Suzetrigine (JOURNAVX™): Ein neuer Ansatz in der Schmerztherapie. Blog#158

Die Suche nach wirksamen und sicheren Schmerzlinderungsmethoden ist seit jeher ein zentrales Anliegen der Medizin. Während Opioide lange Zeit die Schmerztherapie dominierten, bringen sie erhebliche Risiken wie Suchtgefahr und schwerwiegende Nebenwirkungen mit sich. Mit Suzetrigine (JOURNAVX™) zeichnet sich nun eine vielversprechende Alternative ab, die das Potenzial hat, die Schmerzbehandlung erheblich zu verbessern. Suzetrigine wirkt gezielt auf periphere Schmerzkanäle (NaV1.8) und bietet dadurch eine wirksame, aber potenziell sicherere Alternative zur herkömmlichen Schmerztherapie. Diese Verbindung hat am 30. Januar 2025 die Zulassung der amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA für die Behandlung von mittelschweren bis schweren akuten Schmerzen bei Erwachsenen erhalten, was ihren innovativen Charakter und ihr therapeutisches Potenzial unterstreicht.

Funktionsweise des NaV1.8-Kanals und Wirkungsweise von Suzetrigine

NaV1.8-Kanäle sind spannungsgesteuerte Natriumkanäle, die vorwiegend in peripheren sensorischen Neuronen exprimiert werden. Sie spielen eine entscheidende Rolle bei der Entstehung und Weiterleitung von Schmerzimpulsen. Suzetrigine blockiert selektiv diese NaV1.8-Kanäle und verhindert so die Weiterleitung von Schmerzsignalen, bevor sie das Rückenmark und das Gehirn erreichen. Diese periphere Wirkungsweise unterscheidet Suzetrigine grundlegend von zentral wirksamen Opioiden und verspricht ein geringeres Nebenwirkungs- und Abhängigkeitspotenzial.

Chemische Struktur und Eigenschaften von Suzetrigine

Suzetrigine ist ein hochselektiver Inhibitor des spannungsabhängigen Natriumkanals NaV1.8 und gehört zur Klasse der Tetrahydrofurane. Die Struktur von Suzetrigine weist vier chirale Zentren in der Furanyl-Einheit auf (Positionen 2R, 3S, 4S, 5R), die entscheidend für seine Wirksamkeit und Selektivität sind.


In-vitro- und In-vivo-Selektivität
  • In-vitro-Selektivität Suzetrigine zeigt eine bemerkenswerte Selektivität für den NaV1.8-Kanal: ≥31.000-fache Selektivität für NaV1.8 gegenüber allen anderen Natriumkanälen (NaV1.1–1.9).
  • Keine signifikante ZNS-Penetration: Suzetrigine wirkt vorwiegend auf periphere Schmerzneuronen, mit minimalen Effekten im zentralen Nervensystem. Dies ist klinisch relevant, da dadurch Nebenwirkungen wie Sedierung, Atemdepression oder kognitive Beeinträchtigungen, die bei zentral wirksamen Schmerzmitteln häufig auftreten, weitgehend vermieden werden.
  • Kardiovaskuläre Sicherheit: Keine klinisch relevante QT-Verlängerung oder signifikante Blutdruckveränderungen in präklinischen und klinischen Studien.
Der IC₅₀-Wert von Suzetrigine für den humanen NaV1.8-Kanal beträgt 0,21 nM im Ruhezustand des Kanals und 0,32 nM im halb-inaktivierten Zustand. Diese Werte unterstreichen die außerordentlich hohe Potenz von Suzetrigine als NaV1.8-Inhibitor.

Entwicklung und klinische Studien

Die Entwicklung von Suzetrigine durch Vertex Pharmaceuticals war das Ergebnis jahrzehntelanger Forschung. Die Identifizierung des NaV1.8-Kanals als spezifisches Target für die Schmerztherapie war dabei der entscheidende Durchbruch.

Klinische Studienergebnisse
  • Phase-II-Studie: Positive Ergebnisse bei Patienten mit schmerzhafter lumbosakraler Radikulopathie (LSR), einer Erkrankung, bei der Nervenwurzeln im unteren Rückenbereich gereizt oder geschädigt sind, was zu Schmerzen, Taubheitsgefühlen oder Muskelschwäche in den Beinen führen kann.
  • Phase-III-Studien: Drei Studien untersuchten die Wirksamkeit bei akuten postoperativen Schmerzen.
  • Studie nach Bauchdeckenstraffung (1118 Patienten), einem chirurgischen Eingriff zur Straffung der Bauchdecke, bei dem überschüssige Haut und Fett entfernt sowie die Bauchmuskulatur gestrafft wird.
  • Studie nach Bunionektomie (1073 Patienten), einem chirurgischen Eingriff zur Korrektur einer Fehlstellung des Großzehs (Hallux valgus), bei dem überschüssiger Knochen entfernt und die Stellung der Zehen korrigiert wird.
  • Einarmige Sicherheits- und Wirksamkeitsstudie (ca. 250 Patienten), eine Studie, in der alle Teilnehmer das gleiche Medikament ohne Vergleichsgruppe erhielten, um die Wirksamkeit und Sicherheit von Suzetrigine besser zu verstehen. In den ersten beiden Studien konnte Suzetrigine die Schmerzen innerhalb von 48 Stunden nach dem Eingriff schneller und stärker senken als Placebo. Im Vergleich zur Kombination Hydrocodon/Paracetamol (5 mg/325 mg) zeigte Suzetrigine eine vergleichbare, wenn auch leicht geringere Wirksamkeit. In der einarmigen Studie bewerteten 83 Prozent der Patienten die Wirkung von Suzetrigine als gut, sehr gut oder hervorragend.

Dosierung und Nebenwirkungsprofil

Die zugelassene Dosierung von JOURNAVX™ für die Behandlung akuter Schmerzen bei Erwachsenen beträgt:
  • Initialdosis: 100 mg
  • Erhaltungsdosis: 50 mg alle 12 Stunden
  • Die maximale tägliche Dosis sollte 200 mg nicht überschreiten.
JOURNAVX™ zeigte in klinischen Studien ein günstiges Nebenwirkungsprofil. Zu den häufigsten Nebenwirkungen (Inzidenz ≥5%) zählten:
  • Übelkeit (9,8%)
  • Kopfschmerzen (7,8%)
  • Schwindel (6,0%)
  • Somnolenz (5,5%)
Schwerwiegende Nebenwirkungen waren selten (<1%). Im Vergleich zu Opioiden zeigte JOURNAVX™ kein erkennbares Risiko für Atemdepression oder Suchtentwicklung.

Zulassung und weitere klinische Studien

Am 30. Januar 2025 erhielt Suzetrigine unter dem Markennamen JOURNAVX™ die FDA-Zulassung für die Behandlung von mittelschweren bis schweren akuten Schmerzen bei Erwachsenen in den USA. Die Zulassung umfasst alle Arten von mittelschweren bis schweren akuten Schmerzen.

Vertex Pharmaceuticals plant, JOURNAVX™ auch für die Behandlung chronischer Schmerzen zu untersuchen, einschließlich diabetischer peripherer Neuropathie und anderer neuropathischer Schmerzzustände. Erste präklinische Untersuchungen und Phase-II-Studien deuten darauf hin, dass Suzetrigine möglicherweise eine wirksame Option für diese Indikationen sein könnte, jedoch sind weitere klinische Studien erforderlich, um die langfristige Wirksamkeit und Sicherheit in diesen Patientengruppen zu bestätigen.

Journavx: Sicherer als Opioide, aber deutlich teurer

Journavx unterscheidet sich von Opioiden vor allem durch seine Sicherheit und den Preis: Eine 50-mg-Dosis kostet 15,50 $, was für eine zweiwöchige Behandlung 420 $ ergibt – deutlich mehr als generische Opioide, die mit etwa 0,50 $ pro Dosis deutlich günstiger sind. Dabei handelt es sich insbesondere um weit verbreitete generische Schmerzmittel wie Oxycodon, Hydrocodon und Morphin, die seit Jahren zur Schmerztherapie eingesetzt werden. Der Preis von Journavx liegt jedoch nur bei der Hälfte der Schätzung des Institute for Clinical and Economic Review (ICER) zur Kosteneffektivität. ICER ist eine unabhängige Organisation, die den klinischen und wirtschaftlichen Wert neuer Medikamente bewertet und damit die Preisgestaltung und Erstattung durch Versicherungen beeinflusst. Trotz anfänglicher Zurückhaltung von Ärzten wird erwartet, dass Journavx bis 2028 einen Umsatz von 1 Milliarde $ erreicht und 2031 mit 4,9 Milliarden $ seinen Höhepunkt erreicht.

Fazit

  • JOURNAVX™ (Suzetrigine) repräsentiert einen bedeutenden Fortschritt in der Schmerztherapie als erster zugelassener selektiver NaV1.8-Inhibitor. Obwohl es derzeit der einzige zugelassene Wirkstoff dieser Klasse ist, befinden sich weitere NaV1.8-Inhibitoren in der klinischen Entwicklung, was die Bedeutung dieses Mechanismus für die Schmerztherapie unterstreicht. 
  • Es bietet einen neuartigen Ansatz zur Schmerzlinderung mit potenziellen Vorteilen gegenüber herkömmlichen Opioiden, insbesondere hinsichtlich des Sicherheitsprofils und des fehlenden Suchtpotenzials. 
  • Die FDA-Zulassung markiert einen wichtigen Meilenstein, jedoch sind weitere Studien und Erfahrungen aus der breiten klinischen Anwendung erforderlich, um das langfristige Nutzen-Risiko-Profil vollständig zu bewerten.

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Verantwortlicher: Klaus Rudolf; Kommentare und Fragen bitte an: rudolfklausblog@gmail.com
Auf diesem Blog teile ich meine persönlichen Meinungen und Erfahrungen . Es ist wichtig zu betonen, dass ich weder Arzt noch Finanzberater bin. Jegliche Informationen, die ich in meinem Blog vorstelle, stellen weder Anlageempfehlungen noch Therapieempfehlungen dar. Für fundierte Entscheidungen in Bezug auf Gesundheitsfragen oder Finanzanlagen empfehle ichsich umfassend zu informieren und bei Bedarf einen professioniellen Experten zu konsultieren.
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