Natürlicher Wasserstoff: Die ungenutzte Energiequelle unter unseren Füßen! Blog#168
Wasserstoff als Schlüssel zur Energiewende
Wasserstoff gilt als einer der vielversprechendsten Energieträger für eine klimaneutrale Zukunft. Er verbrennt ohne CO₂-Emissionen, lässt sich vielseitig einsetzen und könnte eine Schlüsselrolle in der Dekarbonisierung von Sektoren spielen, die schwer zu elektrifizieren sind. Insbesondere im Schwerlastverkehr, in der Luftfahrt und in industriellen Hochtemperaturprozessen wird Wasserstoff als Alternative zu fossilen Brennstoffen gesehen.Das Problem: Die heutige Wasserstoffproduktion basiert überwiegend auf Erdgas und ist damit alles andere als klimafreundlich. Zwar gibt es mit der Elektrolyse mittels erneuerbaren Stroms („grüner Wasserstoff") eine klimafreundliche Alternative. Doch bleibt umstritten, ob auf diesem Weg große Mengen kostengünstig erzeugt werden können – eine Skepsis, die ich teile, da ich nicht glaube, dass die erforderlichen Mengen in absehbarer Zeit wirtschaftlich und in ausreichendem Umfang produziert werden können.
Nun rückt eine weitere Möglichkeit in den Fokus: natürlicher Wasserstoff, der kontinuierlich im Erdinneren entsteht. Besonders vielversprechend erscheinen dabei geologische Strukturen, die als "Rift-Inversionsorogene" bezeichnet werden – ein Begriff, den wir im Laufe dieses Artikels genauer erklären werden. Gleichzeitig liefern neue Kartierungen überraschende Erkenntnisse zur geografischen Verbreitung dieser potenziellen Energiequelle.
Was ist natürlicher Wasserstoff?
Unter natürlichem Wasserstoff versteht man molekularen Wasserstoff (H₂), der durch geologische Prozesse in der Erdkruste und im oberen Erdmantel gebildet wird. Im Gegensatz zum industriell erzeugten Wasserstoff, der entweder durch Dampfreformierung aus Erdgas (grauer Wasserstoff) oder durch Elektrolyse von Wasser mit Strom (grüner Wasserstoff) hergestellt wird, entsteht natürlicher Wasserstoff ohne menschliches Zutun.Der wichtigste Prozess für die großflächige natürliche Wasserstoffbildung ist die sogenannte Serpentinisierung. Dabei handelt es sich um eine chemische Reaktion, bei der eisenreiche Minerale im Erdmantel mit Wasser reagieren. Vereinfacht ausgedrückt: Wenn Wasser mit diesen Gesteinen in Kontakt kommt, wird das Eisen oxidiert (es "rostet" gewissermaßen), und als Nebenprodukt entsteht Wasserstoff.
Ein Beispiel aus dem Alltag: Wenn ein Eisennagel rostet, verändert sich seine chemische Zusammensetzung – er verbindet sich mit Sauerstoff. Bei der Serpentinisierung im Erdinneren geschieht Ähnliches, nur dass hier der Sauerstoff aus dem Wasser (H₂O) stammt und der übrigbleibende Wasserstoff freigesetzt wird.
Der Prozess läuft am effizientesten bei Temperaturen zwischen 200 und 350 Grad Celsius ab – Bedingungen, die typischerweise in Tiefen zwischen 7 und 10 Kilometern herrschen. Aber auch andere Prozesse können zur Bildung von natürlichem Wasserstoff beitragen, wie etwa die Radiolyse, bei der radioaktive Strahlung Wassermoleküle aufspaltet.
Forschungen legen nahe, dass weltweit enorme Mengen natürlichen Wasserstoffs vorhanden sein könnten. Geoffrey Ellis vom United States Geological Survey (USGS), die zentrale Forschungs- und Kartierungsbehörde für Geologie und natürliche Ressourcen in den USA schätzt die globalen Ressourcen auf etwa fünf Billionen Tonnen – mit der erheblichen Einschränkung, dass der größte Teil davon wirtschaftlich nicht gewinnbar sein dürfte. Selbst wenn nur ein kleiner Prozentsatz dieser Menge erschlossen werden könnte, ließe sich damit der prognostizierte jährliche Bedarf von bis zu 400 Millionen Tonnen Wasserstoff decken.
Rift-Inversionsorogene: Geologische Wasserstofffabriken
Um zu verstehen, warum Rift-Inversionsorogene so wichtig für die natürliche Wasserstofferzeugung sind, müssen wir zunächst einen Blick auf die zugrundeliegenden geologischen Prozesse werfen.Der Begriff klingt kompliziert, lässt sich aber in seine Bestandteile zerlegen: "Rift" bezeichnet einen Grabenbruch, also eine Zone, in der die Erdkruste auseinandergezogen wird. "Inversion" bedeutet eine Umkehrung dieses Prozesses – die zuvor auseinandergezogene Kruste wird wieder zusammengeschoben. "Orogen" schließlich bezeichnet ein Gebirge, das durch tektonische Kräfte entstanden ist.
Ein Rift-Inversionsorogen durchläuft also vereinfacht gesagt zwei Hauptphasen:
- Riftphase: Kontinentalplatten driften auseinander, die Erdkruste wird gedehnt und verdünnt. In fortgeschrittenen Stadien kann dabei Mantelmaterial (das normalerweise tief unter der Erdkruste liegt) nach oben gelangen – man spricht von "exhumiertem Mantel".
- Inversionsphase: Die tektonischen Kräfte kehren sich um, die Platten werden wieder zusammengeschoben. Das zuvor nach oben gelangte Mantelmaterial wird dabei in komplexer Weise verformt und teilweise wieder in die Tiefe gedrückt.
Hinzu kommt, dass in geologischen Zonen, die sich erst gedehnt und später wieder zusammengeschoben haben, typischerweise die geologischen Strukturen vorhanden sind, die für eine wirtschaftliche Nutzung notwendig wären: Reservoirgesteine, in denen sich der Wasserstoff ansammeln kann, und undurchlässige Deckschichten, die verhindern, dass er entweicht.
Konkrete Beispiele für solche vielversprechenden Regionen finden sich im westlichen Teil des Alpen-Himalaya-Gebirgsgürtels, insbesondere in den Pyrenäen, den Alpen und auf dem Balkan. Im westlichen Teil der Pyrenäen beispielsweise gibt es Hinweise auf aktive Wasserstoffbildung aus Mantelgestein, das sich in der optimalen Tiefe befindet.
Bahnbrechende Kartierung: Natürlicher Wasserstoff in den USA
Der U.S. Geological Survey (USGS) hat kürzlich eine interaktive Karte veröffentlicht, die potenzielle Standorte für natürlich vorkommende Wasserstoffgasreserven in den USA zeigt (LINK). Diese neue Entdeckung stellt frühere Annahmen über die Seltenheit dieser Ressource infrage.Median (P50) Prospektivität bezieht sich auf eine Wahrscheinlichkeitseinschätzung, dass ein bestimmtes Gebiet für die Gewinnung von natürlichem Wasserstoff interessant ist.
Die farbcodierte Karte markiert Regionen mit hohem Potenzial für Wasserstoffreserven, darunter große Teile von Michigan, östliches Kentucky, südliches North Dakota sowie Gebiete in Kansas, Colorado, Wyoming, Iowa und Oklahoma.
Zusätzlich gibt es vielversprechende Regionen entlang der kalifornischen und der Ostküste. Insgesamt erfüllen mindestens 30 US-Bundesstaaten die geologischen Bedingungen für natürliche Wasserstoffbildung – eine überraschende Erkenntnis für die Wissenschaft.
Was besonders bemerkenswert ist: Viele der identifizierten Regionen in den USA sind keine klassischen Rift-Inversionsorogene, was darauf hindeutet, dass natürlicher Wasserstoff unter verschiedenen geologischen Bedingungen entstehen kann – eine Erkenntnis, die das Potenzial dieser Ressource weiter vergrößert.
Vorteile und Herausforderungen der natürlichen Wasserstoffgewinnung
Die Nutzung von natürlichem Wasserstoff hätte gegenüber konventionellen Methoden der Wasserstoffherstellung mehrere Vorteile:- Klimaneutralität: Anders als bei der Herstellung aus Erdgas entstehen keine CO₂-Emissionen. Der Wasserstoff wird durch natürliche geologische Prozesse gebildet.
- Kontinuierliche Erneuerung: Die Serpentinisierung ist ein fortlaufender Prozess. Untersuchungen in Lothringen zeigen, dass der Wasserstoffgehalt mit zunehmender Tiefe ansteigt – ein Hinweis darauf, dass er kontinuierlich neu gebildet wird.
- Lokale Energiequelle: Natürlicher Wasserstoff könnte vor Ort gefördert und genutzt werden, was die Transportkosten reduziert und die lokale Wirtschaft stärkt.
- Geringe Umweltauswirkungen: Für die Förderung wird an der Oberfläche kaum mehr Platz als für ein Fußballfeld benötigt, und abgesehen von den Bohrarbeiten, die einige Monate dauern, gibt es laut Experten kaum Beeinträchtigungen.
- Explorationsunsicherheit: Es besteht noch große Unsicherheit darüber, wie viel Wasserstoff tatsächlich im Untergrund vorhanden ist und wie viel davon wirtschaftlich gewinnbar ist.
- Technische Herausforderungen: Anders als bei Öl und Gas steht die Entwicklung geeigneter Fördertechnologien noch am Anfang. Beispielsweise müssen passende Stähle für die Bohrungen getestet werden, da Wasserstoff Metalle spröde machen kann.
- Molekulare Eigenschaften: Wasserstoffmoleküle sind extrem klein und können durch die meisten Gesteinsschichten diffundieren oder durch chemische Reaktionen und Mikroben abgebaut werden.
- Forschungsbedarf: Um das Potenzial genau abzuschätzen, sind weitere geologische und geophysikalische Untersuchungen nötig, insbesondere Messungen in großer Tiefe, wo es mehr als 100 Grad warm ist und definitiv keine Bakterien mehr überleben können, die das Ergebnis verfälschen könnten.
Die Notwendigkeit eines systematischen Ansatzes
Um das Potenzial natürlicher Wasserstoffvorkommen effektiv zu erschließen, ist ein systematischer Ansatz erforderlich – ähnlich wie bei der Erdölexploration. Forscher sprechen von einer "natürlichen Wasserstoffsystemanalyse", die analog zur "Erdölsystemanalyse" funktionieren könnte.Genau diesen systematischen Ansatz verfolgt auch die USGS-Karte für die USA, indem sie die drei kritischen Faktoren – Wasserstoffquellen, Speichergesteine und Abdichtungen – gemeinsam betrachtet. Diese Methodik könnte als Vorbild für ähnliche Kartierungsprojekte in anderen Regionen der Welt dienen, insbesondere in Gebieten mit Rift-Inversionsorogenen wie den Alpen oder den Pyrenäen.
Das Potenzial für die Zukunft
Experten ziehen Parallelen zur frühen Erdölexploration: Vor der Entdeckung großer Ölreserven galt Erdöl ebenfalls als selten und unwirtschaftlich. Mit verbesserter Explorationstechnologie könnte sich auch bei natürlichem Wasserstoff eine ähnliche Entwicklung abzeichnen – möglicherweise als eine der zentralen Energiequellen der Zukunft.
Die Entwicklung dieser neuen Ressource könnte sich schrittweise vollziehen:
- Forschung und Exploration (aktuell): Identifizierung geeigneter Standorte, Entwicklung von Fördertechnologien, erste Pilotprojekte.
- Frühe kommerzielle Nutzung: Wirtschaftliche Förderung an besonders ergiebigen Standorten, Weiterentwicklung der Technik.
- Skalierung: Ausweitung der Förderung, Integration in bestehende Energiesysteme.
- Etablierung: Natürlicher Wasserstoff wird ein fester Bestandteil des Energiemixes, möglicherweise kombiniert mit Geothermie oder der Gewinnung wertvoller Mineralien.
- Ein weiteres wirtschaftliches Potenzial ergibt sich aus der möglichen Kopplung mit Geothermie, CO₂-Speicherung oder der Förderung von Methan und Mineralien, was die wirtschaftliche Rentabilität zusätzlich steigern könnte.
Fazit
Natürlicher Wasserstoff könnte eine wichtige Rolle in unserem zukünftigen Energiemix spielen. Die Forschung zeigt, dass die geologischen Voraussetzungen für eine wirtschaftliche Gewinnung an vielen Orten gegeben sein könnten – sowohl in Rift-Inversionsorogenen im Alpen-Himalaya-Gebirgsgürtel als auch in den von der USGS neu identifizierten Regionen in den USA.
Die Entdeckung, dass mindestens 30 US-Bundesstaaten die geologischen Kriterien für die Bildung von Wasserstoff erfüllen, hat die wissenschaftliche Gemeinschaft überrascht und frühere Annahmen über die Seltenheit dieser Ressource in Frage gestellt. Diese neuen Erkenntnisse, kombiniert mit dem wachsenden Verständnis der Rolle von Rift-Inversionsorogenen bei der Wasserstoffbildung, könnten einen Wendepunkt in unserer Energieversorgung markieren.
Trotz vieler offener Fragen und technischer Herausforderungen gibt es gute Gründe für Optimismus. Die ständige natürliche Erneuerung dieser Ressource, ihre klimaneutrale Natur und die potenziell geringen Umweltauswirkungen machen sie zu einer attraktiven Option für die Energiewende.
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