Umwelt schlägt Gene: Eine wegweisende Studie zeigt, was unser Leben wirklich verlängert! Blog#167

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Was verlängert oder verkürzt unser Leben? Seit Jahrhunderten stellt sich genau diese Frage. Eine wegweisende Studie in Nature Medicine (LINK) gibt nun eine überraschend klare Antwort: Unsere Umwelt und unser Lebensstil haben einen fast zehnmal stärkeren Einfluss auf unsere Lebensdauer als unsere Gene. Forscher der Universität Oxford und weiterer renommierter Institutionen identifizierten 25 unabhängige Umweltfaktoren, die maßgeblich bestimmen, wie wir altern und wann wir sterben – und die meisten davon können wir selbst beeinflussen!


Die Suche nach den wahren Treibern des Alterns

Während unsere Lebenserwartung sich in den letzten 200 Jahren nahezu verdoppelt hat, ist unser Genom praktisch unverändert geblieben. Dies deutet stark darauf hin, dass Umweltfaktoren unser Altern maßgeblich beeinflussen. Doch welche Faktoren genau sind es, und wie stark ist ihr Einfluss im Vergleich zu unseren Genen?

Um diese Fragen zu beantworten, analysierten die Forscher Daten von fast 500.000 Teilnehmern der UK Biobank. Sie führten eine systematische Analyse der „Gesamtheit aller Umwelt- und Lebensstilfaktoren, die im Laufe des Lebens auf einen Menschen einwirken“ (auch als Exposom bezeichnet) durch, bei der sie systematisch 164 Umweltfaktoren untersuchten und deren Zusammenhang mit Sterblichkeit und biologischem Altern ermittelten. Zudem verglichen sie den Einfluss dieser Umweltfaktoren mit genetischen Risikofaktoren mittels polygenetischer Risikoscores (PRS), also einem statistischen Wert, der das kumulative genetische Risiko für bestimmte Krankheiten oder Eigenschaften anhand vieler verschiedener Genvarianten zusammenfasst.

Proteomischer Alterungsindex

Das Besondere an dieser Studie: Sie nutzte einen proteomischen Alterungsindex, der anhand von Blutproben das biologische Alter der Teilnehmer bestimmte. Dieser Index basiert auf der Analyse zahlreicher Proteine im Blut, deren Konzentrationsmuster eng mit dem Alterungsprozess verknüpft sind. Diese Proteine spiegeln typische Stoffwechselveränderungen wider, die mit dem Älterwerden einhergehen. Dadurch lässt sich das biologische Alter präziser ermitteln als über rein chronologische Angaben. Dies ermöglichte den Forschern, nicht nur zu messen, welche Faktoren mit vorzeitiger Sterblichkeit zusammenhängen, sondern auch, welche tatsächlich den biologischen Alterungsprozess beeinflussen.

Umwelt übertrifft Gene bei weitem

Die Ergebnisse waren eindeutig: Umweltfaktoren erklären etwa 17 % der Variabilität in der Sterblichkeit, während genetische Risikofaktoren weniger als 2 % beitragen. Das bedeutet, dass unser Lebensstil und unsere Umgebung einen weitaus größeren Einfluss auf unsere Lebensdauer haben als die Gene, die wir von unseren Eltern erben.

Interessanterweise variiert der relative Einfluss von Umwelt und Genetik je nach Krankheit erheblich. Bei Lungen-, Herz- und Lebererkrankungen spielt das Exposom eine dominierende Rolle. So erklärt das Exposom bei Lungenkrebs und COPD/Emphysem etwa 49 % der Variabilität, während genetische Faktoren nur etwa 9 % beitragen.

Bei anderen Erkrankungen wie Demenz, Alzheimer und bestimmten Krebsarten (Brust-, Prostata- und Darmkrebs) haben genetische Faktoren hingegen einen stärkeren Einfluss. Beim Prostatakrebs beispielsweise erklären genetische Faktoren etwa 26 % der Variabilität, während Umweltfaktoren nur etwa 5 % beitragen.

Die 25 Faktoren, die unser Leben prägen

Die Studie identifizierte 25 unabhängige Umweltfaktoren, die sowohl mit vorzeitiger Sterblichkeit als auch mit biologischem Altern zusammenhängen. 23 dieser 25 Faktoren sind potenziell modifizierbar – wir können sie also durch eigenes Handeln oder gesellschaftliche Maßnahmen beeinflussen.

Rauchen: Der stärkste Einflussfaktor
  • Rauchen zeigte den stärksten Zusammenhang mit vorzeitiger Sterblichkeit und beschleunigter proteomischer Alterung. Aktuelle Raucher hatten ein deutlich erhöhtes Sterblichkeitsrisiko (Hazard Ratio >1,4): Das bedeutet ein 40 % höheres Risiko für vorzeitigen Tod im Vergleich zur Referenzgruppe. Eine Hazard Ratio (HR) ist ein Maß für das relative Risiko eines Ereignisses – in diesem Fall Sterblichkeit – in einer untersuchten Gruppe im Vergleich zu einer Referenzgruppe. Zusammenhänge mit 21 altersbedingten Krankheiten wurden festgestellt. Dies unterstreicht einmal mehr die verheerenden Auswirkungen des Rauchens auf die Gesundheit.
Sozioökonomischer Status: Ein Leben in Sicherheit
  • Faktoren wie Haushaltseinkommen, Beschäftigungsstatus und Wohneigentum zeigten starke Schutzeffekte gegen vorzeitige Sterblichkeit (alle mit Hazard Ratios <0,8). Menschen mit höherem Einkommen, in Beschäftigung und mit Wohneigentum hatten ein signifikant geringeres Risiko für vorzeitigen Tod und altersbezogene Erkrankungen.
  • Dies verdeutlicht, wie stark soziale Determinanten unsere Gesundheit beeinflussen – ein Aspekt, der in der Präventionsmedizin oft unterschätzt wird. Finanzielle Sicherheit und Wohnstabilität scheinen fundamentale Faktoren für ein gesundes und langes Leben zu sein.
Körperliche Aktivität: Bewegung ist Leben
  • Selbst berichtete körperliche Aktivität zeigte ebenfalls einen starken Schutzeffekt (Hazard Ratio <0,8). Die Studie bestätigte, dass regelmäßige Bewegung mit einem geringeren Risiko für zahlreiche altersbedingte Erkrankungen verbunden ist und den biologischen Alterungsprozess verlangsamt.
  • Interessanterweise zeigte eine zusätzliche Analyse mit objektiv gemessener körperlicher Aktivität (mittels Beschleunigungsmesser) einen noch stärkeren Effekt als selbst berichtete Aktivität, was die Bedeutung von Bewegung weiter unterstreicht.
Frühe Lebenserfahrungen: Der lange Schatten der Kindheit
  • Auffällig ist auch der Einfluss früher Lebenserfahrungen: Das Rauchverhalten der Mutter während der Schwangerschaft sowie die relative Körpergröße und -gewicht im Alter von 10 Jahren waren mit dem Alterungsprozess und der Sterblichkeit im Erwachsenenalter verbunden.
  • Interessanterweise war eine relativ kleinere Körpergröße im Alter von 10 Jahren mit einem geringeren Risiko für proteomische Alterung und Sterblichkeit verbunden – eine Beobachtung, die mit Studien übereinstimmt, die zeigen, dass kleinere Tiere innerhalb derselben Spezies oft eine höhere Lebenserwartung haben.
Soziale Verbindungen und Wohlbefinden
  • Mit einem Partner zusammenzuleben (im Vergleich zu allein oder mit Nicht-Partnern) zeigte ebenfalls einen starken Schutzeffekt. Auch die Häufigkeit von Müdigkeitsgefühlen war ein starker Prädiktor für vorzeitige Sterblichkeit, was die Bedeutung von Wohlbefinden und ausreichender Erholung unterstreicht.

Revolution in der Präventionsmedizin?

Die Ergebnisse dieser Studie haben weitreichende Implikationen für die öffentliche Gesundheit und Präventionsstrategien. Da 23 der 25 identifizierten Faktoren modifizierbar sind, bieten sie erhebliches Potenzial für Interventionen zur Verlängerung der Lebenserwartung und Verbesserung der Lebensqualität.

Die Studienergebnisse legen nahe, dass gezielte Maßnahmen wie Raucherentwöhnung, Förderung körperlicher Aktivität, Verbesserung sozioökonomischer Bedingungen und Unterstützung in der frühen Kindheit die wirksamsten Ansätze zur Verringerung vorzeitiger Sterblichkeit und altersbedingter Erkrankungen sein könnten.

Dies stellt einen Paradigmenwechsel dar: Während viel medizinische Forschung auf genetische Faktoren und personalisierte Medizin auf Basis genetischer Profile ausgerichtet ist, deutet diese Studie darauf hin, dass breit angelegte Interventionen auf Umweltfaktoren oft effektiver sein könnten.

Grenzen der Studie und zukünftige Forschung

Trotz der eindrucksvollen Ergebnisse weist die Studie einige Einschränkungen auf. Die UK Biobank-Population ist gesünder und wohlhabender als die allgemeine britische Bevölkerung, was die Übertragbarkeit der Ergebnisse einschränken könnte.

Zudem wurden die Expositionen nur zu einem Zeitpunkt gemessen, was die Dynamik des Exposoms über die Lebensspanne nicht erfasst. Auch wurden nicht alle möglichen Umweltexpositionen gemessen – insbesondere chemische Belastungen (z. B. Pestizide) wurden nur begrenzt berücksichtigt.

Darüber hinaus testeten die Forscher nur lineare Zusammenhänge und keine Gen-Umwelt-Interaktionen. Zukünftige Studien sollten diese Aspekte genauer untersuchen und kausale Zusammenhänge aufdecken.

Fazit: Ein neuer Blick auf ein langes Leben

Diese wegweisende Studie zeigt, dass unser Lebensstil und unsere Umgebung deutlich mehr Einfluss auf unsere Lebenserwartung haben als unsere Gene. Die 25 identifizierten Umweltfaktoren erklären fast zehnmal mehr Variabilität in der Sterblichkeit als genetische Risiken.

Die gute Nachricht: Die meisten dieser Faktoren können wir beeinflussen. Von der Raucherentwöhnung über mehr Bewegung bis hin zu besseren sozioökonomischen Bedingungen – es gibt viele Ansatzpunkte für ein längeres und gesünderes Leben.

Für die Gesellschaft bedeutet dies, dass Investitionen in bessere Lebensbedingungen, Bildung und Gesundheitsförderung wahrscheinlich einen größeren Einfluss auf die Volksgesundheit haben als die Entschlüsselung unseres genetischen Codes.

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Verantwortlicher: Klaus Rudolf; Kommentare und Fragen bitte an: rudolfklausblog@gmail.com
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