Gesund, sauer, genial: Die wissenschaftlichen Hintergründe von Sauerkraut! Blog#166

Seit meiner Kindheit bin ich ein begeisterter Esser von Sauerkraut. Ob als Beilage zum Sonntagsbraten oder als Herzstück eines deftigen Eintopfs – der säuerlich-frische Geschmack und das knackige Mundgefühl faszinieren mich. Diese Vorliebe teile ich mit vielen Menschen weltweit: Sauerkraut erfreut sich international großer Beliebtheit, sei es in der deutschen Küche, als Bestandteil osteuropäischer Gerichte oder in modernen Ernährungsweisen. Seine Vielseitigkeit und die Verbindung von traditionellem Geschmack mit ernährungsphysiologischen Vorteilen machen es zu einem zeitlosen Klassiker. Hinter diesem scheinbar simplen Gericht verbirgt sich eine faszinierende Welt aus Mikrobiologie und Biochemie. Dieser Artikel beleuchtet zentrale Fragen: Wie entsteht Sauerkraut? Was sichert seine Haltbarkeit? Und weshalb gilt es als gesund?

Ein kurzer Blick in die Geschichte des Sauerkrauts

Die Geschichte des Sauerkrauts ist faszinierend. Bereits um 300 v. Chr. nutzten chinesische Arbeiter fermentierten Kohl als Vitamin-C-Quelle beim Bau der Großen Mauer. Mongolische Reiter könnten die Technik nach Europa gebracht haben, archäologische Funde deuten aber auch auf unabhängige Fermentationspraktiken bei den alten Römern hin. Im 13. Jahrhundert perfektionierten mitteleuropäische Klöster die Methode, indem sie Salz zur gezielten Steuerung der Gärung einsetzten.

Seefahrer wie James Cook verhinderten mit Sauerkraut im 18. Jahrhundert erfolgreich Skorbutausbrüche, da der Vitamin-C-Gehalt durch die Fermentation stabil bleibt. Die Legende, Buzz Aldrin hätte 1969 Sauerkraut auf dem Mond gegessen, ist zwar nicht durch NASA-Protokolle belegt, unterstreicht aber die kulturelle Strahlkraft dieses Lebensmittels.

Die Herstellung von Sauerkraut – Wissenschaftlich erklärt

Sauerkraut entsteht durch Milchsäuregärung von Weiß- oder Spitzkohl. Milchsäurebakterien (LAB, englisch: Lactic Acid Bacteria) wandeln Zucker unter Sauerstoffausschluss in Milchsäure um – ein Prozess, der in mehreren Phasen verläuft:
  • Vorbereitung (0–12 h): Fein gehobelter Kohl wird mit 2–2,5 % Salz vermischt. Das Salz entzieht Zellwasser und bildet eine Lake, die schädliche Keime hemmt.
  • Anaerobe Phase (1–3 Tage): Leuconostoc mesenteroides ist ein für die Lebensmittelfermentation essenzielles Milchsäurebakterium, das natürlicherweise auf Gemüse wie Kohl vorkommt. Es leitet die Gärung ein, indem es den im Kohl enthaltenen Zucker zu Milchsäure umwandelt. Dadurch sinkt der pH-Wert auf etwa 5,5. Gleichzeitig entsteht Kohlendioxid (CO₂), das eine schützende Decke bildet und den Sauerstoff verdrängt, sodass unerwünschte Keime nicht wachsen können.
  • Hauptgärung (4–14 Tage): Lactobacillus plantarum, ein weiteres wichtiges Milchsäurebakterium, übernimmt nun die führende Rolle im Gärprozess und wandelt den verbliebenen Zucker im Kohl in Milchsäure um. Dadurch sinkt der pH-Wert auf etwa 3,5 bis 4,0. Diese Säure konserviert den Kohl, hemmt das Wachstum schädlicher Keime und verleiht dem Sauerkraut sein typisches säuerliches Aroma.
  • Reifung (ab 15 Tagen): Bei 15–18 °C reift das Sauerkraut weiter, wobei komplexe Esterverbindungen entstehen. Ester sind chemische Verbindungen, die sich aus Alkoholen und Säuren bilden und für angenehme Aromen und Düfte sorgen. In dieser Phase tragen sie dazu bei, dass das Sauerkraut seinen typischen, fein-säuerlichen und leicht fruchtigen Geschmack erhält. Je länger das Kraut reift, desto vielschichtiger wird das Geschmacksprofil.

Warum ist Sauerkraut so gut haltbar?

Zwei Faktoren wirken synergistisch:
  • Säurebarriere: Milchsäure (1,5–2 %) und ein pH-Wert von 3,5–3,8 deaktivieren krankheitserregende Keime wie Listeria monocytogenesListeria monocytogenes ist ein Bakterium, das in Lebensmitteln vorkommt und vor allem bei Menschen mit geschwächtem Immunsystem schwere Infektionen verursachen kann. Die Milchsäure sorgt dafür, dass die Eiweiße (Enzyme) in diesen Bakterien ihre Form und Funktion verlieren – dieser Vorgang wird als Denaturierung bezeichnet. Ohne funktionsfähige Enzyme können die Keime nicht überleben oder sich vermehren.
  • Sauerstoffausschluss: Das während der Anfangsphase entstehende Kohlendioxid (CO₂) verdrängt die Luft und sorgt dafür, dass kein Sauerstoff mehr an den Kohl gelangt. Dies ist wichtig, weil Sauerstoff das Wachstum von Schimmelpilzen und anderen schädlichen Mikroorganismen fördern würde. Ohne Sauerstoff können diese Keime nicht gedeihen. Zusätzlich setzen die nützlichen Milchsäurebakterien spezielle Schutzstoffe frei, sogenannte Bakteriozine – darunter auch Nisin. Diese Stoffe wirken wie natürliche Antibiotika: Sie greifen unerwünschte Konkurrenzmikroben an, verhindern deren Wachstum und unterstützen so die Haltbarkeit und Sicherheit des Sauerkrauts. 

Nährstoffgehalt und gesundheitliche Vorteile

Rohes Sauerkraut ist ein kalorienarmes Lebensmittel mit bemerkenswertem Nährstoffgehalt. Mit nur 19 Kilokalorien pro 100 Gramm liefert es eine leichte, aber nahrhafte Beilage. Die enthaltenen 2,9 Gramm Ballaststoffe unterstützen die Verdauung, fördern ein langanhaltendes Sättigungsgefühl und können zur Regulierung des Blutzuckerspiegels beitragen. Besonders hervorzuheben ist der Vitamin-C-Gehalt von 15 Milligramm, was etwa 17 % der empfohlenen Tagesdosis entspricht. Vitamin C ist wichtig für das Immunsystem, die Wundheilung und den Schutz der Zellen vor oxidativem Stress. Auch Vitamin K1 ist mit 13 Mikrogramm pro 100 Gramm vertreten; es spielt eine wesentliche Rolle bei der Blutgerinnung und unterstützt die Knochengesundheit. Die im Sauerkraut enthaltene Milchsäure (1,5–2 %) entsteht durch den Gärprozess und trägt nicht nur zur Haltbarkeit bei, sondern kann auch die Verdauung fördern und das Wachstum nützlicher Darmbakterien unterstützen. Zusammengenommen bietet Sauerkraut eine vielseitige Nährstoffkombination, die es zu einer wertvollen Ergänzung einer ausgewogenen Ernährung macht.

Nachgewiesene gesundheitliche Effekte:
  • Probiotika: Unpasteurisiertes Sauerkraut enthält bis zu 10⁷ KBE/g (koloniebildende Einheiten pro Gramm) lebende Milchsäurebakterien (LAB, englisch: Lactic Acid Bacteria). Diese nützlichen Mikroorganismen können die Zusammensetzung der Darmflora positiv beeinflussen. Die Darmflora, auch Darmmikrobiom genannt, besteht aus Billionen von Bakterien, die eine wichtige Rolle bei der Verdauung, der Abwehr von Krankheitserregern und dem Immunsystem spielen. Wenn man probiotisches Sauerkraut isst, gelangen die lebenden Milchsäurebakterien in den Verdauungstrakt, wo sie schädliche Keime verdrängen, Entzündungen reduzieren und die Aufnahme von Nährstoffen verbessern können. Studien zeigen, dass eine ausgewogene Darmflora nicht nur die Verdauung unterstützt, sondern auch das allgemeine Wohlbefinden fördert und das Immunsystem stärkt.
  • Antioxidantien: Sauerkraut enthält Abbauprodukte von Glucosinolaten – Pflanzenstoffen, die vor allem in Kohl vorkommen. Ein wichtiges davon ist Sulforaphan, das in Labortests (in vitro) eine mögliche krebsvorbeugende Wirkung zeigt. Es unterstützt körpereigene Entgiftungsenzyme und kann oxidativen Stress verringern. Ob diese Effekte auch beim Menschen durch den Verzehr von Sauerkraut wirksam sind, wird noch erforscht.

Optimale Zubereitung

✅ Für Probiotika: Nur rohes, unpasteurisiertes Sauerkraut (z.B. gekühlte Glasware) verwenden. Erwärmung unter 40 °C erhält die Mikroorganismen.

⚠️ Bei Hitzezufuhr: 10-minütiges Kochen reduziert Vitamin C um 40 %, zerstört aber schädliche Keime in selbst fermentiertem Kraut.

Fazit

Sauerkraut vereint Jahrtausende altes Konservierungswissen mit modernen ernährungsphysiologischen Erkenntnissen. Seine Haltbarkeit verdankt es einem präzisen Zusammenspiel aus Säurebildung und Sauerstoffausschluss, während lebende Milchsäurebakterien und bioaktive Substanzen gesundheitliche Vorteile bieten. Für maximale Wirkung sollte man traditionell fermentiertes, unpasteurisiertes Sauerkraut bevorzugen – ein kulinarisches Erbe, das Wissenschaft und Gaumen gleichermaßen bereichert.

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Verantwortlicher: Klaus Rudolf; Kommentare und Fragen bitte an: rudolfklausblog@gmail.com
Auf diesem Blog teile ich meine persönlichen Meinungen und Erfahrungen . Es ist wichtig zu betonen, dass ich weder Arzt noch Finanzberater bin. Jegliche Informationen, die ich in meinem Blog vorstelle, stellen weder Anlageempfehlungen noch Therapieempfehlungen dar. Für fundierte Entscheidungen in Bezug auf Gesundheitsfragen oder Finanzanlagen empfehle ichsich umfassend zu informieren und bei Bedarf einen professioniellen Experten zu konsultieren.
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