres Denkens
Kahneman erklärt, dass unser Denken durch zwei Systeme gesteuert wird:- System 1 arbeitet schnell, intuitiv und emotional. Es zieht Schlüsse auf Basis begrenzter Informationen.
- System 2 hingegen ist langsam, analytisch und rational. Es sollte eigentlich kritisch hinterfragen, wird jedoch oft von den Eindrücken von System 1 in die Irre geführt.
Die Finanzmärkte als Spielwiese der Illusion
An den Finanzmärkten manifestiert sich die Illusion der Gültigkeit auf vielfältige Weise:- Stock-Picking: Viele Anleger glauben, unterbewertete Aktien finden zu können. Eine Studie von Barber und Odean (2000; LINK) zeigte jedoch, dass private Investoren, die häufig handeln, im Durchschnitt eine um 6,5 Prozentpunkte niedrigere jährliche Rendite erzielen als der Markt (die 20% der Anleger, die am aktivsten handelten, erzielten eine jährliche Nettorendite von 11,4%, während der Markt im gleichen Zeitraum 17,9% Rendite erzielte). Dies verdeutlicht, dass häufiges Handeln meist nicht auf fundierten Entscheidungen, sondern auf übertriebener Zuversicht basiert, was letztlich die Rendite schmälert.
- Übermäßiger Handel: Die Illusion der Kompetenz verleitet zu häufigem Handeln. Eine Analyse von 66.465 Haushalten bei einem großen Discount-Broker ergab, dass die am aktivsten handelnden Investoren die niedrigsten Renditen erzielten (Trading Is Hazardous to Your Wealth: The Common Stock Investment Performance of Individual Investors (LINK)).
- Vertrauen in Experten: Auch Finanzexperten sind nicht immun gegen die Illusion der Gültigkeit. Eine Studie von CXO Advisory Group analysierte 6,582 Marktvorhersagen von 68 Investmentgurus und fand eine durchschnittliche Genauigkeit von nur 47,4%. Dies bedeutet: Die Prognosen waren im Durchschnitt weniger genau als ein Münzwurf. Mehr als die Hälfte der Vorhersagen waren falsch (LINK).
- Gefühl der Überzeugung: Viele Anleger haben ein subjektives Gefühl der Sicherheit, dass sie mit ihren Entscheidungen richtig liegen. Dieses Gefühl entspringt jedoch eher der kognitiven Leichtigkeit von System 1 als echter Kompetenz.
- Verlustangst und Dispositionseffekt: Anleger neigen dazu, Gewinne zu früh zu realisieren und Verluste zu lange auszusitzen. Odean (1998; LINK) fand heraus, dass Investoren Gewinneraktien um 50% häufiger verkaufen als Verliereraktien. Das frühzeitige Verkaufen von Gewinneraktien und das lange Festhalten an Verliereraktien ist für Anleger nachteilig. Es begrenzt potenzielle Gewinne, vergrößert mögliche Verluste und basiert auf emotionalen statt rationalen Entscheidungen. Dieses Verhalten kann die Gesamtrendite des Portfolios erheblich schmälern und steht im Widerspruch zu bewährten Anlagestrategien.
Fallstudie: Der Fall von Long-Term Capital Management
Ein klassisches Beispiel für die Illusion der Gültigkeit ist der Zusammenbruch von Long-Term Capital Management (LTCM) im Jahr 1998. Trotz eines Teams von Spitzenökonomen und zwei Nobelpreisträgern verlor der Hedgefonds in wenigen Monaten 4,6 Milliarden Dollar. Die Überzeugung, den Markt durchschaut zu haben, führte zu einer massiven Überschätzung der eigenen Fähigkeiten und einer Unterschätzung der Marktrisiken.Praktische Anwendung: Überwindung der Illusion
Um die Illusion der Gültigkeit zu überwinden, können Anleger folgende Schritte unternehmen:- Selbstreflexion: Führe ein Investmenttagebuch, in dem du deine Entscheidungen und deren Gründe festhältst. Notiere dabei konkrete Daten wie Kauf- oder Verkaufszeitpunkte, deine Überlegungen zur Marktlage und welche Emotionen deine Entscheidungen beeinflusst haben. Überprüfe regelmäßig deine Einträge, um Muster oder wiederkehrende Fehler zu erkennen und daraus zu lernen.
- Diversifizierung: Nutze Tools wie Parqet, um deine Anlagen zu analysieren, zu überwachen und zu diversifizieren.
- Passive Strategien: Erwäge die Verwendung von ETFs, die den Markt abbilden, anstatt einzelne Aktien auszuwählen.
- Regelbasiertes Investieren: Entwickle klare Regeln für Kauf- und Verkaufsentscheidungen, um emotionale Reaktionen zu minimieren.
- Kontinuierliche Bildung: Bleib über aktuelle Forschung zur Verhaltensökonomie informiert, um deine Entscheidungsprozesse stetig zu verbessern.
Fazit: Der Weg zu rationaleren Investitionen
Die Illusion der Gültigkeit ist eine mächtige kognitive Verzerrung, die zu Fehlentscheidungen an der Börse führen kann. Indem wir uns unserer kognitiven Grenzen bewusst werden und evidenzbasierte Anlagestrategien verfolgen, können wir unsere Chancen auf langfristigen Erfolg verbessern. Für Privatanleger bedeutet dies konkret, sich auf passive Anlagestrategien wie ETFs zu konzentrieren, langfristige Ziele zu setzen und emotionale Entscheidungen zu minimieren.Die Forschung zeigt deutlich, dass Demut und ein wissenschaftlicher Ansatz beim Investieren oft zu besseren Ergebnissen führen als die Illusion der Kompetenz. Indem wir diese Erkenntnisse in unsere Anlagestrategie integrieren, können wir nicht nur unsere finanziellen Ziele effektiver erreichen, sondern auch ein tieferes Verständnis für die komplexen Mechanismen der Finanzmärkte entwickeln.
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Verantwortlicher: Klaus Rudolf; Kommentare und Fragen bitte an: rudolfklausblog@gmail.com
Auf diesem Blog teile ich meine persönlichen Meinungen und Erfahrungen . Es ist wichtig zu betonen, dass ich weder Arzt noch Finanzberater bin. Jegliche Informationen, die ich in meinem Blog vorstelle, stellen weder Anlageempfehlungen noch Therapieempfehlungen dar. Für fundierte Entscheidungen in Bezug auf Gesundheitsfragen oder Finanzanlagen empfehle ich, sich umfassend zu informieren und bei Bedarf einen professioniellen Experten zu konsultieren.
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