Mikro- und Nanoplastik im Gehirn: Aktuelle Erkenntnisse und Implikationen. Blog#160

Eine aktuelle Studie in Nature Medicine belegt die zunehmende Anreicherung von Mikro- und Nanoplastikpartikeln (MNPs) im menschlichen Gehirn (LINK), was potenzielle Folgen für die Gesundheit nach sich zieht. Die Forschung verdeutlicht, dass das globale Plastikproblem umfassend angegangen werden muss, um Gesundheits- und Umweltschäden möglichst zu vermeiden.

Definition und Verbreitung von MNPs

MNPs sind Kunststofffragmente, die durch physikalischen, chemischen oder biologischen Abbau größerer Plastikteile entstehen. Sie lassen sich nach Größe klassifizieren:
  • Mikroplastik: 1 µm – 5 mm
  • Nanoplastik: <1 µm (bis 1 nm). 
Häufig dominieren Polyethylen (PE), Polypropylen (PP) und Polyethylenterephthalat (PET). Jährlich werden weltweit etwa 460 Millionen Tonnen Plastik produziert (Stand 2022), von denen ein erheblicher Anteil in die Umwelt gelangt. Durch Verwitterung, Reifenabrieb oder Zersetzung von Textilien gelangen MNPs in Luft, Wasser und Böden.

Aufnahme und Verteilung im Körper

MNPs gelangen in erster Linie über drei Hauptpfade in den Körper:
  • Nahrung und Getränke: Besonders betroffen sind Meeresfrüchte, verpackte Lebensmittel und abgefülltes Wasser in Plastikflaschen.
  • Atemluft: Reifenabrieb und synthetische Fasern setzen lungengängige Partikel frei.
  • Hautkontakt: Kosmetika mit Mikrokügelchen oder Plastikverpackungen können Nanoplastik freisetzen.
Nanoplastik mit einer Größe unter 100 nm kann sowohl die Blut-Hirn-Schranke als auch die Plazenta überwinden. Studien haben gezeigt, dass Nanopartikel bis zu 240 nm die Blut-Hirn-Schranke passieren können. Größere Teilchen werden dagegen vermehrt über den Darm ausgeschieden.

Studienergebnisse zur Akkumulation im Gehirn

Eine kürzlich in Nature Medicine veröffentlichte Studie untersuchte Gehirn-, Leber- und Nierengewebe von etwa zwei Dutzend verstorbenen Personen, die zwischen 2016 und 2024 obduziert wurden. Die Forschenden nutzten dabei Infrarotspektroskopie und Elektronenmikroskopie. Die Ergebnisse zeigten, dass die Konzentration von Mikro- und Nanoplastikpartikeln (MNPs) im Gehirn im Vergleich zu Leber oder Nieren bis zu 30-mal höher war.
  • Polyethylen machte mit 71 Prozent den größten Anteil aus, gefolgt von Polyethylenterephthalat (18 Prozent) und Polypropylen (8 Prozent). 
  • Bei Demenzpatienten wurden im Median signifikant höhere MNP-Werte (9832 Mikrogramm pro Gramm) festgestellt als in den Vergleichsproben (4917 Mikrogramm pro Gramm) (p<0.001). 
  • Darüber hinaus stieg die MNP-Belastung im Gehirn zwischen 2016 und 2024 um 50 Prozent, was im Einklang mit der globalen Zunahme der Plastikproduktion steht.

Ein kausaler Zusammenhang zwischen MNPs und Demenz ist bislang nicht eindeutig nachgewiesen. Dennoch deuten erste Hinweise darauf hin, dass die beobachteten Partikelablagerungen möglicherweise mit typischen demenziellen Veränderungen wie Gewebsatrophie und einer gestörten Blut-Hirn-Schranke in Verbindung stehen.

Weitere gesundheitliche Risiken

Eine 2025 in Science Advances veröffentlichte Mausstudie (LINK) zeigte, dass Nanoplastik im Blutstrom zu einer Aktivierung von Immunzellen, der Bildung von Thrombosen und einer um 43 Prozent verringerten Hirndurchblutung führte.

Humanstudien zeigen ebenfalls mögliche gesundheitliche Risiken:
  • In 58 Prozent der untersuchten atherosklerotischen Plaques wurden MNPs festgestellt, was das Herzinfarktrisiko um das 4,5-Fache erhöhte (LINK).
  • In einer 2024 publizierten chinesischen Studie konnten MNPs in sämtlichen Spermaproben nachgewiesen werden (LINK).
Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass MNPs nicht nur das Herz-Kreislauf-System, sondern möglicherweise auch die Fortpflanzungsfunktionen beeinträchtigen könnten.

Praktische Implikationen: Schutz und Prävention

Um eine mögliche Anreicherung von MNPs im menschlichen Organismus zu verringern, sind gezielte Änderungen im Alltag von entscheidender Bedeutung:
  • Verzicht auf stark in Kunststoff verpackte Lebensmittel, Fertigprodukte und potenziell belastete Meeresfrüchte
  • Wahl unverpackter und frischer Produkte
  • Bevorzugung von Leitungswasser gegenüber abgefülltem Wasser
  • Gründliche Reinigung von Obst und Gemüse
  • Regelmäßiges Staubwischen mit feuchten Tüchern oder Mops
  • Verwendung von Glas- oder Edelstahlbehältern anstelle von Plastikgefäßen
  • Nutzung wiederverwendbarer Stofftaschen
  • Verwendung eines speziellen Waschbeutels (z.B. Guppyfriend) beim Waschen synthetischer Textilien, der bis zu 86% der Mikroplastikfasern auffängt

Technologische und politische Lösungsansätze

Über individuelle Maßnahmen hinaus sind technologische und politische Lösungen von großer Bedeutung:
  • Hochwirksame Filtertechnologien in Kläranlagen können MNP-Emissionen um bis zu 92 Prozent reduzieren.
  • Biologisch abbaubare Kunststoffe wie Polymilchsäure (PLA) bieten eine mögliche Alternative zu herkömmlichen Kunststoffen.
  • Die Europäische Union plant, den Einsatz von Polyethylen und Polypropylen in Verpackungen zu beschränken und ab 2026 ein umfassendes Monitoring von MNPs zu verpflichten.Weltweit gibt es unterschiedliche Ansätze zur Reduzierung von Plastikabfällen. Während einige Länder wie Ruanda und Kenia Plastiktüten komplett verboten haben, setzen andere auf Recycling-Initiativen oder Pfandsysteme.

Fazit und Ausblick

Die nachgewiesene Akkumulation von MNPs im Gehirn macht weitere, vertiefte Untersuchungen erforderlich. Obwohl die langfristigen Folgen derzeit nicht abschließend geklärt sind, deuten vermehrte Hinweise auf mögliche gesundheitliche Risiken hin. Vor diesem Hintergrund sind insbesondere drei Bereiche von Bedeutung:
  1. Die Reduzierung der Exposition durch sorgfältiges Konsumverhalten und nachhaltige Materialien
  2. Die Intensivierung politischer Maßnahmen, um die Produktion und Freisetzung von Plastik zu minimieren
  3. Eine gezielte Vertiefung der Forschung, um kausale Zusammenhänge zu identifizieren und potenzielle Therapieansätze zu entwickeln
Zudem ist es wichtig, die Entwicklung von Biomarkern für die MNP-Belastung voranzutreiben, um eine standardisierte Messung in lebenden Organismen zu ermöglichen.Es bleibt zu beachten, dass die Messung von Nanoplastik in biologischen Proben methodisch herausfordernd ist und die Forschung in diesem Bereich noch am Anfang steht. Weitere Studien sind notwendig, um die langfristigen Auswirkungen von MNPs auf die menschliche Gesundheit vollständig zu verstehen und effektive Gegenmaßnahmen zu entwickeln.

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Verantwortlicher: Klaus Rudolf; Kommentare und Fragen bitte an: rudolfklausblog@gmail.com
Auf diesem Blog teile ich meine persönlichen Meinungen und Erfahrungen . Es ist wichtig zu betonen, dass ich weder Arzt noch Finanzberater bin. Jegliche Informationen, die ich in meinem Blog vorstelle, stellen weder Anlageempfehlungen noch Therapieempfehlungen dar. Für fundierte Entscheidungen in Bezug auf Gesundheitsfragen oder Finanzanlagen empfehle ichsich umfassend zu informieren und bei Bedarf einen professioniellen Experten zu konsultieren.
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